Michael Lüders schreibt gegen unberechtigte Ängste
Allahs langer Schatten
98 Prozent der Deutschen verbinden mit dem Islam Gewalt und Terror, Umfrageergebnisse in Österreich würden wohl Ähnliches ergeben. Michael Lüders will mit seinem Buch zur Unterscheidung zwischen dem Islam und Fundamentalismus, beitragen.
8. April 2017, 21:58
Wolfgang Ritschl im Gespräch mit Michael Lüders
Umfrageergebnisse in Deutschland haben gezeigt, dass 98 Prozent der Deutschen mit dem Islam Gewalt und Terror verbinden, fast ebenso viele verbinden diesen Begriff mit Rückständigkeit und Unterdrückung von Frauen. In Österreich würde man vermutlich bei Umfragen zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Michael Lüders, Islamwissenschaftler und Politologe, lange Jahre für "Die Zeit" als Nahostredakteur tätig, nun Politik- und Wirtschaftsberater, Publizist und Autor in Berlin, sieht die Sache bedeutend differenzierter.
"Man muss sich auch hineinversetzen in die Millionen Muslime, die versuchen, in Europa anzukommen", rät Lüders, "und immer wieder auf die eine oder andere Weise mitgeteilt bekommen, dass sie irgendwie nicht dazugehören, weil sie anders sind. Das ist keine gute Vorgehensweise und damit schürt man nur die Probleme, anstatt sie zu lösen."
Verallgemeinernde Wahrnehmung
Der Anlass für Lüders, dieses Buch zu schreiben, war "eigentlich meine große Sorge und Unzufriedenheit mit Blick auf die sehr verallgemeinernde Wahrnehmung des Islam", sagt Lüders im Gespräch mit Wolfgang Ritschl. Man könne den Islam ruhig kritisieren, es käme aber auf das Wie an. "Für Deutschland zumindest lässt sich sagen, dass die Kritik am Islam vielfach einer Denunziation gewichen ist. Es ist eine sehr unsachliche Art und Weise der Debatte vorherrschend und da wollte ich mit meinem Buch ein wenig gegenhalten".
Die Probleme, insbesondere wie sie durch den islamischen Fundamentalismus und durch den Terror im Namen des Islam hervorgerufen werden, zu beschönigen, war jedoch nicht seine Intention, "sondern um zu unterscheiden zwischen der Religion, dem Islam, und dem, was politisierte Fanatiker daraus im Einzelnen machen."
Weiters ging es ihm darum, "auch die Fehler westlicher Politik zu untersuchen, die immer wieder den islamischen Fundamentalismus im Nahen und Mittleren Osten anstacheln", so Lüders.
Die Angst nehmen
Die Forderung nach einer Säkularisierung des Islam mag legitim sein, allerdings fehlt ihr die gesellschaftliche Basis. Nicht nur in der islamischen Welt, auch in Europa. Der Islam ist nun einmal Religion und Lebensform zugleich, Muslime haben nun mal eine religiöse Identität. Will man ihnen die wegnehmen, werden sie das nicht zulassen.
Wenn man jedoch die Grundlagen des Islam kennt, braucht man auch keine Angst vor dem Islam mehr zu haben, und genau das, den Lesern die Angst zu nehmen, war das erklärte Ziel beim Verfassen seines Buches "Allahs langer Schatten".
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Michael Lüders, "Allahs langer Schatten. Warum wir keine Angst vor dem Islam haben müssen", Herder Verlag