Das Vakuum der Physiker
Das Nichts
"Du könntest das Nichtseiende nicht denken". Wie die Geschichte des Denkens zeigt, hat sich die Menschheit durch diesen Satz des Griechen Parmenides nicht beirren lassen. Seit Jahrtausenden zieht das Nichts die Denker in ihren Bann.
8. April 2017, 21:58
Die Frage nach dem leeren Raum ist die älteste naturwissenschaftliche Frage, die noch heute die Physiker in Atem hält. Was die Griechen metaphysisch die absolute Leere nannten, bezeichnet man heute physikalisch als das "Vakuum": Ein Raum, in dem es buchstäblich "nichts" gibt.
Ob er tatsächlich existiert, ist lange Zeit eine Streifrage. Die Kontroverse beginnt vor 2500 Jahren bei den Vorsokratikern. Erbittert und unversöhnlich stehen sich damals die Plenisten und die Atomisten gegenüber.
In Wirklichkeit gibt es nur die Atome und den leeren Raum. Demokrit
Dem Atomisten Demokrit entgegnet der Plenist und Naturphilosoph Empedokles:
Im All gibt es nirgends einen leeren Raum, noch einen, der übervoll wäre.
Die Entdeckung des Vakuums
Bis weit über das Mittealter hinaus dominieren die Plenisten mit dieser Auffassung den Streit über das Nichts. Es gilt die Lehrmeinung des Aristoteles und seiner Schüler: die Natur habe einen "Horror vacui" vor der Leere und verabscheue somit das Nichts.
1644 zeigt dann der italienische Physiker Evangelista Torricelli, angeregt durch Galileo Galilei, dass es einen luftleeren Raum gibt. Torricelli erfindet das Quecksilberbarometer und erkennt den Raum im abgeschlossenen Teil der Quecksilbersäule als leer.
Weltberühmt wird ein Jahrzehnt später auch der Magdeburger Naturwissenschaftler Otto von Guericke mit einem spektakulären Experiment. Er konstruiert eine Kolbenvakuumpumpe, die 99 Prozent der Luft zwischen zwei Kupferhalbkugeln absaugt. Nicht einmal zwei Gespanne mit zehn Pferden auf beiden Seiten können die beiden Halbkugeln auseinander reißen. Als die Luft wieder eingelassen wird, fallen die zwei Halbkugeln sofort wieder auseinander.
Der luftleere Raum ist zu voll
Aber ein luftleerer Raum ist natürlich noch kein Vakuum, wissen Physiker heute. Dieser luftleere Raum enthält immer noch zu viel, um absolut leer zu sein. Aber auch das Vakuum ist erfüllt mit so genannten "Quantenfluktuationen". Diese Erkenntnis ist eine Konsequenz aus der Heisenbergschen Unschärferelation von Energie und Zeit. Auch in einem völlig materie- und strahlungsfreien Raum wabern ständig virtuelle Lichtteilchen und Teilchen-Antiteilchen-Paare umehr. Sie tauchen plötzlich auf und verschwinden sofort wieder, ohne sich jemals einfangen zu lassen.
Schon 1948 hat der Physiknobelpreisträger Hendrik Casimir theoretisch bewiesen, dass es in einem materie- und strahlungsfreien Raum immer fluktuierende Energiefelder geben muss.
Das Vakuum ist also lediglich der energieärmste physikalische Grundzustand, den Physiker messen können. Das absolute Nichts gibt es in der Physik nicht.
Gibt es das Nichts im Weltraum?
Der Kosmos entstand mit dem Urknall und dehnt sich seither mit Lichtgeschwindigkeit aus. Das bedeutet, dass die Sterne und Galaxien auseinander fliegen, die gesamte Materie auseinander strebt. Der intergalaktische Raum dazwischen ist deshalb ziemlich leer. Durchschnittlich finden die Astrophysiker in jedem Kubikmeter ungefähr ein Wasserstoff-Atom, im interstellaren Gas können es schon mal zehn oder 100 Atome sein. Allerdings ist dies nur ein sozusagen fast perfektes "chemisches Vakuum": ein Raum frei von Atomen.
Und selbst der materielose Weltraum ist nicht ganz leer: da gibt es die Neutrinos, geisterhafte Teilchen, die nicht mit Materie wechselwirken; die kosmische Hintergrundstrahlung, jene Lichtteilchen, die als mattes Echo des Urknalls immer noch das Weltall durchfluten; und die dunkle Energie, die das Weltall immer schneller auseinander fliegen lässt.
Und vor dem Urknall?
Da der Raum und die Zeit mit dem Urknall entstanden, setzen seriöse physikalische Theorien über den Ursprung des Universums erst einen Wimpernschlag nach diesem initialen "Rums" ein. Trotzdem fragen viele Menschen, was in der "kosmischen Stunde Null" passierte?
In der Regel lautet ihre anschließende Frage dann: Und was war eigentlich davor? Vor dem Urknall? Laut Augustinus soll Gott, der neuerdings intelligente Designer, die Hölle für diese Menschen erfunden haben.
Hör-Tipp
Radiokolleg, Donnerstag, 27. Dezember 2007, 9:05 Uhr