Vom Schlagerstar zum Heldentenor

René Kollo ist 70

René Kollo feiert heute seinen 70. Geburtstag. Seine letzten Bühnenrollen waren klein, die späte Intendantenlaufbahn kurz. Aber vielen gilt er als bester Wagner-Tenor der Welt. Begonnen hat er allerdings als Jazz- und Schlagersänger.

René Kollo feiert heute seinen 70. Geburtstag. Seine letzten Bühnenrollen waren klein, die späte Intendantenlaufbahn kurz. Aber vielen gilt er als bester Wagner-Tenor der Welt. Begonnen hat er allerdings als Jazz- und Schlagersänger.

Die neuen Bühnenrollen von René Kollo (zuletzt in Leos Janaceks "Aus einem Totenhaus" in Berlin) sind klein geworden, die späte Intendanten-Laufbahn (am Berliner "Metropol"-Operettentheater) war kurz. Aber immer noch klingt Herbert von Karajans Wort über den jungen René Kollo nach: "Das ist der Stolzing, auf den ich 40 Jahre gewartet habe!"

"Mary Lou" mit 20, "Tannhäuser" mit 30

Die Mischung aus gestalterischer Intelligenz und jungendlich "schlanker" Stimme war sein Markenzeichen, als René Kollo die erfolgreiche Schlagerkarriere an den Nagel hängte und auf Opernsänger umsattelte. Familiär vorbelastet - Walter und Willi Kollo, Großvater und Vater, bildeten eine Berliner Operetten-"Dynastie" -, war er mit Anfang 20 ins Unterhaltungsgewerbe eingestiegen. Größter Erfolg: "Hello, Mary Lou", mit über 125.000 verkauften Platten.

Die Skepsis war dementsprechend groß, als er wenig später als lyrischer Tenor am Staatstheater Braunschweig auftauchte - und mit 32 in den typischen Anfänger-Partien seines Fachs bei den Bayreuther Festspielen debütierte. Dann allerdings explodierte die Karriere förmlich: Es dauerte nicht ein Jahr, und Georg Solti hatte Kollo für seine Wiener Studioaufnahme von Richard Wagners "Tannhäuser" unter Vertrag - für die Titelrolle, die unter Tenören als schwerer gilt als der Tristan. Und die Erstbegegnung mit Herbert von Karajan ließ nicht lange auf sich warten.

Kollo und Karajan
Der erwähnte Stolzing in den "Meistersingern von Nürnberg" war René Kollo nicht nur bei Herbert von Karajans Salzburger Osterfestspielen, sondern auch bei einer legendär gewordenen Platteneinspielung in Dresden, die, lange bevor es weltpolitisch so weit war, deutsche "Wiedervereinigung" praktizierte, mit Karajan am Dirigentenpult der Dresdner Staatskapelle.

Die künstlerische "Liebeaffäre" zwischen Kollo und Karajan war heftig (hätte Karajan ohne ihn als Danilo Lehars "Lustiger Witwe" eine Gesamtaufnahme gegönnt?), aber kurz. Schon zwei Jahre nach den Dresdner "Meistersingern" fand sich der Tenor zum "Maestrissimo" ans Klavier kommandiert, zu einem Vorsingen für einen Salzburger Lohengrin, für den der Vertrag längst abgeschlossen war. Karajan: "Weiß ich, ob Sie das noch singen können?" Kollo drehte sich am Absatz um, um nie wiederzukommen.

Wagner zwischen Bayreuth und Mailand
War Karajans Frage berechtigt? René Kollo hatte - nach kaum fünf Jahren internationaler Karriere - seine ersten "Tristan"-Verträge schon in Tasche, war mit Fernsehshows omnipräsent, in denen er, à la Anneliese Rothenberger, zwischen "Macht des Schicksals" und Edelschnulze alles sang. In Bayreuth war er bereits als Siegfried engagiert, für das, was später "Jahrhundertring" tituliert wurde, den "Ring des Nibelungen" mit Pierre Boulez und Patrice Chéreau. Und Leonard Bernstein, der Karajan-Antipode jener Ära, hatte René Kollo in den Zirkel seiner Lieblingssänger aufgenommen.

Eine gewisse Allüre, das Wissen um seine Qualitäten und die sprichwörtliche Berliner "Schnauze" bildeten mitunter eine explosive Mischung, die Kollo zu einem "Schwierigen" der Opernszene werden ließen. Seine Bindung an Wolfgang Wagner und die Bayreuther Festspiele endete ebenso im Krach wie die Mailand-Connection zu Claudio Abbado.

München und Berlin, die Bayerische Staatsoper und die Deutsche Oper Berlin, wurden in den 1980er und 90er Jahren "seine" Häuser. Und zum Kanon von Kollos Wagner-Rollen kamen die "interessanten" Bühnencharaktere, denen stets seine Vorliebe galt: Brittens Peter Grimes, Tschaikowskys Hermann in "Pique Dame", Verdis Otello.

Ausklang
Heute klingt René Kollo in Interviews oft resigniert: Der Geschäftemacher-Irrwitz im Opernbusiness macht ihm Sorge, die Dominanz des Regietheaters, unnatürliche Entwicklungen wie das Beharren der Intendanten auf der Originalsprache, die seiner Meinung nach die Oper dem Publikum ferne rückt. Eine Weile hat Kollo selbst dagegen angekämpft, mit eigenen Opern-Inszenierungen, seinem Intendantenintermezzo, seiner freimütigen Autobiografie "Die Kunst, das Leben und alles andere …".

Heute ist nur Kollos Privatleben noch manchmal für Schlagzeilen gut. Und manchmal singt er noch Schubert. Die "Winterreise".

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 22. November 2007, 15:06 Uhr

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