Über die Instabilität der Finanzmärkte
Verlockende Termingeschäfte und platzende Blasen
Finanzkrisen wie etwa diesen August in den USA rufen Angst und Unsicherheit, aber auch Verständnislosigkeit hervor. Warum hat eine amerikanische Immobilienblase Einfluss auf den europäischen Finanzmarkt? Wie kommt es überhaupt zur Blasenbildung?
8. April 2017, 21:58
Immer wieder wird die Finanzwelt von kleineren oder größeren Schockwellen erschüttert - wie etwa diesen August in den USA. Ökonomen sprechen dabei vom Platzen der amerikanischen Immobilienblase.
In diesem Zusammenhang liest und hört man vom "Subprime-Problem". Subprime bedeutet zweitklassig. Es handelt sich dabei um Menschen, die sich Geld bei der Bank ausborgen und kaum Sicherheiten haben, also wenig kreditwürdig sind. Von diesen Menschen gibt es in den USA sehr viele, den Meisten werden trotzdem Kredite für Häuser oder Wohnungen gewährt. Für solche "subprime" Kredite verlangen die Banken aber sehr viel höhere Zinsen, als ein Kreditnehmer guter Bonität zahlen müsste.
Gebündeltes Risiko
Von der Subprime-Krise im Sommer blieben auch die europäischen und asiatischen Börsen nicht unberührt. Gebündelt wurden nämlich die amerikanischen Hypothekarkredite an europäische Banken verkauft.
Gebündelt klingt nach geringerem Risiko, denn es werden zehntausende solcher Kredite zusammengenommen und zur Zweitfinanzierung angeboten. Und da die hohen Zinsen verlockend sind, haben viele europäische Banken sich auf zweiter oder dritter Stufe an der Finanzierung der "subprime" Kredite beteiligt.
Wenn europäische Banken viele solcher von Fäulnis bedrohten Kredite halten, ist es klar, dass dann, wenn die USA Zahlungsschwierigkeiten haben, auch die europäischen Banken in Schwierigkeiten geraten, so der Ökonom Stephan Schulmeister.
Durch Überschuldung ohne genügend Absicherung kommt es zu Finanzkrisen. Denn irgendwann ist das Ungleichgewicht zwischen tatsächlichem Wert und Preis so groß, dass die Blase platzt.
Manisch-depressive Schwankungen
Die Schwankungen von Aktienkursen, Wechselkursen oder des Erdölpreises basieren nicht auf reellen Werten wie in der Realwirtschaft, sondern auf Hoffnungen, Ängsten und Spekulationen. Stephan Schulmeister bezeichnet die Schwankungen als manisch-depressiv.
Würden sich die führenden Politiker an einen Tisch setzen und die unterschiedlichen Risiken diskutieren, könnte man solche Krisen am ehesten verhindern, ist Johannes Linn, Direktor des Wolfensohn Center für Entwicklungsökonomie, überzeugt.
Instrumente gegen die Krise
Der Internationale Währungsfonds, zu dessen Aufgaben die Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik, die Stabilisierung von Wechselkursen, Kreditvergaben und die Überwachung der Geldpolitik zählen, müsse sich reformieren. Denn momentan verfüge der Währungsfonds über keine guten Krisenabsicherungsinstrumente.
Die Klimaproblematik, der Mittlere Osten und die Instabilität der Finanzmärkte sind Welt-Risiken, gehören weltweit besprochen, meint der ehemalige Vizepräsident der Europäischen und Zentralasiatischen Weltbank und heutige Direktor des Wolfensohn Center für Entwicklungsökonomie, Johannes Linn. Er wünscht sich das Zustandekommen eines tatsächlichen Weltgipfels unter Beteiligung der 20 wichtigsten Staaten.
Lösungsvorschläge
"Wir befinden uns in einer Strangulierungskrise: in einem Prozess, in dem es immer enger wird, in dem die Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen, besonders der jungen, sukzessive immer schlechter werden. Das ist ein schleichender Prozess, der kein radikales Umdenken erzwingt, sondern eher anpasserische Leistungen provoziert", sagt Stephan Schulmeister.
Sein Vorschlag: Eine Steuer auf Transaktionen. Das heißt auf jeden Kauf und Verkauf von Wertpapieren und Währungen. Eine Steuer, die so niedrig ist, dass alle Transaktionen, die der Realwirtschaft dienen, überhaupt nicht betroffen sind. Die Transaktionssteuer soll den Finanzmarkt von seinen manisch-depressiven Schwankungen befreien.
Wenn man nicht mehr durch kurzfristige Wetten exorbitant viel Geld gewinnen kann, wird man sich nach anderen Wegen umsehen. Im besten Fall wird stattdessen in die Forschung und Entwicklung investiert.
Johannes Linn schlägt als Maßnahme zur Krisenintervention auf den Finanzmärkten ein Konkursverfahren auf internationalem Niveau vor. Ein Konkurssystem, in dem sich Schuldner und Gläubiger zusammensetzen müssen und die Probleme ausarbeiten.
Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 18. Dezember 2007, 19:05 Uhr