Welche Rechte haben Tiere?

Zwischen Schlachthof und Wildnis

Menschen und Tiere leben gemeinsam in derselben Welt. Ohne Tiere wäre die Entwicklung der Spezies Mensch gar nicht möglich gewesen, denn von den Tieren - den Wildtieren und später den Nutztieren - bekamen sie, was sie zum Leben benötigten: Nahrung.

Das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren ist seit langem schwierig - genauer, von dem Moment an, als die Menschen aufhörten, nur pflanzliche Nahrung zu sich zu nehmen und in der Altsteinzeit begannen, auf die Jagd zu gehen.

Tiere zu töten, wurde als Bruch der Verbindung zwischen Mensch und Tier erlebt. Die Rituale zur Befriedung der getöteten Tiere gelten als eine der Quellen für das Entstehen von Religion und auch von Rechtssprechung. Bis heute ist das große, zweibeinige, feder-, flügel- und huflose Wesen Mensch zunächst einmal ein Feind für die Tiere, die vor dem Raubtier Mensch die Flucht ergreifen.

Auch die Haustiere, die Menschen seit rund 12.000 Jahren in ihre Dienste genommen haben, müssen sich immer neu an den Menschen gewöhnen.

Menschen sind vernünftig, Tiere nicht

Weil das Leben der Tiere so eng mit dem der Menschen verflochten ist, wurden die Tiere als Rechtssubjekte gesehen. Dafür gibt es viele Belege, zum Beispiel in der Bibel. Im Mittelalter gab es sogar Prozesse gegen Tiere - etwa wurde ein Mutterschwein zum Tod verurteilt, weil es seine Frischlinge zu Tode gebissen hatte.

Dieses Verhältnis änderte sich erst in der Neuzeit, als der französische Philosoph Rene Descartes erklärte, dass Tiere Mechanismen seien. Tiere sind Sachen, stellte z. B. der deutsche Philosoph Immanuel Kant in seinem 1797 erschienenen Werk "Die Metaphysik der Sitten" fest. Trotzdem sollen Menschen Tiere nicht quälen, sagt Kant, denn dadurch stumpft das menschliche Mitgefühl ab und das Verhältnis zu anderen Menschen wird beeinträchtigt. Die Begründung für Kants Einschätzung: Menschen sind vernünftig, Tiere nicht.

Tiere und Sklaven galten als Sachen

Kants Zeitgenosse, der englische Philosoph Jeremy Bentham allerdings meint, dass die Vernunft nicht das einzige Kriterium für die Unterscheidung zwischen Tier und Mensch sein kann. Er schrieb:

Die Frage ist nicht: können sie verständig denken? Oder können sie sprechen? Sondern: Können sie leiden? Warum sollte das Gesetz den Schutz empfindsamer Wesen ablehnen? Die Zeit wird kommen, in der die Menschheit ihren schützenden Mantel über alles ausbreiten wird, das atmet.

Doch nicht nur Tiere, auch Sklaven und Frauen werden zu Anfang des 19. Jahrhunderts vom Recht wie Sachen behandelt. Bentham bezieht seine Überlegungen auch auf die Rechte der Farbigen. Sklaven, Tierschützer und Befürworter der Frauenrechte demonstrieren im 19. Jahrhundert gelegentlich Seite an Seite.

Neue Fragen an die rechtliche Stellung der Tiere

1859 erscheint Darwins Buch über die Entwicklung der Arten - und das untermauert die Argumente der Tierschützer in gewisser Weise bis heute. Dazu kommen neue Forschungen der Kognitionsbiologie, die zeigen, dass höher entwickelte Tiere Selbstbewusstsein und Gedächtnis haben, in gewissem Umfang auch ihre Zukunft planen können und vor allem leidensfähig sind.

Das stellt neue Fragen an die rechtliche Stellung der Tiere: Wie steht es mit der Massentierhaltung, ohne die der enorme Fleischkonsum der Industriegesellschaften nicht möglich wäre? Und wie soll man mit Tierversuchen umgehen, die nicht nur für die Notfallmedizin unverzichtbar sind, sondern auch zur Kontrolle der Verträglichkeit der Abertausenden chemischen Substanzen und Medikamente benutzt werden, die heute zum Alltag gehören?

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 3. Dezember bis Donnerstag, 6. Dezember 2007, 9:30 Uhr