Vorlieben und Persönlichkeit

Über Musikgeschmack lässt sich streiten

Musik ist ein gesellschaftliches Phänomen. Der Musikgeschmack und bestimmte Musikvorlieben sind keine rein individuellen Erscheinungen, sondern werden auch durch verschiedene gesellschaftliche Faktoren geprägt. Über den Lernprozess Urteilsbildung.

Die ästhetische Urteilsbildung ist ein Lernprozess. Unsere musikalischen Vorlieben beeinflussen das Elternhaus, das soziale Umfeld, in dem wir uns bewegen, in der Jugendzeit natürlich die Gleichaltrigen.

Wobei die Klischeevorstellung, dass sich Jugendliche bevorzugt Musik anhören, die ihren Eltern ganz sicher nicht gefällt, einen wahren Kern hat, sich aber gerade heutzutage, wo Vater und Sohn einträchtig nebeneinander bei Rockkonzerten mitwippen, nicht verallgemeinern lässt.

Lieblingsmusiken

Untersuchungen legen nahe, dass wir im Alter zwischen 15 und 23 Jahren die Musik entdecken, die bis ins hohe Alter unsere Lieblingsmusik bleibt. Das erklärt, wieso Senioren alte deutsche Schlager Note für Note auswendig rezitieren oder mitsingen können. Das Wiederhören der Helden von einst ist hier vor allem eine gefühlsbetonte Zeitreise.

Das würde natürlich bedeuten, dass in 15 bis 20 Jahren die Beatles und die Rolling Stones das musikalische Kommando in den Seniorenresidenzen übernehmen werden, wenn die Jugendlichen der ehemals wilden Sechziger sich altersmäßig in eben diesen bewegen. Warum auch nicht: Die mittlerweile rüstigen musikalischen Protagonisten von damals, welche trotz des schnellen Lebens und der heftigen Liebe nicht jung sterben wollten, sind nach wie vor musikalisch sehr aktiv.

Hey, hey, my, my, Rock´n Roll can never die.
(Neil Young)

Der ewige Streit um den "besseren" Musikgeschmack

So wie es in Österreich hunderttausende "Teamchefs" gibt, die wüssten, wie unser schwächelndes Nationalteam wieder zu den großen Fußballnationen Anschluss finden könnte, so gibt es natürlich eine Unmenge selbsternannter Musikexperten (wie beim runden Leder sind das zumeist Männer), die glauben, ihre musikalischen Präferenzen seien die einzig selig machenden. In Umfragen geben meistens weniger als fünf Prozent der Befragten an, sich überhaupt nicht für Musik zu interessieren. Da bietet sie sich natürlich als Gesprächsthema an, inklusive möglicher Missionierungsversuche.

Die meisten Menschen haben heutzutage wohl einen breiteren Musikgeschmack als früher, die einstigen heftigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der so genannten E- und U-Musik finden nicht mehr statt. Trotzdem besitzt für echte Musikfanatiker folgender Satz wahrscheinlich nach wie vor Gültigkeit:

Der einzige Geschmack, der einem Menschen wirklich Befriedigung geben kann, ist sein eigener.
(Philip Rosenthal)

Musikgeschmack und Persönlichkeit

Immer wieder behaupten psychologische Studien, dass der Musikgeschmack einer Person erstaunlich gute Rückschlüsse über deren Persönlichkeit zulässt: Forscher der renommierten Universität Cambridge haben in einer 2005 durchgeführten Studie festgestellt, dass Menschen nur anhand der musikalischen Vorlieben ihres Gegenübers intuitiv und mit verblüffender Treffsicherheit viele Details von dessen Charakter einzuschätzen vermögen. Häufig gelinge diese Einschätzung besser als unter Zuhilfenahme von Fotographien oder Videoaufnahmen.

"Sag mir, was für eine Musik Du hörst, und ich sage Dir, wer Du bist." Ich persönlich bezweifle, ob dieser oft geäußerte Satz der Realität entspricht. Ähnliche musikalische Vorlieben können natürlich eine psychologische Brücke schlagen, aber ich hüte mich vor Rückschlüssen auf die Persönlichkeit.

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Böse Menschen haben sehr wohl Lieder, und manchmal stehen ihnen sogar wirklich schöne Weisen zur Verfügung.

Hörtipp
Radiokolleg, Montag, 28 Jänner 2008 bis Donnerstag, 31. Jänner 2008, 9:45 Uhr