Von Gioachino Rossini zu Richard Wagner

Daniele Gatti auf dem Weg nach Bayreuth

Der Italiener Daniele Gatti ist einer der Hauptdirigenten des Teatro alla Scala in Mailand, Chef des Royal Philharmonic Orchestra, ständiger Gast bei den Wiener Philharmonikern. 2008 debütiert er mit "Parsifal" bei den Bayreuther Festspielen.

Vorspiel zu "Parsifal" mit Daniele Gatti

Diesen Moment werden die Moderatoren von der Radiotelevisione Italiana nicht so bald vergessen: Beim Rossini-Festival Pesaro 2006, der "Barbier von Sevilla" wird gespielt, das Orchester kommt aus Bologna, wo Daniele Gatti Chefdirigent des Teatro Comunale ist, er selbst steht am Pult. In der Pause gelingt es, den verschwitzten Gatti vors Mikrophon zu bringen, man erwartet Erhellendes zu Gioachino Rossini und zum "Barbiere" - aber Daniele Gatti spricht nur über Wagner und Bayreuth und ist davon nicht abzubringen.

Im Sommer 2008 wird es tatsächlich so weit sein: Daniele Gatti leitet die Eröffnungspremiere der Bayreuther Festspiele, einen neuen "Parsifal", den Stefan Herheim inszenieren wird - nachdem Christoph Schlingensiefs Version früher als geplant abgesetzt wurde. Und wenn man "Parsifal"-Ausschnitte, die Gatti in Bologna bereits aufgeführt hat, hört, dann könnte das eine Interpretation von extremem Zuschnitt werden: in Aufsehen erregend gedehnten Tempi, dabei aber von höchster Intensität. War es nicht Arturo Toscanini, der in der Bayreuther Festspielgeschichte, noch in der Ära des Richard-Wagner-Sohns Siegfried Wagner, für den bis dahin langsamsten "Parsifal" aller Zeiten am "Grünen Hügel" gesorgt hat?

Faible für das Spröde

Die Karriere des 1962 in Mailand geborenen Daniele Gatti hat sich ruhig, aber beständig entwickelt. Mit 27 steht er erstmals am Dirigentenpult der Mailänder Scala, macht sich danach in den wichtigsten anderen italienischen Opernhäusern bekannt, fasst bereits in Pesaro Fuß, wird für italienisches Repertoire an die Metropolitan Opera in New York engagiert.

Die Talent-Scouts werden auf Gatti aufmerksam, das renommierteste italienische Konzertorchester, die Accademia di Santa Cecilia in Rom, macht den erst 30-Jährigen zu ihrem Chef, das Londoner Royal Opera House Covent Garden sichert ihn sich für regelmäßige Auftritte.

Konzert und Oper

Nur "Kapellmeister" sein und die x-te "Cavalleria" oder "Madame Butterfly" herunterzuschlagen, interessiert Daniele Gatti nicht. Spätestens 1997 hat er "seine" Arbeitseinteilung gefunden: Da wird das Royal Philharmonic Orchestra in London sein Konzert-Standbein, und in Bologna das Teatro Comunale das für die Oper.

Zehn Jahre danach sind die Bande an London weiter fest, von seiner Chefposition in Bologna hat Gatti sich mit Beginn dieser Spielzeit getrennt - nachdem das Haus dort unter seiner Ägide einen gewaltigen Qualitätsschub erlebt hat, mit einem von Rossini und Verdi bis zu Beethovens "Leonore" und Mussorgskys "Boris Godunow" reichenden Spielplan.

"Don Carlos" in Mailand

In Bologna war Daniele Gatti stets nahe genug an Mailand, um im Bewusstsein der Entscheidungsträger präsent zu bleiben, aber weit genug entfernt, um sich nicht an Riccardo Muti reiben zu müssen, so lange der an der Scala das Sagen hatte. Mittlerweile hat Stéphane Lissner, der neue Scala-Intendant, ein Triumvirat von Dirigenten installiert, die in der Zukunft das künstlerische Antlitz von Italiens Vorzeige-Opernhaus prägen sollen: Neben Daniel Barenboim als "Maestro della Scala" und Riccardo Chailly ist Daniele Gatti der Dritte im Bunde. Die prestigeträchtige "inaugurazione" 2008 ist ihm zugesichert und wird Verdis "Don Carlos" gelten.

Ein Mann mit Zukunft

Das Klischee will von italienischen Dirigenten "mediterrane" Leichtigkeit. Ist die Daniele Gattis Sache? Er hat zwar vor Jahren eine funkensprühende und seither nicht übertroffene Rossini-"Armida" mit Renée Fleming hingelegt, sich aber mit Royal Philharmonic auch in einen tiefschürfenden Tschaikowsky-Symphonien-Zyklus vergraben.

An der Wiener Staatsoper, wo Gatti schon bei seinem ersten Dirigat, Verdis "Simon Boccanegra", in alle Poren der Partitur drang - eine unfehlbare Schlagtechnik, gemeinsam mit beredtem Körper-Ausdruck, erleichtert ihm die Vermittlung seiner Ideen -, folgten "Moses und Aron" und der "Boris".

Kernrepertoire mit Wiener Philharmonikern

Die Wiener Philharmoniker lassen ihn mit Schubert, Brahms, Alban Berg mittlerweile zum Kern ihres Repertoires. Und bei den Garmischer Richard-Strauss-Tagen 2008 wird unter Gattis Leitung außer Musik des Namenspatrons reichlich Wagner am Programm stehen.

Wer zweifelt daran, dass nach dem Bayreuther "Parsifal" die Intendanten vor Gattis Garderobe Schlange stehen werden, für noch "höhere Weihen"? Nur: Er hat Zeit. Sie arbeitet für ihn.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 13. Dezember 2007, 15:06 Uhr

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Harmonia Mundi - Daniele Gatti