Ein totaler Musiker

George Enescu

Als einen gewaltigen, als einen "totalen" Musiker hat ihn sein treuer Assistent Marcel Mihalovici beschrieben, den in wahrlich erstaunlich vielen musikalischen Disziplinen herausragenden George Enescu. Und auch seine Kollegenschaft war voll des Lobes.

Ungarische Rhapsodie und Fanfare Ciocarlia

George Enescu lebte von 1881 bis 1955 und verbrachte den Großteil seines Lebens außerhalb seines Heimatlands. Obwohl in einem Dorf geboren, war er - auch wenn er später gerne damit kokettiert hat - kein "Bauernkind". Er stammte aus einer gebildeten und das Wunderkind gezielt fördernden Familie. Sein Vater sang, dirigierte einen Chor und spielte Violine, die Mutter spielte Gitarre und Klavier. Mit vier Jahren begann Gheorghe - so die ursprüngliche Schreibweise - mit dem Violinspiel und erhielt Unterricht von einem Zigeuner. Als er ein Jahr später Notenlesen und Klavierspielen lernte, begann er sofort zu komponieren.

"Da war etwas Zigeunerhaftes in seinem Spiel, ein wildes, gefühlsbeladenes Espressivo, fast eine Art Parlando", sage Yehudi Menuhin bewundernd über das Geigenspiel seines Lehrers. "Er spielte, als ob er improvisierte, mit jener raschen Konzentration, jener Fähigkeit, die Töne hervorzubringen, als ob sie gerade erst aus dem namenlosen Nichts entstanden seien, wie Worte, die sich in ihrer Bedeutsamkeit dem Geist unmittelbar erschließen. Alles Musiker, die ihn kennengelernt und mit ihm gespielt hatten, sagen das Gleiche: Enescu war eine der größten Anregungen in ihrem Leben, nicht nur in musikalischer Hinsicht."

Alle, die mit ihm zusammen musizierten waren von seiner Musikalität, von seinem phänomenalen Gedächtnis, und letztlich von seiner außerordentlichen Persönlichkeit hingerissen.

Anreger und Förderer

1902 gründete George Enescu mit Louis Fournier und Alfredo Casella ein Klaviertrio, 1904 das Enescu-Quartett. Parallel zu seinen Aktivitäten in Paris, wo er nach Wien studiert und sich niedergelassen hatte, wirkte er jedoch auch in seinem Heimatland Rumänien, wo er ein Haus in Sinaia besaß.

1912 rief Enescu in Bukarest den Enescu-Preis für Komposition ins Leben und Enescu war es, der im Jahre 1914 die erste vollständige Aufführung von Beethovens 9. Symphonie in Rumänien leitete. 1917 gründete er das George-Enescu-Sinfonieorchester und die Gesellschaft rumänischer Komponisten. Die rumänische Staatsoper in Bukarest wurde vier Jahre später mit seinem Dirigat von Wagners "Lohengrin" eröffnet.

Nach einer Konzertreise in die Vereinigten Staaten im Herbst 1946 kehrte er aus Protest gegen die kommunistische Regierung nicht mehr in seine Heimat zurück. Im Juli 1954 erlitt Enescu einen schweren Schlaganfall, der ihn halbseitig gelähmt zurückließ, gestorben ist er in Paris am 4.Mai 1955 und liegt begraben am Friedhof Père Lachaise.

Zu viel informatorische Dichte

Als Komponist war Enescu kein Neutöner, kein Revolutionär, er hat aber viel Neues an seelischer Tiefe, an Intensität des Ausdrucks und echter Poesie in die Musik eingebracht. Es wäre seinen Werken eine Renaissance außerhalb Rumäniens zu wünschen, die bislang daran gescheitert ist, weil, so der Musikwissenschafter Pascal Betoiu, "die bedeutenden Werke Enescus alle über eine außergewöhnliche musikalische Informationsdichte verfügen. Sie sind schwierig, sie sind gewissermaßen zu schwierig für die Bedingungen musikalischer Darbietung in der heutigen Zeit. Um wirklich erschlossen werden zu können, verlangen sie danach, wiederholt gehört zu werden, was nur selten möglich ist, sie verlangen den Interpreten eine Investition an Zeit, Arbeit und Mühe ab, die außerordentlich groß ist -und die meisten Interpreten unserer Tage sind doch sehr in Eile. Enescus Musik fordert also, kurz gesagt, eine liebevolle Annäherung, echte Hingabe und fast ein Glaubensbekenntnis, sowohl von den Zuhörern als auch von den Musikern. Doch wenn man einmal die harte Schale durchdrungen hat, stellt der Kern der Frucht sich als unvergleichlich süß heraus. Ein Aroma, das man so schnell nicht mehr vergisst."

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 21. November 2007, 10:05 Uhr

Buch-Tipp
Noel Malcolm, "George Enescu - his life and music", Toccata Press/Exeter

Link
International Enescu Society

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