Die Ware Wort

Geschäfte mit der Sprache

"Wa(h)re Sprache" hieß eine Tagung des Forum Alpbach in Innsbruck. Literaturwissenschaftler, Fachleute des Verlagswesens, Autoren, Kritiker und Übersetzer diskutierten über das Geschäft mit der Sprache.

Die "Ware Wort" war schon in der Antike ein begehrtes Handelsgut. Im 5. Jahrhundert vor Christus, während des Demokratisierungsprozesses in Athen, wurde die Sprache vielleicht erstmals in der Weltgeschichte zur Ware. Der Altphilologe und Rektor der Universität Innsbruck, Karlheinz Töchterle, erklärte die Umstände in seinem Beitrag zur Innsbrucker Tagung "Wa(h)re Sprache" des Europäische Forum Alpbach.

Die starren hierarchischen Strukturen der Gesellschaft begannen aufzubrechen "und für die Menschen wurde es wichtig, sich rhetorisch und argumentativ durchzusetzen, denn das war sozusagen die Fahrkarte, um durch die Strukturen wandern zu können." Die Sophisten waren es dann, die als Lehrer auftraten, und den Menschen so ermöglichten, sich in der Gesellschaft zu behaupten und Karriere zu machen.

Publikumsorientierung

Wenn heute die Kommerzialisierung des Buchmarktes und damit der Literatur vielfach beklagt wird, gibt Karlheinz Töchterle zu bedenken: "Das war zu allen Zeiten so, dass Literatur geschrieben wurde um gelesen zu werden. Denn Literatur wird genau genommen erst zu Literatur, wenn sie gelesen wird".

Die attischen Dramatiker hätten sich am Geschmack des Publikums orientiert und das würden auch heutige Autorinnen und Autoren tun - natürlich müsse es aber auch geschützte Bereiche geben: "Es müssen auch Dinge gefördert werden, die der Markt nicht nachfragt, die nicht den Publikumsgeschmack treffen. Staaten und private Sponsoren übernehmen die Rolle der früheren Mäzene, und das ist auch sehr wichtig."

Dominanz von drei Sprachen

"Kultur bildet Machtstrukturen ab", das zeigt sich für den Buchmarktberater Rüdiger Wischenbart daran, wie Literaturübersetzungen verteilt sind: "75 bis 80 Prozent aller Übersetzungen weltweit kommen heute aus drei Sprachen: aus dem Englischen, dem Deutschen und dem Französischen. Und Englisch ist hier wieder mit 50 bis 60 Prozent sehr dominant." Übersetzungen aus den kleineren Sprachen, etwa aus Osteuropa, gibt es nur in sehr kleiner Zahl.

Die Schätze der kleinen Sprachen

Die Literaturwissenschaftlerin Konstanze Fliedl sieht hier großen Nachholbedarf und einen Auftrag für eine gesamteuropäische Kulturpolitik: "Wir verzichten hier auf Schätze der Literatur und der Kommunikation." Der Klagenfurter Verleger Lojze Wieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, solche Schätze zu heben und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In seinem Wieser Verlag verlegt er Bücher auf Deutsch und Slowenisch, darunter sind Übersetzungen aus rund zehn Sprachen Mittel- und Osteuropas.

Für ihn ist die Anerkennung und Förderung der einzelnen Sprachen der Schlüssel zu einem friedlichen und wertschätzenden Zusammenleben: "Wir haben in Europa 48 Nationalstaaten, aber wir haben 200 lebende Kulturen und Sprachen in diesem Europa. All die Minderheiten wurden in den vergangenen zwei Jahrhunderten dazu gezwungen, ihre Sprache und Identität in den Hintergrund zu stellen, wenn nicht gar zu assimilieren."

Übersetzungen als Ware

Diese Strategie hat keinen Frieden gebracht, und für Lojze Wieser liegt auf der Hand, dass einerseits die großen Sprachgemeinschaften den kleineren den literarischen Ausdruck ermöglichen müssen, und andererseits die Literatur dieser kleinen Sprachen auch in die anderen übersetzt werden soll.

Derzeit zeichnet sich am Markt der Übersetzungen aber ein anderer Trend ab: Die Übersetzerin Katharina Rohringer-Vesovic sprach auf der Innsbrucker Tagung von sich verschlechternden Arbeitsbedingungen, Preisdumping und zu starker Kosten-Nutzen-Orientierung. Der wahre Wert einer Übersetzung als Medium, das zwischen Kulturen vermittelt, werde kaum wahrgenommen. Die Folge des hohen Drucks, unter dem Übersetzerinnen und Übersetzer stehen, sei eine Korrosion der Arbeitsethik und letztlich ein Sinken der Qualität.

Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 15. November 2007, 19:05 Uhr

Link
Europäischen Forum Alpbach - Wa(h)re Sprache