Die Globalisierung einer Ideologie
Akteure der Globalisierung und ihre Netzwerke
Netzwerktheorien gewinnen auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften an Terrain. Zum Beispiel versuchen Historiker, die sogenannte "Globalisierung" wenigstens teilweise als "Transnationale Vernetzung" zu verstehen.
8. April 2017, 21:58
Netzwerktheorien gewinnen auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften an Terrain. Ist ein solches "Netz" erst einmal geschaffen, zirkulieren darin Ideen, Ideologien und auch Menschen - ohne, dass die Netz-Betreiber sich selbst bewegen müssten.
Wer sind nun diese Akteure Transnationaler Netzwerke? Auf welche Weise werden Wissen, Normen, Ideologien einschließlich "Life Styles" über Netze erzeugt und verbreitet? All das sind auch Fragen an die Geschichtswissenschaft.
Neoliberale Netzwerke
Ein Beispiel für die weltweite Verbreitung eines wirtschafts-ideologischen Systems sind neoliberale Netzwerke, mit denen im Wesentlichen die Unterwerfung weiter gesellschaftlicher Bereiche unter die Herrschaft des Marktes beziehungsweise die Anwendung betriebswirtschaftlicher Kriterien auf staatliche Domänen befördert werden soll.
Das Bauen einer Denkfabrik
Zentraler Knoten dieses neoliberalen Netzes ist die so genannte "Mont Pèlerin Society", die 1947 als Zusammenschluss neoliberaler Intellektueller aus den USA und aus Europa gegründet wurde. Damals sollte ein neuer Liberalismus propagiert werden, der sich als Rechts-Ideologie gegen links- und sozialliberale Vorstellungen richtete.
Ursprünglich als Diskussionsforum von Wirtschaftswissenschaftern angelegt, erkannte die MPS bald, dass sie - um breit wirksam zu werden - interdisziplinär agieren müsse. So wurden jede Menge Fachleute aus Sozial-, Politik- und Religionswissenschaft einbezogen, ebenso wie Praktiker - Manager, Journalisten und, natürlich, Politiker.
Im Lauf der Jahrzehnte hat sich das MPS-Netz auf alle Weltregionen ausgedehnt - ist aber ein Personen-Netz alten Stils geblieben: Die Anzahl der Mitglieder ist mit 500 limitiert.
Effizienz durch Diffusion
Dieser exklusive Zirkel ist hocheffizient durch Verbindungen zu regionalen Netzwerken. Diese Think Tanks verbreiten seit den Fünfzigerjahren neoliberale Überzeugungen: Man versucht, die Jugend an den Universitäten und wichtige Teile der Fachöffentlichkeit zu beeinflussen - und via Medien die öffentliche Meinung.
Beim professionellen Wissens-Marketing spielt die "Heritage Foundation" in Washington eine besondere Rolle: Sie versteht es, passende wissenschaftliche Studien und Expertisen "just in time" jenen zukommen zu lassen, auf die es ankommt: zum Beispiel Politiker und Politikerin auf dem Weg zu einer Abstimmung.
Mehr als ein Instrument von Kapitalinteressen
Die neoliberalen Think Tanks werden von Großkonzernen wie auch von Einzelinteressenten finanziert - und verweisen auf diese breite Finanzierungsbasis, um ihre Unabhängigkeit zu belegen. Ebene diese Basis ermöglicht aber selbstverständlich auch eine selektive Lenkung von Geldströmen.
Problem Intransparenz
Gerade die Geldgeber neoliberaler Think Tanks stellen die Netzwerk-Forscher in Europa vor Probleme: Anders als in den USA besteht hier nämlich keine Offenlegungsverpflichtung für derartige Zuwendungen - solche Transparenz wäre aber wichtig, um Expertentum und Wissenschaftsproduktion nicht zum Herstellungsverfahren für (scheinbare) Sachzwänge verkommen zu lassen.
Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 26. November 2007, 19:05 Uhr