Der lange Weg der kroatisch-serbischen Normalisierung
Die trennende Sprache
Was Österreicher und Deutsche trenne, sei die gemeinsame Sprache, ätzte einst Karl Kraus. Ähnliches ließe sich auch über Serben und Kroaten sagen. Und dennoch: Hitzige kroatisch-serbische Diskussionen haben eine Versachlichung erfahren.
8. April 2017, 21:58
Den Posten des Vizepremiers der neuen kroatischen Regierung bekleidet mit dem Universitätsprofessor Slobodan Uzelac der erste Vertreter der serbischen Minderheit in Kroatien seit dem Krieg der Jahre 1991-95. Er ist in der neuen Regierung für regionale Entwicklung, Wiederaufbau und die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zuständig.
Das Verhältnis von Kroaten und Serben - letztere seit der Unabhängigkeit Kroatiens eine Minderheit im Land - ist durch den Krieg schwer belastet. Die Nominierung von Uzelac sollte auf dem Weg der Normalisierung, sonst ein steiniger in Kroatien, einen neuen Meilenstein setzen. Mit seiner Ernennung ist auch die Frage des Gebrauchs der serbischen Sprache in Kroatien aktuell geworden.
Verwirrungen
Fast 20 Jahre nach dem Zerfall Jugoslawiens ist man sich noch immer nicht sicher, welche Sprache oder die Sprachen seine Bewohner sprechen. Man fragt sich, ob das Serbokroatisch, oder das Kroatoserbisch, wie die Kroaten diese Sprache nannten, die gleiche Sprache wie Serbisch oder Kroatisch oder, noch komplizierter Bosnisch, sei. Es ist nicht sicher, ob sich die Anghörigen dieser Sprachfamlien überhaupt verstehen und ob sie mit Slowenen und Mazedoniern, obwohl beide slawische Sprachen sprechen, auf einer Ebene kommunizieren können. Das alles bekommt fast groteske Züge wenn man es um den Aspekt einer "montenegrinischen" Sprache erweitert.
Die Opfer
Eine große Schar von Experten und Halbexperten gab und gibt sich große Mühe, abhängig von den jeweiligen politischen Weltanschauungen, Unterschiede oder Gemeinsamkeiten festzustellen. Aus allen diesen Bemühungen ist eines sicher geworden: Die einmal gemeinsame Sprache Serbokroatisch (oder Kroatoserbisch) wurde abgelöst und ihre Stelle haben die "reinen" Volkssprachen eingenommen. Man hat Alles gemacht, um linguistische Unterschiede zu verstärken. Die Serben kehrten zu ihrer, wie sie denken und behaupten, traditionellen Schriftart Kyrillisch zurück und gleichzeitig wurde Kyrillisch aus den kroatischen Schulen verbannt. Man ging noch weiter, am Anfang der 1990er Jahre sind die Literaten serbischer Abstammung in Kroatien aus der obligaten Schullektüre gestrichen worden.
Die Normalisierung
In diesen "Kämpfen" um die Sprache gab es jüngst in Kroatien absurde Zwischenfälle. In einem Ort in Slawonien, in dem die Serben die Mehrheit bilden, hat der Direktor der örtlichen Schule den kroatischen Kindern den Unterricht in ihrer Muttersprache nicht gesichert. Die kroatischen Kinder und ihre Eltern protestierten und letztendlich entschieden sich die Familien für die nächstliegende Schule mit kroatischem Unterricht. Der kroatische Minister für Wissenschaft, Bildung und Sport, Dragan Primorac, musste in dieser Sache intervenieren. Derzeit hat es den Anschein, als ob die kroatische Sprache doch ihren Platz in einer kroatischen Schule hat finden können.
Anderseits entnimmt man Medienberichten, dass die vertriebenen kroatischen Autoren, die der serbischen Volksgruppe in Kroatien angehörten, wieder ihren Weg in die Schullektüre finden werden. Man spricht auch sogar davon, dass die kyrillische Schrift als freiwilliger Unterrichtsgegenstand eingeführt werden soll.
Dass der Normalisierungsprozess sich noch immer Hindernissen stellen muss, zeigten einige Reaktionen in der Öffentlichkeit. Die schon genannten Halbexperten und "übertriebenen" Patrioten scheuen sie sich nicht, sich öffentlich über Vorteile und Nachteile der jeweiligen Sprache (oder Sprachvarianten) zu äußern. Man liest von der Überlegenheit der einen Schrift und der Unterlegenheit der anderen Sprache. Es überrascht nicht, dass diese Kultur- und Identitätskämpfer" in ihrem Streit dabei eine unglaubliche Ignoranz, sogar in der eigenen Sachen, zeigen.
Nun zum Gluck haben sich viele kroatische Politiker mit schönen Worten über serbische Schriftsteller und ihre ehemaligen Mitbürger der serbischen Abstammung geäußert. Sie haben sogar zugegeben, dass einige Werke einen großen Einfluss in ihrer Erzeugung gehabt haben. Sie nennen die Autoren, die ihren Platz in der kroatischen Kultur ohne Zweifel verdient haben und die wieder von den kroatischen Kindern (und nicht nur von Kindern) gelesen werden sollten. Das sollte als ein Beweis dienen, dass die Menschen in Kroatien ihrer Identität sicher geworden sind und dass sie sie nicht mehr mit den kämpferischen Worten gegen andere betonen müssen.
Das alles ist sicherlich nicht ein Verdienst von Slobodan Uzelac, aber er könnte in seiner Position diesem Prozess der Vernunft noch mehr Kraft und Hoffnung geben. Vielleicht kommen sogar einige der Identskämpfer zur Einsicht, dass die Vielfältigkeit der Sprachen Menschen nicht nur trennt, sondern auch bereichern kann - das funktioniert allerdings nur in einer freien Welt.
Buch-Tipps
Milos Okuka, "Eine Sprache, viele Erben. Sprachpolitik als Nationalisierungselement in Ex-Jugoslawien", Wieser Verlag (1998)
Manuel Castells, "Die Macht der Identität", utb (2003)
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