Von "Aida" bis "Zigeunerbaron"

Klassiker und Kleinkunst

Vor einem Jahr starb Gerhard Bronner. Er war die musikalische Seele des Wiener Nachkriegskabaretts. Doch er hatte viele Kollegen und Vorfahren, die, so wie er, ihre Kabarettprogramme mit (klassischer) Musik garnierten.

Die Wiener Kabarettgeschichte begann mit klassischer Musik, oder besser mit einem Klassiker der Romantik. Im Jahr 1901 brachte der Prinzipal des ersten Wiener Kabaretts, des "Jung-Wiener Theaters zum lieben Augustin" Robert Schumanns Chorballade "Des Sängers Fluch" im Theater an der Wien auf die Bühne. Er hieß Felix Salten, war als Burgtheaterkritiker gefürchtet, wurde als "Bambi"-Autor von Disney verfilmt und als geheimer, aber nicht ganz anonymer Autor der "Mutzenbacher" berüchtigt.

Salten ließ in seinem Kabarett auch Frank Wedekind auftreten. Der sang nichts Klassisches, sondern ebenso böse Lieder, wie ein halbes Jahrhundert später Georg Kreisler, der sich auch selbst begleitet hat, allerdings nicht auf der Laute, wie Wedekind, sondern virtuos am Klavier.

Bronner als "musikalische Seele"

Ein ausgezeichneter Klavierspieler war auch Gerhard Bronner, die musikalische Seele des Wiener Nachkriegskabaretts der 1950er und 1960er Jahre. Er textete und komponierte nicht nur selbst, sondern nützte auch seine profunden Kenntnisse klassischer Musik mit kabarettistischer Kreativität.

Darüber hinaus ist Bronner auch Unternehmer gewesen, Prinzipal mehrere Kleinkunstbühnen, wie Salten, aber auch wie sein Zeitgenosse Karl Farkas'. Und er zog mit seiner Persönlichkeit auch magisch, musikalisch begabte Künstler, seien es Kabarettisten oder Schauspieler an, so dass sich in seinen Ensembles stets eine ganze Reihe von Vortragenden zusammenfanden, die fähig waren, ihre Texte nicht nur singend zum Besten zu geben, sondern sich selbst dabei auch auf dem Klavier zu begleiten.

Dennoch hieß der Komponist der meisten Musiknummern - "Der Papa wird's schon richten", "Der g'schupfte Ferdl", "Der Wilde mit seiner Maschin" etc. - Gerhard Bronner, auch wenn etwa Helmut Qualtinger, der Star des "Neuen Theaters am Kärntnertor", für seine Darbietungen den meisten Applaus einheimste, ohne selbst Klavier zu spielen.

Klavierhumorist verwenden manche als Berufsbezeichnung und zu dieser Spezies sind neben Bronner vor allem Georg Kreisler, auch Peter Wehle, Kurt Sobotka, Herbert Prikopa und Lore Krainer zu zählen, von denen die letzteren noch heute Bronners Erbe, den sonntäglichen Radioguglhupf erfolgreich weiterführen.

Als Bronner in den 1950er und 1960er Jahren in der Marietta-Bar, in seinem Intimen Theater, oder im neuen Theater am Kärntnertor als Prinzipal agierte, konnte man auch eine Anhäufung von musikalischen Kabarettnummern konstatieren, die einen wesentlichen Teil ihres Erfolges der melodischen Erfindungsgabe klassischer und romantischer Komponisten verdanken.

"Quasi": ein Publikumsmagnet
Der Star war natürlich Helmut Qualtinger mit dem es viele, von Bronner, Wehle und Kreisler erfundene und gestaltete Klassik-Musiknummern im jeweils adäquaten Kabarett-Sketch-Gewand auf CD gibt. Etwa mit Musik von Wagner (die DDR durch den satirischen Zerrspiegel betrachtend), Verdi (Das neue "Ministerium für Eröffnungen" wird durch Qualtinger als Eröffnungsminister feierlich zu den Klängen des Aida-Triumphmarsches eingeweiht), Ravel (Der Bolero noch vor Bo Dereks kinematographischer Anwendungsvariante als musikalische Untermalung von blasiertem Cocktail-Party-Smalltalkt), Offenbach (Die deutsche Filmindustrie wird aufs Korn genommen: "Orpheus in der Filmwelt"). Der "Nabucco-Gefangenenchor", von Bronner getextet, dient als Wunschkonzert-Parodie und die "Zigeunerbaron"-Ouvertüre liefert Musik zur satirischen Schilderung der Bakschisch-Gebräuche in Wien: "Der Schmattes-Baron"!

Gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Wehle hat Gerhard Bronner in einer musikalischen Kabarettszene einen Opernbesuch thematisiert und gleichzeitig so etwas wie ein Psychogramm der unterschiedlichen Typen von Premierenbesuchern erstellt: "Die Opernkavaliere" mit Gerhard Bronner als arrogantem Kritiker, Louise Martini, Eva Pilz, Helmut Qualtinger und Kurt Sobotka.

Neben solchen Ensembleszenen sang Georg Kreisler auch Solonummern von klassischen Komponisten, z.B. Rossinis Figaro-Kavatine als Satire auf Karajans Mediengeilheit (Karajan hier, Karajan dort), aber auch nachdenklich Machendes über musikalische Berufe wie der Triangelspieler, oder "Der Musikkritiker".

Vorgänger und Konkurrenten
Jetzt will ich aber ein wenig relativieren. Die Tatsache, dass im Wiener Nachkriegskabarett die Musik, besonders die klassische Musik, einen großen Stellenwert bei der Gestaltung von Kabarettnummern eingenommen hat, ein Verdienst vor allem Gerhard Bronners, ist nicht zu bestreiten. Er hat die meisten Musiknummern, in denen Klassisches zitiert wurde, auch getextet oder als Koautor fungiert. Dass aber Kabarettisten neben, aber auch schon vor Bronner, Wiener, Kreisler, Wehle & Co auf klassische Vorbilder zurückgegriffen haben, ist nicht zu leugnen.

Schon nach kurzer Suche in den Schallarchiven, kann man auf drei Beispiele stoßen, die ein einziges Stück für selbstverfasste kabarettistische Texte nutzen. Auf die zweite ungarische Rhapsodie von Franz Liszt: 1924 mit Josma Selim und ihrem Mann, Ralph Benatzky, etwa ein Jahrzehnt später mit Hermann Leopoldi und in den fünfziger Jahren aus Cissy Kraner in einer "Schimpfonie in der Sätzen" von Hugo Wiener, ihrem Partner am Klavier und im Leben.

Hugo Wiener hat für seine Frau - zumeist für ihre Auftritte in Karl Farkas Kabarett "Simpl" auch eine ganze Menge klassischer Melodien kabarettistisch verwertet: Tschaikowskys Nussknacker-Suite etwa, wenn es um das Thema "Polterabend" ging, Mozarts A-Dur-Sonate für einen Urlaubsbericht, für eine Suppé-Ouvertüren-Bearbeitung hat er den Titel "Feuchte Krawallerie" verwendet, und auch die kleine Nachtmusik, der Czardas von Monti und das "Gebet einer Jungfrau" mussten ähnliches über sich ergehen lassen.

Weigel analysiert
Zum Abschluss noch eine kurze fachliche Analyse von Hans Weigel, dem engagierten Kabarettautor der dreißiger Jahre, der später auch ein liebevoller Mentor des österreichischen Nachkriegskabaretts wurde:

"Jeder Musiker kennt den Fachausdruck 'unterlegter Text'. Er bedeutet nicht etwa einen Gegensatz zum 'überlegten Text', im Gegenteil: der unterlegte Text ist häufig das Ergebnis sehr gründlicher Überlegung. Man unterlegt einen Text immer dann, wenn ein Musikstück bereits textiert oder wortlos, vorhanden ist, wenn also nicht Worte vertont, sondern Töne verwortet werden. Das Unterlegen ist vor allem bei Walzern im Schwang, sofern die Sängerinnen, Sänger oder Chorvereinigungen solche vorzutragen wünschen; hierbei kann man recht willkürlich drauflosdichten, denn derartige Text werden selten verstanden und selbst dann kaum je übel genommen. Anders dort, wo die Kabarettisten unterlegen. Da ist der Text wesentlich und entscheidend für die Wirkung. Das Musikstück ist ein möglichst bekanntes, sozusagen klassisches, und dient als Vehikel, als Schiene, als Präsentierbrett für einen Text. Ein Bestandteil der kabarettistischen satirischen, kritischen oder sanft ironisierenden Aussage ist bereits die Auswahl dieses betreffenden Musikstücks. Der Text kann gegen den Geist der Musik polemisieren oder sich mit ihm zum Zweck der Polemik und Aggression verbünden; und beides ist zu Wien ein häufig und gern geübter Brauch."

Bronner als "musikalische Seele"

Ein ausgezeichneter Klavierspieler war auch Gerhard Bronner, die musikalische Seele des Wiener Nachkriegskabaretts der 1950er und 1960er Jahre. Er textete und komponierte nicht nur selbst, sondern nützte auch seine profunden Kenntnisse klassischer Musik mit kabarettistischer Kreativität.

Darüber hinaus ist Bronner auch Unternehmer gewesen, Prinzipal mehrere Kleinkunstbühnen, wie Salten, aber auch wie sein Zeitgenosse Karl Farkas'. Und er zog mit seiner Persönlichkeit auch magisch, musikalisch begabte Künstler, seien es Kabarettisten oder Schauspieler an, so dass sich in seinen Ensembles stets eine ganze Reihe von Vortragenden zusammenfanden, die fähig waren, ihre Texte nicht nur singend zum Besten zu geben, sondern sich selbst dabei auch auf dem Klavier zu begleiten.

Dennoch hieß der Komponist der meisten Musiknummern - "Der Papa wird's schon richten", "Der g'schupfte Ferdl", "Der Wilde mit seiner Maschin" etc. - Gerhard Bronner, auch wenn etwa Helmut Qualtinger, der Star des "Neuen Theaters am Kärntnertor", für seine Darbietungen den meisten Applaus einheimste, ohne selbst Klavier zu spielen.

Klavierhumorist verwenden manche als Berufsbezeichnung und zu dieser Spezies sind neben Bronner vor allem Georg Kreisler, auch Peter Wehle, Kurt Sobotka, Herbert Prikopa und Lore Krainer zu zählen, von denen die letzteren noch heute Bronners Erbe, den sonntäglichen Radioguglhupf erfolgreich weiterführen.

Als Bronner in den 1950er und 1960er Jahren in der Marietta-Bar, in seinem Intimen Theater, oder im neuen Theater am Kärntnertor als Prinzipal agierte, konnte man auch eine Anhäufung von musikalischen Kabarettnummern konstatieren, die einen wesentlichen Teil ihres Erfolges der melodischen Erfindungsgabe klassischer und romantischer Komponisten verdanken.

"Quasi": ein Publikumsmagnet
Der Star war natürlich Helmut Qualtinger mit dem es viele, von Bronner, Wehle und Kreisler erfundene und gestaltete Klassik-Musiknummern im jeweils adäquaten Kabarett-Sketch-Gewand auf CD gibt. Etwa mit Musik von Wagner (die DDR durch den satirischen Zerrspiegel betrachtend), Verdi (Das neue "Ministerium für Eröffnungen" wird durch Qualtinger als Eröffnungsminister feierlich zu den Klängen des Aida-Triumphmarsches eingeweiht), Ravel (Der Bolero noch vor Bo Dereks kinematographischer Anwendungsvariante als musikalische Untermalung von blasiertem Cocktail-Party-Smalltalkt), Offenbach (Die deutsche Filmindustrie wird aufs Korn genommen: "Orpheus in der Filmwelt"). Der "Nabucco-Gefangenenchor", von Bronner getextet, dient als Wunschkonzert-Parodie und die "Zigeunerbaron"-Ouvertüre liefert Musik zur satirischen Schilderung der Bakschisch-Gebräuche in Wien: "Der Schmattes-Baron"!

Gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Wehle hat Gerhard Bronner in einer musikalischen Kabarettszene einen Opernbesuch thematisiert und gleichzeitig so etwas wie ein Psychogramm der unterschiedlichen Typen von Premierenbesuchern erstellt: "Die Opernkavaliere" mit Gerhard Bronner als arrogantem Kritiker, Louise Martini, Eva Pilz, Helmut Qualtinger und Kurt Sobotka.

Neben solchen Ensembleszenen sang Georg Kreisler auch Solonummern von klassischen Komponisten, z.B. Rossinis Figaro-Kavatine als Satire auf Karajans Mediengeilheit (Karajan hier, Karajan dort), aber auch nachdenklich Machendes über musikalische Berufe wie der Triangelspieler, oder "Der Musikkritiker".

Vorgänger und Konkurrenten
Jetzt will ich aber ein wenig relativieren. Die Tatsache, dass im Wiener Nachkriegskabarett die Musik, besonders die klassische Musik, einen großen Stellenwert bei der Gestaltung von Kabarettnummern eingenommen hat, ein Verdienst vor allem Gerhard Bronners, ist nicht zu bestreiten. Er hat die meisten Musiknummern, in denen Klassisches zitiert wurde, auch getextet oder als Koautor fungiert. Dass aber Kabarettisten neben, aber auch schon vor Bronner, Wiener, Kreisler, Wehle & Co auf klassische Vorbilder zurückgegriffen haben, ist nicht zu leugnen.

Schon nach kurzer Suche in den Schallarchiven, kann man auf drei Beispiele stoßen, die ein einziges Stück für selbstverfasste kabarettistische Texte nutzen. Auf die zweite ungarische Rhapsodie von Franz Liszt: 1924 mit Josma Selim und ihrem Mann, Ralph Benatzky, etwa ein Jahrzehnt später mit Hermann Leopoldi und in den fünfziger Jahren aus Cissy Kraner in einer "Schimpfonie in der Sätzen" von Hugo Wiener, ihrem Partner am Klavier und im Leben.

Hugo Wiener hat für seine Frau - zumeist für ihre Auftritte in Karl Farkas Kabarett "Simpl" auch eine ganze Menge klassischer Melodien kabarettistisch verwertet: Tschaikowskys Nussknacker-Suite etwa, wenn es um das Thema "Polterabend" ging, Mozarts A-Dur-Sonate für einen Urlaubsbericht, für eine Suppé-Ouvertüren-Bearbeitung hat er den Titel "Feuchte Krawallerie" verwendet, und auch die kleine Nachtmusik, der Czardas von Monti und das "Gebet einer Jungfrau" mussten ähnliches über sich ergehen lassen.

Weigel analysiert
Zum Abschluss noch eine kurze fachliche Analyse von Hans Weigel, dem engagierten Kabarettautor der dreißiger Jahre, der später auch ein liebevoller Mentor des österreichischen Nachkriegskabaretts wurde:

"Jeder Musiker kennt den Fachausdruck 'unterlegter Text'. Er bedeutet nicht etwa einen Gegensatz zum 'überlegten Text', im Gegenteil: der unterlegte Text ist häufig das Ergebnis sehr gründlicher Überlegung. Man unterlegt einen Text immer dann, wenn ein Musikstück bereits textiert oder wortlos, vorhanden ist, wenn also nicht Worte vertont, sondern Töne verwortet werden. Das Unterlegen ist vor allem bei Walzern im Schwang, sofern die Sängerinnen, Sänger oder Chorvereinigungen solche vorzutragen wünschen; hierbei kann man recht willkürlich drauflosdichten, denn derartige Text werden selten verstanden und selbst dann kaum je übel genommen. Anders dort, wo die Kabarettisten unterlegen. Da ist der Text wesentlich und entscheidend für die Wirkung. Das Musikstück ist ein möglichst bekanntes, sozusagen klassisches, und dient als Vehikel, als Schiene, als Präsentierbrett für einen Text. Ein Bestandteil der kabarettistischen satirischen, kritischen oder sanft ironisierenden Aussage ist bereits die Auswahl dieses betreffenden Musikstücks. Der Text kann gegen den Geist der Musik polemisieren oder sich mit ihm zum Zweck der Polemik und Aggression verbünden; und beides ist zu Wien ein häufig und gern geübter Brauch."

Hör-Tipps
Musikgalerie, Montag, 14. Jänner 2008, 10:05 Uhr

Guglhupf, jeden Sonntag, jeweils 9:30 Uhr