Auch Tiere haben Spaß

Tierisch vergnügt

Der Verhaltensforscher Jonathan Balcombe arbeitet für die wissenschaftliche Anerkennung, dass Tiere Emotionen empfinden und dass diese zu respektieren seien. Allem Anschein nach ist die Zeit für die Verfechter von Tiergefühlen nun endlich reif.

In seinem Buch "Tierisch vergnügt" fasst Jonathan Balcombe eine Fülle von Beobachtungen und Studien zusammen. Er konzentriert sich dabei auf positive Gemütszustände wie Freude, Fröhlichkeit, Verspieltheit, Wohlbefinden oder Zärtlichkeit und führt viele Beispiele an: Ein junger Alligator fängt zum Spaß herabfallende Wassertropfen auf. Elefanten, die einander wochenlang nicht gesehen haben, laufen aufeinander zu, was wie das freudige Wiedersehen bei Menschen aussieht. Raben rutschen gerne auf ihrem Rücken Schneehügel hinunter.

Einer der Gründe, warum Tiergefühle zunehmend als seriöser Forschungsgegenstand gelten, liegt an den Ergebnissen der Neurophysiologie. Mensch und Tier haben viele biochemische Vorgänge gemeinsam. Wenn etwa Ratten spielen, dann steigen bei ihnen - so wie beim Menschen - die Dopaminwerte.

"Beweisen Sie mir das Gegenteil!"

Daten und Fakten haben dazu beigetragen, dass Forscher wie Jonathan Balcombe ihre Thesen über Emotionen der Tiere mit deutlich mehr Selbstbewusstsein darlegen als es noch vor wenigen Jahren der Fall war. Der Autor reagiert nicht mehr defensiv, wenn man ihn etwa auffordert, die Existenz von Tierempfindungen zu beweisen. Stattdessen reagiert er mit einer Gegenaufforderung:

"Eine Antwort darauf wäre, zu sagen: Beweisen Sie mir das Gegenteil!", meint Balcombe im Gespräch. "Es ist eine Schande, dass historisch die Beweislast auf den Schultern derer ruhte, die die Behauptung wagten, Tiere haben Gefühle. Es sollte umgekehrt sein: Leute, die meinen, Tiere haben kein Bewusstsein und keine Emotionen sollten den Beweis dafür antreten müssen. Es gehört zur Tradition der Naturwissenschaften, dass unbewiesene Annahmen abgelehnt werden. Doch strenggenommen: Wenn ich jemandem gegenübersitze, kann ich nicht beweisen, dass diese Person etwas empfindet."

Eigene Spiele entwickelt

Manche Emotionen wie etwa Schmerz oder Angst gesteht man Tieren problemlos zu, komplexe Gefühle aber wie etwa Trauer oder Eifersucht sind umstritten und schwierig nachzuweisen. Jonathan Balcombes Überlegungen werden von Laborstudien untermauert: Ähnlich wie Menschen vermeiden auch Tiere Schmerz und bevorzugen entspannte gegenüber stressgeladenen Situationen.

Der Autor argumentiert weiters, dass vieles im menschlichen Verhalten der Arterhaltung und dem Überleben dient, dennoch wird nicht jede Handlung aus diesen Motiven gesetzt. Doch alles, was Tiere tun, kritisiert Jonathan Balcombe, werde stetes unter dem Blickwinkel des Überlebenskampfes betrachtet. Ein Kapitel in seinem Buch widmet der Autor dem Spiel.

Natürlich spielen Tiere weder Schach noch Volleyball, sie haben eigene Spiele. Schimpansen spielen Fingerhakeln. Gorillas ringen und werfen sich zu Boden. Elefanten fingern mit den Rüsseln. Robben surfen auf den Wellen, und afrikanische Graupapageien lieben das Guck-Guck-Spiel. Kängurus versuchen manchmal, fallende Blätter zu erwischen. Sicher lassen sich solche und andere Spiele auch als Überlebenstraining interpretieren, denn jedes Tier braucht Kraft und Geschicklichkeit. Wenn jedoch ein Schlangenhalsvogel einen Stock im Schnabel balanciert, dann übt er damit nicht nur die optimale Technik, einen Fisch zu verschlucken, sondern spielt - noch dazu mit sichtbarem Vergnügen.

Berauschenden Substanzen nicht abgeneigt

Tiere finden auch Vergnügen, wenn sie dem Alkohol oder diversen psychedelischen Substanzen zusprechen. Elefanten tun sich gerne an fermentierten Früchten gütlich. Es gibt zahlreiche Anekdoten von Elefanten, die in ihrem Schwips Hütten niedertrampelten.

Affen in Madagaskar und im Amazonas fangen eine bestimmte Art von Tausendfüssler. Sie beißen in das Insekt und reiben sich dann damit ihr Fell ein. Die Substanz schützt vor Moskitos, doch sie berauscht auch - wie am glasigen Blick der Affen ersichtlich ist. Jonathan Balcombe stieß bei Geparden auf eine ungewöhnliche Duftvorliebe.

"In einem Zoo brauchten Forscher von Geparden Haarproben, um die DNA zu bestimmen. Jemandem kam die brillante Idee, im Gehege Haarbürsten an Baumstämme und andere Objekte zu kleben. Doch nun musste man die Tiere dazu bringen, dass sie sich dagegen rieben. Die Forscher experimentierten mit verschiedenen Gerüchen. Man weiß nicht warum, aber Gepardenweibchen waren auf den Duft von Calvin Kleins "Obsession for Men" ganz versessen. Sie rieben sich ausgiebig an den Haarbürsten."

Das Wohlbefinden in den Mittelpunkt stellen

Jonathan Balcombe plädiert für eine sogenannte hedonische Verhaltensforschung, die den Blickwinkel des Tieres und sein Wohlbefinden in den Mittelpunkt stellt. Doch mit Studien allein sei es nicht getan, meint der Autor. Die Ergebnisse müssten umgesetzt werden:

"Es ist eine traurige Ironie: Noch nie haben wir Tiere so gut verstanden. Wir wissen viel über ihre Gefühle und ihr Denken, weil wir die richtigen Fragen stellen. Doch moralisch sind wir zurückgeblieben und primitiv. Die Art und Weise, wie wir mit ihnen etwa in der Massentierhaltung umgehen, hinkt in jeder Hinsicht unserem Wissen darüber hinterher, was Tiere empfinden und wie sie ihr Leben erfahren."

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Buch-Tipp
Jonathan Balcombe, "Tierisch vergnügt. Ein Verhaltensforscher entdeckt den Spaß im Tierreich", Kosmos Verlag