Crossover in alle Richtungen

Seitensprünge

Crossover ist das Motto. Wenn sie die Seiten wechseln, macht es ihnen besondern Spaß: Den Klassikmusikern das Jazzen und umgekehrt. Eine kleine Auswahl als Tipps für Plattensammler von Kuriositäten und solche, die es werden wollen.

André Previn, Itzhak Perlman, Thomas Quasthoff und Benjamin Schmid tun gern, was Yehudi Menuhin und Jascha Heifetz auch getan haben: Sie jazzen, Sting singt alte Musik, während der Counterspezialist Gérard Lesne rockt ("Mad Lesne"), Keith Jarrett spielt Bach, das Boston Symphony Orchestra unter Seiji Ozawa spielt "Capri Fischer" und „Unter fremden Sternen“, das Ulsamer Collegium "Tango Max", das Tokyo String Quartett "Strangers in the night", Stan Kanton und seine Big Band musizieren Wagner, Barbara Streisand präsentiert sich als Hugo Wolf-Interpretin, Freddy mit einem Schumann-Lied, Roy Black und Wencke Myhre mit Liedern von Brahms und Mozart und Karel Gott mit einer Meyerbeer-Arie, Teresa Berganza und Christa Ludwig mit Schlagern, die einst Freddy und Lolita gesungen haben.

Weiters findet sich in einer Aufnahme eines Film Soundtracks Frank Sinatras "Don Giovanni", wogegen die Met-Stars Leonard Warren und Barbara Hendricks Sea-Shanties- beziehungsweise Duke-Ellington-Nummern im Plattenstudio aufgenommen haben.

Koto-Ensemble mit Bach
Der Trompeter Maurice Andre und die Klarinettistin Sabine Meyer spielen Opernarien, ein japanisches Koto-Ensemble ist mit Bach und Vivaldi-Kompositionen im EMI Katalog vertreten und auch Ragtimes von Scott Joplin erfreuen sich bei höchst gegensätzlichen Klassik-Musikern größter Beliebtheit, etwa beim amerikanischen Cembalisten Edward Power Biggs, beim Met-Chefdirigenten James Levine und beim Violinvirtuosen Itzhak Perlman, die jeder für sich eine ausschließlich mit Joplin-Rags gefüllte LP aufgenommen haben.

Stimmgewaltige Jazzerin

Dazu will ich einige diskographisch interessante Beispiele herausgreifen und zunächst auf Eileen Farrell hinweisen, eine hochkarätige Opernsängerin der 1950er und 1960er Jahre, die exquisiten Stimmmitteln, ungewöhnlicher Gesangstechnik und erstaunlichem Stilgefühl Partien des italienischen Belcantofaches (zum Beispiel die Gesamtaufnahme von Donizettis "Maria Stuarda") ebenso souverän beherrscht hat, wie auch - etwa im Gegensatz zu Domingo - die sprachliche Komponente ihrer (konzertanten) Wagner-Interpretationen unter der Leitung von Leonard Bernstein oder Charles Munch.

Aber noch involvierter war sie sicherlich in den Aufnahmesitzungen der Jazzplatten mit Luther Henderson und Musik von Arlen, Gershwin, Berlin und Rodgers ("I gotta right to sing the Blues" - Sony). Ihr größter Triumph - trotz ihrer erfolgreichen Met Karriere, war die "Wozzeck"-Marie konzertant unter Dmitri Mitropoulos (Philips).

Quasthoff als Higgins

Ebenso empfehlenswert - und erst im Frühjahr 2007 erschienen - ist die Jazzplatte Thomas Quasthoffs (DG). Produziert wurde sie von dem renommierten Jazztrompeter Till Brönner, der auch zahlreiche, klangschön improvisierte Trompetensoli beigesteuert hat. Besonderes Schmankerl: Quasthoff als Higgins in Lerner und Loewes "May fair Lady" mit "Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht".

Opernfans, die lieber Instrumentalversionen als Stimmen hören und originellen Bearbeitungen gegenüber aufgeschlossen sind, ist in erster Linie "The Academy plays opera" unter Neville Mariner zu empfehlen, was die Originalität betrifft. In Bezug auf Klangschönheit kann damit aber auch die Klarinettistin Sabine Mayer konkurrieren, die mit dem Zürcher Opernorchester unter Franz Welser Möst die CD "A night at the opera" aufgenommen hat und dabei die Schlagermelodien des "Duca di Mantua“ schöner "singt" als so mancher Tenor, wenn man nicht gerade auf "die drei" fixiert ist.

Heifetz als Figaro

Nicht so klangschön, aber noch viel virtuoser spielt Jascha Heifetz die "Figaro Cavatine" aus Rossinis "Barbiere" auf Decca (heute: Universal), wogegen die Milva auf ihrer LP "Canti della libertà" (1981 Fonit Cetra Serie 3000 PL 556) nicht nur eine "Don Giovanni"-Kostprobe ("Viva la libertà") zum besten gibt, sondern auch das Horst-Wessel-Lied mit einem italienischen Brecht-Text singt und es so zu einer Freiheits-Hymne macht. Immerhin ist es ja ursprünglich ein Kampflied der Kommunisten gewesen, bevor es die Nazis okkupiert und bekannter gemacht haben als es davor gewesen ist.

Frankie Boy als "Don Giovanni"
Apropos "Don Giovanni": Den singt auch "Frankie Boy" und zwar in dem Film "It happened in Brooklyn" - allerdings nur das Verführungsduett "La ci darem la mano" mit Kathryn Grayson in der Originalsprache. Und das musste er für diesen Zweck auch phonetisch lernen, weil Frank Sinatra nicht nur keine klassische Gesangsausbildung hatte, sondern auch nicht Italienisch konnte. Allerdings hat er die neu erlernte Nummer auch gleich nochmals in seiner Radio-Show untergebracht und dort mit Jane Powell gesungen.

Aber beide Male musste ein viel versprechender junger Pianist dabei sein, der virtuos improvisiert hat. Damals war er erst 17 Jahre alt und noch ganz unbekannt. In der Zwischenzeit ist er als Multitalent weltberühmt geworden - nicht nur als Jazzer, als Filmmusik- Arrangeur und klassischer Pianist, sondern auch als Opernkomponist und vor allem als Dirigent: Andre Previn.

Hör-Tipp
Musikgalerie, Montag, 31. Dezember 2007, 10:05 Uhr

Link
The Sinatra Family Forum - Sinatra sings Mozart