Ein Sachbuch-Klassiker

Propaganda

Edward Bernays, ein Neffe von Sigmund Freud, gilt als Vater der Public Relations. Mit seinem Sachbuch "Propaganda" schuf er 1928 die bis heute gültige Grundlage für modernes Kommunikationsmanagement. Ein erstaunlich aktueller Sachbuch-Klassiker.

Bis zum Ersten Weltkrieg konnten nur die wenigsten etwas mit dem Wort "Propaganda" anfangen, wurde es doch bloß von ein paar Aktivisten für soziale Reformen und einigen wenigen intimen Kennern des Vatikan verwendet. In den 1920er Jahren aber bekam das Wort jenen negativen Beigeschmack, den es heute hat. Nach und nach wurde der amerikanischen Öffentlichkeit bewusst, dass "öffentliche Meinung" etwas ist, das von Fachleuten gesteuert wird.

1928 unternahm der Werbeguru Edward Bernays den Versuch, den Begriff zu retten. In seinem Buch "Propaganda" lieferte er detailgenaue Beschreibungen unterschiedlichster Propaganda-Aktivitäten. "Propaganda und Sozialwesen" beschrieb er ebenso, wie "Propaganda für Bildung" oder die "Mechanismen der Propaganda."

Liest man Edward Bernays Klassiker heute, dann ist man zu allererst von der Aktualität der Ausführungen überrascht, denn der 1891 in Wien geborene Bernays war einer der ersten, der erkannte, dass es gilt, Produkte mit einem emotionalen Mehrwert zu versehen.

Neue Schule der Werbung

Eine Ware wird nicht wegen ihres spezifischen Werts oder wegen ihres Nutzens begehrt, sondern weil sie als Symbol für etwas anderes steht; für eine Sehnsucht, die der Konsument sich aus Scham nicht eingesteht. Ein Autokäufer redet sich womöglich ein, dass er es zu Transportzwecken braucht, in Wirklichkeit begehrt er das Auto als Statussymbol, als Beweis für seinen Erfolg im Beruf oder um seine Frau damit zu beeindrucken.

Bernays sah sich selbst als Vertreter einer neuen Schule der Werbung. Worin sich das Alte vom Neuen 1928 unterschied, das illustrierte der Neffe von Siegmund Freud anhand der Frage, wie man Speck am besten verkaufen könne. Ein Fleischgroßhändler, der mit einer Werbekampagne alter Schule seine Ware verkaufen wolle, würde ganzseitige Anzeigen schalten, in denen "Esst mehr Speck. Speck ist billig, gut und gibt Kraft" zu lesen wäre. Ein Verkäufer der neuen Schule hingegen gehe subtiler vor. Er müsse sich als erstes die Frage stellen, wer die Essgewohnheiten der Menschen am meisten beeinflusse. Die Antwort sei ganz einfach: die Ärzte. Also gelte es, die Ärzte dazu anzuhalten, sich öffentlich über die Vorzüge des Specks auszulassen.

Bernays wies darauf hin, dass Werbung dann am erfolgreichsten ist, wenn sie nicht als solche wahrgenommen wird. Die Menschen müssen aus eigenem Antrieb heraus sich für ein Produkt begeistern.

Darum macht sich der moderne Propagandist ans Werk und sorgt dafür, dass die Mode sich ändert.

Keine Wohnung ohne Musiksalon

Wer zum Beispiel Klaviere verkaufen will, der muss zuerst einmal in der Bevölkerung den Wunsch nach diesen Instrumenten wecken. Am besten, indem man die Idee eines "Musikzimmers" propagiert. Dieses stehe für Häuslichkeit und steigere das Prestige des Hausbesitzers. Dann lädt man noch einen berühmten Geiger oder einen populären Künstler ein und schon gilt es als schick, sich mit klassischer Musik zu umgeben.

Unterdessen wurden berühmte Architekten davon überzeugt, dass ein Haus von heute ein Musikzimmer braucht und deshalb integraler Bestandteil ihrer Entwürfe sein sollte, vielleicht mit einer speziell dafür vorgesehenen Raumecke für das Klavier. Der Musiksalon wird akzeptiert werden, weil er zu etwas aufgebaut worden ist, "das man haben muss". Und wer einen Musiksalon besitzt, wird natürlich den Kauf eines Klaviers in Erwägung ziehen, so als wäre es ganz alleine seine eigene Meinung gewesen.

Negativ besetzter Begriff

Für Edward Bernays persönlich war das Buch ein großer Erfolg. Der Werbefachmann bekam dadurch noch den zusätzlichen Ruhm, ein anerkannter Autor zu sein, was ihm neue Kundenschichten erschloss. Mit seiner Absicht aber, den Begriff Propaganda zu rehabilitieren, ist Bernays gescheitert, denn nach 1928 wurde der Begriff zunehmend negativ gesehen. Und spätestens seit den Propagandafeldzügen der Nationalsozialisten traut sich wohl niemand mehr, das Wort unbefangen in den Mund zu nehmen.

Edward Bernays Buch ist auch 80 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung eine lohnende Lektüre, denn hier finden sich die Anfänge all dessen, was heute zum Standard moderner Public Relations gehört. Freimütig gibt Bernays über die Konzeption und die Durchführung von Kampagnen Auskunft und zeigt, was zielgerichtete Kommunikation, wie sie insbesondere von Regierungen und Konzernen betrieben wird, ausrichten kann.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Edward Bernays, "Propaganda. Die Kunst der Public Relations", Orange Press