Was können die Menschen aus dem Tierreich lernen?
Kalt aber nützlich
Wie schaffen es Tiere, bedrohliche Minusgrade auszuhalten? Und was kann man aus diesen raffinierten Tricks der Natur lernen? Es ist eine Menge, meint die Wissenschaft, die wir uns von Eisbären, Fischen, Mäusen und Hirsch abschauen können.
8. April 2017, 21:58
Ein Tier, das sich bei lebensbedrohlichen Minusgraden mit cleveren Tricks warm hält, ist der Eisbär. Der knurrige Bewohner der Arktis verlässt sich dabei nicht nur auf eine dicke Fettschicht. Denn bei minus 50 Grad Celsius und weniger muss man sich schon etwas einfallen lassen, damit man nicht auskühlt.
Der Eisbär ist, wie der Mensch, ein Warmblüter, das heißt er hat eine konstante Körpertemperatur, die nicht von der Außentemperatur abhängt. Das ist ein großer Vorteil, meint der Biologe Ingo Grunwald, denn bei Warmblütlern wird die aufgenommene Nahrung genutzt um Energie zu produzieren.
Wie hält sich der Eisbär warm?
Ausreichende Nahrung allein aber sichert dem Eisbär noch nicht das Überleben. Er muss sich ganz auf seine "eingebauten" Überlebenstricks verlassen. Der erste: obwohl er durch sein dickes Fell weiß erscheint, seine Haut ist schwarz. Die schwarze Hautfarbe ist ein guter Speicher für die wärmenden Sonnenstrahlen.
Der zweite Trick liegt in den Eisbärhaaren versteckt. Sie sind farblos. Weiß erscheinen sie nur, weil sie das Licht reflektieren. Ein Teil davon wird von den Haaren aufgefangen und wie in einer Glasfaser direkt auf die schwarze Haut geleitet. Anders als menschliche Haare sind sie innen hohl. Das macht jedes einzelne Haar zu einer Art Thermoskanne, in der die Wärme effektiv gespeichert wird. Weil die Haare auch noch leicht gekräuselt sind, erzeugen sie viele tausend kleiner Luftpolster, die die Wärme nah am Körper halten.
Eine Kombination für die Praxis
Schon heute gibt es Funktionskleidung mit Tausenden von Haaren, die die "Eisbärkrause" nachahmen. Außerdem werden sie als Auflage auf moderne Sonnenkollektoren genutzt, die dadurch die Wärme länger auf der Oberfläche halten und helfen, viel Energie zu sparen.
Fische im Eismeer
Fische gehören zu den wechselwarmen Organismen und die müssen sich immer ihrer Umgebungstemperatur anpassen. Das heißt aber auch, dass bei Kälte der Körper immer mehr abkühlt, da die Fische keine Möglichkeit haben Wärme zu erzeugen.
Deshalb müssen die Fische im Eismeer zu besonderen Tricks greifen, um nicht auf der Stelle einzufrieren. Aufgrund des hohen Salzgehalts der Meere friert das Wasser nicht bei 0 Grad Celsius wie normal, sondern kann sogar noch kälter werden: bis zu minus zwei Grad und weniger. Blut allein reicht da nicht mehr, um sich warm zu halten.
Lebensbedrohliche Eiskristalle
Fische im Eismeer sind ständig mit winzigen Eiskristallen konfrontiert. Die wachsen im Wasser an winzigen Verunreinigungen - den sogenannten Eiskeimen. Wenn es kalt bleibt, lagern sich daran Wassermoleküle an - Schicht für Schicht. Die Folge: winzige Eiskristalle entstehen. Die Fische schlucken diese Eiskeime ständig hinunter, wodurch die in ihr Blut gelangen aber auch ins Gewebe. Und das ist gefährlich. Denn diese Eiskeime wachsen und könnten dann, wie eine Nadel, die Zellmembran und die Zellstrukturen zerstören.
Dass dies nicht passiert und das die Fische im arktischen Meer nicht einfrieren, dafür sorgen bestimmte Proteine im Körper der Fische. Sie lagern sich an den Eiskristallen an und verhindern ihr Wachstum. Die speziellen Proteine der Fische sind also eine Art eingebautes Frostschutzmittel.
Anwendungsgebiete für "Anti-Freeze"- Protein der Fische
Weil die Wissenschaftler die Frostschutzproteine aus den Fischen für technische Anwendungen nutzen wollen, bauen sie die langen Perlenketten aus Aminosäuren im Labor nach. Inzwischen sind die Forscher so weit, die aus der Natur kopierte Technik für eine Vielzahl von Anwendungen zu testen.
Abgesehen von der Raumfahrt oder bei riesigen Windkraftanlagen, wo man die Vereisung von Oberflächen verhindern will, gibt es noch ein Anwendungspotential in der Kyromedizin, um zum Beispiel Organe länger haltbar zu machen, für eine Transplantation. Aber auch Lebensmittel sind ein interessantes Anwendungsgebiet für den fischigen Frostschutz.
Nicht nur Eisbären in der Arktis und Fische im Eismeer verfügen über besondere Eigenschaften um extremen Temperaturen widerstehen zu können. Daher gibt es noch viele Tricks die sich die Wissenschaft aus dem Tierreich abschauen kann.
Hör-Tipp
Dimensionen, Mittwoch, 2. Jänner 2008, 19:05 Uhr