Leipziger Wagner-Pläne
Ein Haus im Umbau
Die Berliner Staatsoper besitzt Prestige, die Dresdner Semperoper wird von Touristen gestürmt. Wofür aber steht die Oper Leipzig? Franziska Severin übernimmt die Leiziger Opernagenden in einer heiklen Phase.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus dem Leipziger "Rienzi"
Die Theaterwissenschaftlerin und Regisseurin Franziska Severin ist die neue Operndirektorin der Oper Leipzig. Sie übernimmt die Aufgabe von der Spielzeit 2008/2009 an, wie die Bühne am Donnerstag mitteilte. Der Intendantenposten des Leipziger Hauses ist nach wie vor vakant.
Severin übernimmt die Opernagenden in einer heiklen Phase. Immer noch, immer wieder sucht das dritte Renommier-Opernhaus der ehemaligen DDR künstlerisch seinen Platz.
Wagners Geburtsort
Wofür steht die Oper Leipzig? Für Richard Wagner könnte die Oper Leipzig zum Beispiel stehen, erklärt Alexander von Maravic, derzeit Interims-Intendant. In Leipzig ist Richard Wagner auf die Welt gekommen, bis zu Wagners 200. Geburtstag 2013 will Maravic alle Wagner-Opern auf seinem Spielplan haben.
Seinem? Zur Zeit arbeitet Maravic noch die Planungen seines Amtsvorgängers ab, dessen Vertrag zwar erst im Vorjahr bis 2011 verlängert worden war, dem die Stadt diesen Sommer aber trotzdem den Stuhl vor die Tür setzte. Trockene Begründung: "unterschiedliche Vorstellungen innerhalb der Oper zur Zukunft des Hauses."
Gescheiterter Intendant
Aus Wiener Perspektive, mit Robert Meyer als amtierendem Volksopern- und Dominique Meyer als künftigem Staatsoperndirektor, zum Schmunzeln: Henri Maier hieß dieser 2001 aus Frankreich mit großen Hoffnungen nach Leipzig geholte altgediente Theatermann, der nun seinen "bezahlten Urlaub" konsumiert.
Nach der "Ära" Udo Zimmermann, in der der Komponist-und-auch-Intendant Zimmermann mit einsamen Entscheidungen und Fokus auf dem "Regietheater" einen beängstigenden Besucherschwund eingefahren hatte, gedachte Maier das Ruder gewaltsam herumzureißen: Als Pflegestätte für den Belcanto und das französische Repertoire sollte Leipzig positioniert werden. Dafür namhafte Solistinnen und Solisten zu engagieren, erlaubte aber das begrenzte Budget des Hauses nicht. Resultat: weiter neidvolle Blicke nach Berlin und Dresden.
Wiedereröffnung mit "Rienzi"
Interims-Intendant und Henri-Maier-Nachfolger Alexander von Maravic hat die Oper Leipzig buchstäblich in einer Umbauphase übernommen. Das 1960 eröffnete Haus atmete Plattenbau-Charme und war in puncto Komfort in die Jahre gekommen. Nach rund einjähriger Umbaupause, in der denkmalschützerisch korrekt der architektonische Originalzustand wiederhergestellt, die Anzahl der Sitzplätze aber auf (bescheidene) 1.259 reduziert wurde - und das Theater auch von Asbest befreit -, stand im November ein großes Volksfest und die erste Premiere in der "aufgefrischten" Oper Leipzig an.
Passend zu Maravics Konzept ein Werk von Richard Wagner, sein früher, im Bayreuther Werkkanon nicht vertretener "Rienzi": Große Oper, bei der ein Theater die Muskeln spielen lassen kann. Den Regisseur dafür, Nicolas Joel, hatte noch Henri Maier engagiert, am Pult stand - doch selbstverständlich der Generalmusikdirektor, oder?
Der abwesende Chefdirigent
Nein, leider nicht. Riccardo Chailly wurde zwar mit Pomp inthronisiert, hat in zwei Jahren Amtszeit aber erst eine Premiere in Leipzig dirigiert, eine zweite folgt am Ende der Saison 2007/8: nach Verdis "Un ballo in maschera" Puccinis "Manon Lescaut". Eine magere Ausbeute, zumal Chailly, der zugleich Chef des seit Hunderten von Jahren bestehenden und auch in der Oper spielenden Gewandhausorchesters Leipzig ist und sich im Ausland, auf Gastspielreisen, regelmäßig an dessen Spitze präsentiert.
Wie Stéphane Lissner, Intendant der Mailänder Scala, Riccardo Chailly in das Dirigenten-Triumvirat aufgenommen hat, das in den kommenden Jahren in Mailand das Gesicht der Scala prägen soll, wurde das in Leipzig auch nicht eben erfreut registriert. Kann es sein, dass sich Chailly an Leipzig gebunden hat, ohne über die Finanznöte des Opernhauses Bescheid zu wissen? Für eine "Provinzoper" stehe er nicht zur Verfügung, betont Chailly regelmäßig und verlangt mehr Subvention - die aber nicht zu bekommen ist.
Hoffen auf die nächsten Premieren
So lässt die Oper Leipzig wieder einmal eine "Ära" hinter sich, in der es kaum über aufsehenerregende künstlerische Ereignisse zu berichten gab, und hofft weiter. Auch auf die nächsten Premieren: Für Mozarts "Titus" kommt Christopher Hogwood als Dirigent, ein Schönberg-Triptychon-Abend beschwört "Moderne Menschen" und wenn Karoline Gruber als Regisseurin über "Ariadne auf Naxos" kommt, wird vielleicht sogar noch ein kleiner Skandal daraus.
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 27. Dezember 2007, 15:06 Uhr
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Oper Leipzig