Georg Forsters Reisebericht

Reise um die Welt

Drei Jahre war Georg Forster mit James Cook an Bord der "Resolution" auf Weltreise. Die Expedition überquerte dabei erstmals den südlichen Polarkreis. Nach der Rückkehr, 1775, begann ein Publikationswettlauf, der bis heute nachwirkt.

Als Georg Forster 17-jährig als Schiffszeichner und Begleiter seines Vaters, des streitbaren Pastors und Naturwissenschaftlers Johann Reinhold Forster, am 13. Juli 1772 in Plymouth an Bord der "Resolution" ging, brach er zur längsten Reise seiner Zeit auf. Diese Reise, auf der mehr als 300.000 Kilometer zurückgelegt wurden, sollte die Existenz der "terra australis" klären, jenes fruchtbaren Landes, das man nahe am Südpol vermutete und das Großbritannien den absehbaren Verlust der amerikanischen Kolonien ersetzen sollte.

Vorsichtige Annäherung

Drei Jahre dauerte diese Reise und führte vom südafrikanischen Kapland ostwärts in die Südsee. Monatelang war man im antarktischen Eismeer unterwegs, kam soweit nach Süden wie niemand zuvor, erholte sich in Neuseeland und auf Tahiti von Kälte und Skorbut, besuchte u. a. die Tonga-Inseln, Osterinseln, Marquesas und Fidschis, die Neuen Hebriden und Feuerland, entdeckte Neu-Kaledonien, Südgeorgien und die Sandwich Inseln.

Wenn die "Resolution" mit ihrer 118 Mann zählenden Besatzung an einer fremden Küste anlegte, lösten sich vom Ufer die Boote der so genannten "Indianer", wie man damals sämtliche Nicht-Europäer bezeichnete, die nicht als Araber, Chinesen oder Afrikaner identifiziert werden konnten.

Ausgemergelte Matrosen, Wissenschaftler, Handwerker und bewaffnete Soldaten trafen auf neugierige Einheimische - ein spannungsvoller Moment. Zuerst wurden Begrüßungsgeschenke überreicht, dann folgte reger Tauschhandel. Nägel, Beile, Stoffe und Glasperlen gegen Pisang, Brotfrucht, Kokosnüsse, Yam oder Fisch. Wenn das beiderseitige Vertrauen hergestellt war, konnte mit der Auffüllung der Vorräte und den Ausbesserungsarbeiten am Schiff begonnen werden. Die Wissenschaftler erkundeten einstweilen das Land mit Gewehr, Meißel und Botanisiertrommel.
Wie beispielsweise auf Tahiti.

Wir fanden einen neuen Baum, der das prächtigste Ansehen von der Welt hatte. Er prangte mit einer Menge schöner Blüthen, die so weiß als Lilien, aber größer und mit einer Menge von Staubfäden versehen waren... Es waren ihrer bereits so viele abgefallen, dass der ganze Boden voll davon lag. Diesen schönen Baum nannten wir Barringtonia, in der Landessprache aber heißt er Huddu, und die Einwohner versicherten, dass wenn die nussartige Frucht desselben zerstoßen, und, mit dem Fleisch der Muscheln vermischt, ins Meer geworfen wird, die Fische auf einige Zeit so betäubt davon würden, dass sie oben aufs Wasser kämen und sich mit den Händen fangen ließen.

Ethnologische Arbeitsweise

Georg Forsters Methode, mit den Einheimischen in näheren Kontakt zu kommen, ist an allen Küsten dieselbe: er befreundet sich mit einigen besonders zugänglichen und angesehenen Menschen, die ihn in ihre Gemeinschaft einführen. So nimmt er am Leben des untersuchten Volkes teil, an seinen alltäglichen Verrichtungen und an seinen Festen.

Die Tänzerinnen bewegten sich nunmehro nach dem Schall der Trommel... In ihrer Art die Arme zu bewegen, ist warlich viel Grazie und in dem beständigen Spiel ihrer Finger ebenfalls etwas ungemein zierliches. Das einzige was mit unsern Begriffen von Schönheit, Anstand und Harmonie nicht übereinstimt, war die hässliche Gewohnheit, den Mund auf eine so abscheuliche Art zu verzerren, dass es ihnen keiner von uns gleich thun konnte. Sie zogen den Mund seitswärts, in eine herabhängende Linie, und brachten zu gleicher Zeit die Lippen in eine wellenförmig-convulsivische Bewegung, als ob ihnen, aus langer Gewohnheit, der Krampf gleichsam zu Gebote stände.

Forster bemüht sich, die jeweilige Landesprache zu erlernen und stellt Fragen. Er versucht das Beobachtete nicht nur zu beschreiben sondern auch zu verstehen - ob es sich um die egalitäre Gesellschaftsstruktur Tahitis handelt, um die Penisköcher der Neukaledonier oder um den Kannibalismus auf Neuseeland, dessen Ursache er weder in der Nahrungsbeschaffung noch im Kultischen sieht:

Wer weiß also, ob die ersten Menschenfresser die Körper ihrer Feinde nicht aus bloßer Wuth gefressen haben, damit gleichsam nicht das geringste von denselben übrig bleiben sollte?

Kritische Selbstbefragung

Geradezu modern erscheint Forster, wenn er über den Einfluss der Europäer auf die besuchten Völker reflektiert. Er erkennt, dass der Tauschhandel zu einem Wandel in der jeweiligen Gesellschaftsstruktur und manchmal sogar zu Kriegen führt. Er ist entsetzt über die Übergriffe der Matrosen und kritisiert die an vielen Orten entstehende Prostitution. Auch die eigene Rolle wird hinterfragt:

Wahrlich! Wenn die Wissenschaft und Gelehrsamkeit einzelner Menschen auf Kosten der Glückseligkeit ganzer Nationen erkauft werden muss; so wär´ es, für die Entdecker und Entdeckten, besser, dass die Südsee den unruhigen Europäern ewig unbekannt geblieben wäre!

Georg Forster trennt Faktensammlung von Interpretation, reflektiert seine Perspektive und betont das Anrecht der untersuchten Menschen auf seine Objektivität. Nach seinem Südseebericht ist es keinem Wissenschaftler mehr möglich, seine Forschungen vom Schreibpult aus zu betreiben. Die Qualität des Schriftstellers Forster zeigt sich in den lebendigen und präzisen Darstellungen der Landschaften und des Schiffslebens.

Dass die "Reise um die Welt" dennoch nicht an den Erfolg von James Cooks eher trockenem Südseebuch herankam, liegt daran, dass letzteres mit einer Vielzahl bunter Illustrationen aufwarten konnte - ein entscheidender Vorteil in dieser bilderarmen Zeit. Nach einem Streit mit der britischen Admiralität war Johann Reinhold Forster nicht nur das Publikationsrecht entzogen worden - weshalb ja Sohn Georg das Buch überhaupt schrieb -, er war auch mittellos. Die Zeichnungen Georg Forsters mussten zwecks Finanzierung des Buches verkauft werden. In der vorliegenden, aufwändig gestalteten Ausgabe sind sie erstmals veröffentlicht.

"Das Buch der Woche" ist eine Aktion von Ö1 und Die Presse.

Mehr zu Georg Forster in oe1.ORF.at

Hör-Tipps
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Kulturjournal, Freitag, 14. Dezember 2007, 16:30 Uhr

Ex libris, Sonntag, 16. Dezember 2007, 18:05 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Georg Forster, "Reise um die Welt", Die Andere Bibliothek, Eichborn Verlag

Links
Eichborn - Reise um die Welt
Mare - Georg Forster