Otto Nicolais ungeschriebener "Nabucco"
Deutsche Spieloper international
Wenn sich am 7. März 2008 im Theater Chemnitz bei der Premiere von "Il Templario" der Vorhang hebt, wird ein Stück vergessene Operngeschichte wieder lebendig: Otto Nicolai als italienischer Opernkomponist.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus Nicolais "Die Heimkehr des Verbannten"
"Martha" von Friedrich von Flotow, "Die lustigen Weiber von Windsor" von Otto Nicolai, das sind Werke, die gemeinsam synonym für die romantische deutsche "Spieloper" stehen. Dabei haben beide Komponisten einen Großteil ihres Lebens nicht in Deutschland oder Österreich verbracht, sondern in Frankreich und Italien, und dort auch Bühnenwerke geschaffen - in französischer und italienischer Sprache und Manier.
Verdi nutzte Chance
Es ist eine viel zitierte Fußnote zur Entstehungsgeschichte von Giuseppe Verdis "Nabucco": Wie Otto Nicolai das ihm zur Vertonung angebotene "Nabucco"-Libretto als zu blutrünstig ablehnte, der um drei Jahre jüngere Verdi als "zweite Wahl" aber die Chance nützte und mit einem Schlag zum Star unter den italienischen Jungkomponisten aufstieg.
Nicolai setzte stattdessen für die Mailänder Scala 1841 "Il proscritto" in Musik, wovon davor Verdi Abstand genommen hatte. Ergebnis: "Nabucco" ist bis heute ein Hit geblieben, "Il proscritto" vergessen, und wenn Nicolais Falstaff-Oper "Die lustigen Weiber von Windsor" gespielt werden, wundert man sich, warum die Musik oft so "italienisch" klingt...
Italienischer Opern-Lorbeer als Ziel
Mit Anfang 20 hatte es den aus Königsberg stammenden Berliner Zelter-Schüler nach Rom verschlagen. Er verdingte sich als Organist, bestaunte die Sixtinische Kapelle, studierte Palestrina - und träumte von einem Opernauftrag. Erst nach einer längeren Durststrecke (und einer ersten Wien-Episode als Kapellmeister am Kärntnertortheater) hatte Nicolai Glück und konnte seinen "Enrico II" in Triest unterbringen.
Wer sich für die italienischen Opern-Sitten der Zeit interessiert, wird an dem auch als "Rosmonda d'Inghilterra" gespielten Stück seine Freude haben: Für eine Einlagearie der Rosmonda hat Nicolai beispielsweise das ohnehin bereits virtuose Finale von Bellinis "La sonnambula" als Duett von Soloklarinette und Sopranstimme um- und weitergeschrieben.
Gründung der Wiener Philharmoniker
Über Turin und Genua arbeitete sich Otto Nicolai rund um 1840 mit "Il templario" und "Gildippe ed Odoardo" in Richtung Mailand vor, wo "Il proscritto" Nicolais italienische Opernlaufbahn abschloss, aber an den Erfolg des "Templario" nicht herankam.
Als "Der Tempelritter" brachte bald darauf das Kärntnertortheater dieses Werk zur deutschsprachigen Erstaufführung. Der Komponist selbst dirigierte und beeindruckte so sehr, dass man ihm umgehend eine fixe Anstellung in Wien anbot. Der Rest ist Wiener Musikgeschichte, bis hin zur Gründung der Wiener Philharmoniker durch Nicolai.
Friedrich von Flotow und die opéra comique
Auch die "Martha" des "Freiherren von Toifendorf", Friedrich von Flotow, erlebte 1847 ihre Uraufführung am Kärntnertortheater. Schon als Halbwüchsiger war Flotow nach Paris gekommen und dort peu à peu ins opéra-comique-Schreiben hineingerutscht. Wären nicht die Revolutionen von 1830 und 48 gewesen, er hätte die französische (Theater-)Metropole überhaupt nicht mehr verlassen. Dass von den lockeren Musikkomödien aus Flotows Feder keine über den Tag hinaus Bestand hatte, liegt an der Neugier des Pariser Publikums.
Ein Akt eines Balletts für die Opéra, "Lady Harriette", zu dem Flotow die Musik beisteuerte, wurde für ihn zum Anstoß, es mit dem selben Stoff auch auf der Opernbühne zu probieren. Das Ergebnis, "Martha", entwickelte sich zu einem Ausnahme-Erfolg: Zehn Jahre nach der Premiere kannte man das Werk von San Francisco bis Sidney, von Algier bis - Paris.
Hymne auf Italien
Aber Friedrich von Flotows Biografie bietet weitere Überraschungen: Als der französisch-preußische Krieg weitere Pariser Premieren von Flotow-Opern inopportun machte, kam "La fleur de Harlem" in Turin zu ihrer Uraufführung - als "Il fiore d'Arlem". Und in seinem für Hamburg verfassten "Alessandro Stradella", einer wilden Phantasie über das Leben des italienischen Barockkomponisten, lässt Flotow Stradella sogar gemeinsam mit den auf ihn angesetzten Verbrechern eine Hymne auf Italien singen. "Deutsche Spieloper" - wahrhaft international!
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 24. Jänner 2008, 15:06 Uhr
Link
Theater Chemnitz - "Il Templario"