Von der Politik des "Einknickens"
Das Ende der Toleranz
Seine Polemiken und Artikel etwa für den "Spiegel" oder das Online-Tagebuch "Die Achse des Guten" haben Henryk M. Broder bei Freund und Feind gleichermaßen den Ruf eines erbarmungslosen Provokateurs und klassischen Unruhestifters eingetragen.
8. April 2017, 21:58
"Ich bin in letzter Zeit ein Internet-Freak geworden."
Als ihm im Juni 2007 der Ludwig-Börne-Preis überreicht wurde, würdigte ihn "Focus"-Chefredakteur Helmut Markwort in seiner Laudatio als "unerbitterlichen Chronisten wuchernder Dummheiten". Broder sei unbequem, er polarisiere und provoziere, sagte Markwort. Sein Werk rege zum Nachdenken an. "Broder ist ein Ludwig Börne von heute: ein freier Geist, der leidenschaftlich und feurig schreibt, oft polemisch und ohne Rücksicht auf 'political correctness', aber immer unabhängig und überraschend".
Das deutsch-jüdische Verhältnis
Der aus einer jüdisch-polnischen Familie stammende Broder wurde am 20. August 1946 in Katowice (Kattowitz) geboren und kam 1958 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren kritisch mit dem deutsch-jüdischen Verhältnis. Immer wieder hat er mit seinen Schriften politische Debatten entfacht.
In der Auseinandersetzung um das Berliner Holocaust-Denkmal von Peter Eisenman bezog Broder Position gegen die "selbstberufenen Deutschmeister des Trauerns". Er meinte damals, die Nachkommen der Täter könnten nicht darüber bestimmen, welche NS-Opfer ein Denkmal verdienten und welche nicht, so Broder in einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Abrechnung mit dem Islamismus
In seinem im vergangenen Jahr veröffentlichten Bestseller "Hurra, wir kapitulieren" rechnet Broder mit dem Islamismus und dem Westen gleichermaßen ab. Der von den Islamisten erzeugten "Kultur der Angst" beugten sich die westlichen Staaten bereitwillig, ist Broders These.
Viele britische Firmen hatten im Vorjahr aus "political correctness" die Weihnachtsfeiern abgesagt und sich dabei auf muslimische Mitarbeiter berufen, in Wiens Städtischen Kindergärten wurde der Nikolo abgeschafft. Dazu meinte Broder: "Wenn ich mir das erklären könnte, hätte ich das Buch 'Hurra, wir kapitulieren' nicht geschrieben. Das Buch ist ein Versuch, mir etwas zu erklären, was ich selbst nicht verstehe." Und weiter: "Die Dinge kommen in kleinen Häppchen, jede einzelne Geschichte für sich ist nicht wichtig, der Nikolo-Streit, die Papst-Rede etc., aber sie addieren sich. Wir sind nicht mehr fähig, Konflikte durchzustehen."
Zum Fundamentalismus stellte Broder weiter fest: "Früher wollte jeder Attentäter entkommen, sein Leben retten." Früher habe die Abschreckung zwischen Ost und West funktioniert, keiner von beiden "wollte draufgehen", fuhr Broder fort. "Als die Russen merkten, dass sie in Kuba zu weit gegangen sind, haben sie die Raketen abgezogen." In der Zwischenzeit habe sich viel verändert. Der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad ist nach Auffassung Broders so gefährlich, nicht weil er Israel vernichten wolle, sondern wegen seiner "Bereitschaft, Millionen seiner eigenen Leute zu opfern, um Märtyrer zu schaffen".
Keine Aufklärung im Islam
Broder verwehrt sich in seinem Buch auch gegen eine Unterscheidung von Islam und Islamismus. Zwar existierten in allen Religionen Fanatiker, aber "nicht in der vergleichbaren Quantität und Qualität." Islamisten würden den Islam nicht missbrauchen, sondern wörtlich nehmen. "Im Unterschied zu Christentum und Judentum gibt es im Islam keine Säkularisierung und Aufklärung."
Besonders kritisiert Broder die Politiker, die auf Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsverheiratungen in Migrantenkreisen zu tolerant reagieren würden. "Man will die Muslime als 'Edle Wilde' unter Artenschutz stellen", so Broder. "Wenn ein Bayer im Allgäu seine Tochter erschlägt, weil sie mit jemandem eine Affäre hat, der ihm nicht gefällt, bekommt er lebenslänglich. Wenn ein anatolischer Bauer aus Berlin-Kreuzberg dasselbe tut, wird ihm sein kultureller Hintergrund als mildernder Umstand zugute gehalten. Diese 'Migrationshintergrund- Romantik' funktioniert aber nicht."
Hör-Tipp
Gedanken, Sonntag, 13. Jänner 20078, 13:10 Uhr
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Buch-Tipp
Henryk M. Broder, "Hurra, wir kapitulieren", Wjs Verlag
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Henryk M. Broder
Die Achse des Guten