Mongolischer Nomade und Autor Galsan Tschinag
Ohne ihn geht in Tuwa nichts
Er begann als typisches "Produkt" sozialistischer Brüderlichkeit: von der Sowjetbürokratie im Rahmen des Üblichen zum Germanistik-Studium in Leipzig zugelassen. Galsan Tschinag wollte aber mehr: das Bestehen seines Volkes, der Tuwiner, sichern.
8. April 2017, 21:58
Ohne ihn geht in Tuwa nichts
Dass Galsan Tschinag, der Sohn einer Schamanin aus dem Altai-Gebirge, einmal als deutschsprachiger Schriftsteller gelten würde, hätte er sich in den 1960er Jahren während seines Studiums in Leipzig bestimmt nie träumen lassen. Wovon er vielleicht geträumt hat, aber nie im Leben für möglich gehalten hätte, dass es Wirklichkeit werden könnte: dass ihm gelingen würde, sein Volk, das auf Grund der sowjetischen Minderheitenpolitik im Süden des Reiches verstreut lebte, wieder in die alte Heimat zurückzubringen. Und die alte Heimat als unabhängigen Staat erstehen zu sehen - ganze fünf Monate war die Republik Tuwa unabhängig, vom November 1991 bis Ende März 1992, dann schloss sie sich der Russischen Föderation an und gilt seither als Autonome Republik.
Zurück zum Schamanismus
Vielleicht hatte er jemandem von seinem Traum erzählt, als er in Ulan Bator unterrichtete. Vielleicht ist er irgendwie anders unliebsam aufgefallen: 1976 wurde Tschinag die Lehrerlaubnis wegen politischer Unzuverlässigkeit entzogen, und wenig später wurde bei ihm ein schweres Herzleiden diagnostiziert. Dass er viel Zeit in der freien Natur verbrachte, und dass er seine schamanischen Kräfte aktivierte, habe ihm das Leben gerettet, ist er überzeugt. Seine heilenden Kräfte setzt er bis heute als Stammesoberhaupt ein: Es heißt, dass jeder, der krank ist, erst zu ihm kommen muss, bevor er zu einem Arzt geht, 90 Prozent aller Krankheiten kann Tschinag als Schamane heilen.
Sein Volk nach Hause geführt
Einen wesentlichen Anteil an der Heilung seines Volkes hat Tschinag im Jahr 1995 vollbracht: Er hat seine verstreut lebenden, zur Sesshaftigkeit gezwungenen Tuwiner zusammen gesammelt und in einer großen Karawane über 2.000 Kilometer nach Hause gebracht. Und natürlich darüber geschrieben: "Die Karawane" heißt das Buch, ihm selbst hat man den Ehrentitel "Moses der Tuwa" verliehen.
Seine Bücher zeichnen das harte Leben der Nomaden nach, man findet Lebensbilder aus vergangenen Zeiten, aber auch aus der Gegenwart. Und manchmal scheint es, als führe der eisige Wind der Berge zwischen den Zeilen hervor.
Service
Galsan Tschinag, "Auf der großen blauen Straße", Unionsverlag
Galsan Tschinag, "Die Rückkehr", Suhrkamp
Galsan Tschinag Stiftung
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