Auf Rachefeldzug
Der Atem des Jägers
"Der Atem des Jägers" ist der zweite Krimi des Südafrikaners Deon Meyer mit dem ehemaligen ANC-Befreiungskämpfer Thobela als Helden. Diesmal kommt Thobela auf der anderen Seite des Gesetzes zu stehen und unternimmt einen privaten Rachefeldzug.
8. April 2017, 21:58
Südafrika. Dort wird die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 stattfinden, dort kann - wie wir seit kurzem wissen - sogar der "Elitensport" Golf ein mörderisches Ende finden, und dort gibt es nach jahrzehntelangem Befreiungskampf und der Abschaffung der Apartheid noch immer eine exorbitant hohe Kriminalitätsrate, von der man hierzulande allerdings nur dann etwas hört, wenn eben Touristen betroffen sind oder wild über die Sicherheitslage von internationalen Großereignissen wie der Fußball-WM spekuliert wird.
Vertraut man dem Internet-Lexikon "Wikipedia" so gab es bei einer Einwohnerzahl von knapp 47 Millionen in den letzten zehn Jahren 219.000 Morde und 118.000 Fälle von Totschlag. Den Rest mögen sich Mathematiker ausrechnen. Einzige positive Meldung: Die Zahlen gehen zurück, leicht zurück, wie man der offiziellen Statistik des "South African Police Service", abrufbar ebenfalls im Internet, entnehmen kann.
Mord und Raubüberfälle bleiben nahezu gleich, Vergewaltigungen und Kindesmisshandlungen sind stärker rückläufig, allerdings auf einem außerordentlich hohen Ausgangsniveau: Pro Jahr waren es zuletzt mehr als 50.000 angezeigte Fälle von Vergewaltigungen, steht im Polizeireport.
Auf der anderen Seite des Gesetzes
Das alles muss man nicht wissen, wenn man einen Krimi liest. Es hilft aber durchaus beim Verständnis von Deon Meyers neuem Thriller "Der Atem des Jägers". Ein archaisch-spekulativer Titel, meilenweit vom ebenfalls heuer in der Sprache Afrikaans erschienenen Original entfernt. Da hieß das Buch "Infanta", was zwar "Erbprinzessin" bedeuten kann, aber eher eine Ortschaft am südafrikanischen Westkap meinen dürfte. Im Englischen lautet der Titel dann schon "Devils peak", also "Teufelsspitze", und im Deutschen eben - wie gesagt.
Auf alle Fälle ist das bereits der zweite Krimi des Südafrikaners Deon Meyer mit dem ehemaligen ANC-Befreiungskämpfer Thobela als Helden. Diesmal kommt Thobela auf der anderen Seite des Gesetzes zu stehen: Bei einem Raubüberfall wird sein Stiefsohn erschossen, den Mördern gelingt die Flucht aus dem Gefängnis, und Thobela beginnt einen privaten Rachefeldzug gegen Kindesmörder und Kinderschänder. Sein Werkzeug ist ein Assegai, ein traditionelles Speer der südafrikanischen Ureinwohner. Das klingt nach Lynchjustiz, und ist ein durchaus reaktionärer Handlungsfaden in einem Land, in dem aber auch der ebenso reaktionäre Aberglaube, dass man durch Sex mit Kindern Aids heilen könnte, verbreitet ist.
Drei Handlungsstränge
Deon Meyer hat seinen Kriminalroman allerdings auf mehreren Ebenen angelegt. Insgesamt gibt es drei Helden und drei Handlungsstränge, die schließlich überzeugend miteinander verknüpft werden. Da wäre Christine, eine Edelprostituierte, die in den milliardenschweren Drogentransit zwischen Südamerika und Südafrika gerät und - zumindest im Buch - bei einem Pfarrer beichtet und sich ihren Ablass erkauft.
Und da wäre die eigentliche Hauptfigur, der Kriminalpolizist Griessel, ein von seiner Frau verlassener Alkoholiker, der sich in seinem Job langsam wieder aufrappelt und sowohl den Rächer Thobela als auch die Drogenmafiosi jagt. Alkoholismus und Verbrechensbekämpfung, im Besonderen der "trocken gelegte" detective - das ist ja schon ein eigenes Subgenre in der internationalen Kriminalliteratur.
Spannender Thriller
Deon Meyer erzählt diese Geschichte recht glaubwürdig, weitgehend ohne Klischees, gelegentlich vielleicht eine Spur zu sentimental, wenn sich der "harte Bulle" in seiner desolaten Notabsteige nach dem "trauten Heim", nach Frau und Kindern sehnt. Handwerklich perfekt aber, mit kapitelweisen Zwischenschnitten, werden die drei "Heldengeschichten" auf gut 400 Seiten entwickelt und am Ende zusammen geführt.
Alles in allem ist das ein spannender Thriller, in dem man viel über das Südafrika von heute erfährt, inklusive zitierter Kriminalstatistiken. Ob die Sache auch politisch korrekt ist - Stichwort: Lynchjustiz - mögen andere beurteilen. Rassismus hat in dem Buch jedenfalls keinen Platz.
Sieht man sich das Foto des Autors - ein Ex-Journalist, Rugbyspieler und Werbeberater für eine Motorradfirma - am Klappentext an, so ist eine gewisse Ähnlichkeit mit Freddy, dem Kollegen von "Tatort"-Kommissar Max Ballauf, nicht von der Hand zu weisen. Und dieser Freddy, gespielt von Dietmar Bär, ist ja auch nicht unbedingt ein "Unsympathler".
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Deon Meyer, "Der Atem des Jägers", aus dem Englischen übersetzt von Ulrich Hoffmann, Verlag Rütten & Loening