Eine Reise vom Anfang zum Ende
Das Schicksal des Universums
Der Astrophysiker Günther Hasinger versucht in seinem neuen Buch den Spagat, die Entstehung des Universums allgemein verständlich zu beschreiben und zugleich dem Stand der Forschung gerecht zu werden. Er wird dabei dabei nie trocken oder langatmig.
8. April 2017, 21:58
Der Urknall war eher ein "sanftes Schieben".
"Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde." So erklärt die Bibel, das Buch Genesis, die Erschaffung der Welt. Am Anfang war der Urknall. Das war vor 13,7 Milliarden Jahren. Aus ihm entkoppeln sich, ein paar Hunderttausend Jahre später, Strahlung und Materie. Mindestens 200 Millionen Jahre dauert es, bis sich erste Sterne und Schwarze Löcher bilden.
Rund neun Milliarden Jahre nach dem Urknall entstehen Sonne und Erde. Davor kam es zu Supernova-Explosionen, Gammastrahlen-Blitzen und Quasaren... So - oder so ähnlich -, jedenfalls etwas komplizierter als die Bibel, erklärt die Astrophysik die Entstehung des Kosmos.
Zwischenbilanz der Erkenntnisse
"Das Schicksal des Universums. Eine Reise vom Anfang zum Ende" nennt Günther Hasinger, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in München, seinen Versuch einer "populärwissenschaftlich" gefassten Zwischenbilanz der Erkenntnisse einer rapide voranschreitenden Astrophysik. Natürlich kann auch Hasinger nicht auf Fachbegriffe und Konstrukte verzichten.
Natürlich verlangt auch er den interessierten und konzentrierten Leser, aber der hat zumindest die Chance, bei dieser tour d'horizon durch den Kosmos dank lebendiger Darstellung und klarem Konzept nicht die Orientierung zu verlieren - und die "schlicht atemberaubenden" neuen Erkenntnisse der "Präzisionswissenschaft" Astronomie zumindest bruchstückhaft zu begreifen.
Dunkle Energie und Schwarze Löcher
Vieles bleibt noch immer im wahrsten Sinne des Wortes im Dunklen: Was ist die sogenannte Dunkle Energie, jene Kraft, die der Gravitationskraft entgegenwirkt und drei Viertel der gesamten Energiedichte des Universums ausmachen soll, und was die Dunkle Materie? Wie kommt es zu Schwarzen Löchern - und welche Wirkung haben sie auf die Galaxien? Und wie entstehen die Sterne?
"Wir haben noch kein geschlossenes Bild der Interpretation", gibt Hasinger im Gespräch mit Wolfgang Seibel zu. "Es gibt zwei große Theorien des 20. Jahrhunderts, nämlich die Quantenmechanik und die Relativitätstheorie, die für sich jede genommen wunderbar exakte Vorhersagen liefert für Dinge, die man vorher nicht verstanden hat. Aber wenn man diese Theorien zusammen anzuwenden versucht, und zwar auf das Problem der Schwarzen Löcher und auch auf das des Urknalls, dann passen sie absolut nicht zueinander."
Eigene Erfahrungen
Auf knapp 300 Seiten versucht Günther Hasinger, die Geschichte des Universums und die Entwicklung der Astrophysik zu rekapitulieren, und dass er dabei nie trocken, akademisch oder langatmig wird, sondern stets um Anschaulichkeit bemüht bleibt, ist nicht das geringste Lob, das man seinem Buch machen kann. Dieses fesselt nicht zuletzt dort, wo Hasinger von eigenen Erfahrungen berichtet: von seinen Begegnungen mit wichtigen Lehrern und berühmten Astrophysikern, wie Giacconi oder Trümper, von Aufnahmen aus in 40 Kilometern Höhe fliegenden Forschungsballons oder den Beobachtungsnächten mit dem Riesenteleskop auf dem Mauna-Kea-Vulkan auf Hawai, von seinen Röntgenaufnahmen des Mondes oder des sogenannten "Lockman Hole" der Milchstraße. Hasinger nämlich ist Röntgenastronom.
"Ich habe in sehr weiter Entfernung sehr viele Schwarze Löcher gefunden und mit dazu beigetragen, dass wir heute wissen, dass in jeder Galaxie ein Schwarzes Loch ist im Zentrum", erzählt Hasinger, und weiter "dass diese Schwarzen Löcher vermutlich schon am Anfang da waren, noch bevor die Galaxie entstanden ist."
Und die Zukunft
Hasingers Geschichte des Universums beginnt vor 13,7 Milliarden Jahren - und endet nicht in der Gegenwart. "Eine Reise vom Anfang zum Ende" heißt das Buch im Untertitel, das eine Projektion in die Zukunft wagt, eine Spekulation über das Ende des Universums, über eine Zeit, in der die Rätsel der Dunklen Materie und Schwarzen Löcher längst gelöst sein dürften.
Wenn wir unseren Erdball nicht innerhalb kürzester Zeit selbst zerstören, so Hasinger, dann wird es doch nur noch rund 400 Millionen Jahre dauern, bis es auf der Erde zu heiß zum leben wird. In vier Milliarden Jahren schließlich wird es die Milchstraße nicht mehr geben, sie wird vom Andromeda-Nebel, der Nachbargalaxie, verschluckt. Doch dann ist noch lange nicht Schluss. In zehn hoch 35 Jahren, das ist also noch ein Weilchen hin, die Jahreszahl hat 35 Nullen, könnte die normale Materie zerfallen. Zum Schluss blieben immer noch die Schwarzen Löcher übrig.
"Es dauert noch ungefähr 10 hoch 70 bis 10 hoch 100 Jahre, bis dann die Schwarzen Löcher auch zerfallen sind", meint Hasinger. "Das heißt also, ganz zum Schluss bleibt nichts übrig. Am Anfang war nichts da und am Schluss ist nichts da."
Immer wieder neue Modelle
Bevor es so weit ist, werden auf einem Planeten der Milchstraße, auf der Erde, die Menschen sich weiter den Kopf zerbrechen über Raum und Zeit und die Grenzen des Universums. Und "extraterrestrische" Physiker wie Günther Hasinger werden immer neue und immer bessere Riesenteleskope, Röntgensatelliten und Teilchenbeschleuniger verwenden, um in neue Dimensionen vorzustoßen, werden immer neue und immer genauere Berechnungen und Modelle entwickeln, Vorstellungen für das Unvorstellbare, für das, was uns der liebe Gott hinterlassen hat - oder vielleicht auch nur: der Urknall.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Günther Hasinger, "Das Schicksal des Universums. Eine Reise vom Anfang zum Ende", Verlag C. H. Beck
Link
C. H. Beck - Das Schicksal des Universums