"Ethno"-Boom und Stil-Mixer, kritisch verkostet

Die brodelnden Töpfe der Weltmusik

Einer der Trends in der internationalen Weltmusik-Cuisine ist der zu scharfen Ragouts auf traditioneller Grundlage, gewürzt mit Jazz, Funk sowie Prisen von Rap und Elektronik - demonstriert von Luis Frank Arias, Les Faux und dem Ikadem Orkestar.

Man soll Vergleiche nicht überstrapazieren. Aber die Kriterien für gute Cross-Over-Projekte in der Musik lassen tatsächlich an das denken, was man sich von einem guten Gericht wünscht: Die Zutaten sollen nicht zur Unkenntlichkeit zerkocht sein, und sie sollen einander auf stimmige Weise ergänzen.

Einige aktuelle Projekte zeigen auf verspielte Weise, dass alles möglich ist: Die Verbindung von Rap und Salsa, experimenteller Elektronik und Balkan-Bläserorchestern, Funk, Jazz und (zum Beispiel) bulgarischer Volksmusik.

(Nichts?) Neues unter der Sonne

Das Vermischen ist in der Musik nicht neu - zu allen Zeiten und an allen Orten haben Musiker Bestandteile aus anderen Traditionen übernommen. Eine "reine" regionale Musik gibt es nicht und hat es wohl nie gegeben. Wie auch in der Kochkunst erfolgreiche lokale Küchen durch Übernahme, Variation und Verfeinerung fremder Elemente entstanden sind.

Einen Meilenstein auf dem Weg in die gegenwärtige, "postmoderne" Ära des Zitierens, Kombinierens und Neuschaffens setzten schon 1981 die Weltmusikpioniere Brian Eno und David Byrne mit ihrem Album "My Life in the Bush of Ghosts", noch in komplizierten Tonbandmischungen zusammengesetzt aus akustischen Fundstücken aus aller Welt.

Die Unterschiede bestehen im Ausmaß und in der Geschwindigkeit, mit der Weltmusikschaffende auf dem vernetzten Globus heute Stile und Klänge kombinieren. Entfernung ist kein Hindernis, durch das Internet lässt sich auf fast jede beliebige Musik zugreifen, die Fundstücke elektronisch montieren. Birgt die Leichtigkeit die Gefahr der Oberflächlichkeit?

Kultur als Karikatur?

Wie alles lässt sich auch die Vorliebe für die Collage in der (Welt-)Musik pessimistisch beurteilen: Dass in der Vermischung und aus dem Zusammenhang gerissen die Qualität des Ausgangsmaterial verloren geht, Jahrhunderte alte Traditionen nur noch als verzerrte Abziehbilder präsent sind. Es lässt sich aber ebenso argumentieren: Auch seriöse Veröffentlichungsreihen erfreuen sich weltweiter Beliebtheit.

Die Rough Guide-CDs beispielsweise dokumentieren Musik, die anders kaum zugänglich würde und vermitteln Informationen über die Musiker, so wie die bunten Alben von Putumayo Basiswissen über Musikstile, die Künstler und die Herkunftsländer transportieren. Bei Interessierten ist die Kenntnis verschiedener Traditionen im Zug des Weltmusikbooms stark angewachsen - und damit auch die Ansprüche an Musik, ethnische Elemente aufgreift.

Weltclubbing mit Witz

Kreative Verspieltheit und Respekt vor tradierten Formen schließen einander nicht aus. Das zeigen beispielhaft drei sehr verschiedene Produktionen. Die Musiker des bulgarischen Ikadem Orkestar sind in Jazz und Funk ebenso zu Hause wie bei den traditionellen Instrumenten bulgarischer Volksmusik. Ihr Debütalbum Ikadem, erschienen beim Label Messechina mit Sitz in Österreich, verschmilzt beides zu einem nahtlosen Ganzen.

Zweitens: Der kubanische Sänger Frank Luis Arias verbindet die schon traditionelle Salsa (beziehungsweise Timba, wie sie auf Kuba gepflegt wird) mit Rap und lädt junge Rapper zu gemeinsamen Projekten ein. Das Ergebnis ist witzig und erstaunlich harmonisch, wie zuletzt auf dem Album Cuba Total, etwa mit der jungen Rap-Sängerin Mariana Moracén.

Drittens: Der japanische Produzent, klassische und Jazzmusiker Jin Urayama und der marokkanische DJ Badre schließlich nennen sich augenzwinkernd "Les Faux", die Falschen. Auf ihrem Album Ethnique éléctrique jonglieren sie mit Samples von der Samba Sandovals über den russischen Liedermacher Vladimir Vissotzki bis zum mazedonischen Kocani Orkestar - Musik für ein witziges, ziemlich buntes Welt-Clubbing, wenn auch nicht mit allzu großer Ernsthaftigkeit.

Hör-Tipp
Spielräume, Donnerstag, 10. Jänner 2008, 17:30 Uhr

Links
Messechina Music
Termidor Musikverlag
pläne records - Les Faux
MySpace - Les Faux