Der Musik nahe kommen

Montagmorgen bei Frau Bartoli

Es ist erstaunlich, was Filmemacher und -macherinnen alles probieren, um uns die Musik nahezubringen. "Ich glaube nicht, dass man antreten sollte, um dies oder jenes zu erklären", sagt Michael Kreihsl. "Musik funktioniert und geht hinein oder nicht."

Die Musikdokumentation im Fernsehen ist einer der die spannendsten Bereiche für unser Ö1 Publikum, Sie erschließt uns Musik, die uns fern ist, sei es im Verständnis oder in der Zeit.

Es ist erstaunlich, was Filmemacher und -macherinnen alles probieren, um uns die Musik nahezubringen, die sie schon lieben und schätzen gelernt haben. Michael Kreihsl brachte seinem Fernsehpublikum Schuberts "Winterreise" nahe, indem er wochenlang in der Früh mit der Schnellbahn Menschen auf der Reise, auf der Fahrt filmte. Dazu spielte das Klangforum im Off Hans Zenders komponierte Interpretation der Winterreise. "Es wirkte", sagt Kreihsl, "wie wenn wir auf unser eigenes Leben schauen würden - durch den Schubert erinnert, es erzählte mehr über uns, als es viele Dokumentationen über Lebensverhalten von heute tun."

Etwas Dramatisches hinzufügen

"Eine Aufzeichnung, wo ich Leute sehe, die ein Instrument spielen, interessiert mich nicht; ich will nicht das sehen, was ich ohnedies höre", sagt Kreihsl und Frank Scheffer stimmt ihm zu: "Eins und Eins muss Drei ergeben, was ich mir immer vor Augen gehalten habe. Man sollte mehr sehen als nur einen Musiker, der Musik macht, man sollte etwas Dramatisches hinzufügen. Nur Musik machen ist ziemlich langweilig, Film und Bild muss einen Mehrwert schaffen, wie ihn das Publikum im Konzertsaal nicht erleben kann."

In Scheffers Film "Conducting Mahler - I have lost touch with the world" sieht man das Orchester kaum, auch nicht die Hände des Dirigenten, jedoch sein Gesicht: "Wie er kuckt, das ist die Reinkarnation von dem, was sich der Komponist erdacht hat."

Publikum zur Kreativität anregen

Frank Scheffer wünscht sich nicht nur, dass sein Publikum seine für die Musikdokus Auserwählten liebt und deren Musik auch, sondern dass die Faszination so anregend ist, selbst etwas zu machen: "Ich möchte die Faszination, die ich erlebt habe, durch den Film vermitteln und Leute so anzapfen, wie ich angezapft bin; dann ist das beste Resultat, dass sie sagen: Jetzt möchte ich selber etwas machen, das ist meine größte Befriedigung."

"Die Frage, ist das On oder das Off das Interessante", fragt sich Kreihsl, "ist die Reaktion, wenn einer was sagt, nicht interessanter als das, was sie sagt?"

Erst nach Wochen, Monaten öffnet sich ein Interpret, ein Komponist vor dem Filmteam. "Der Film muss allmählich entstehen, muss wachsen", sagt Felix Breisach, "das macht der Porträtierte nicht am ersten Drehtag."

Hampson emotional

Der Musik nahe kommen kann man nicht am ersten Drehtag. Felix Breisach erlebte das, als er Thomas Hampson mit der Kamera porträtierte. "Thomas hat zu weinen begonnen, als er von sich und seiner Kindheit erzählte. Und das war überhaupt nicht peinlich. Hampson wird dann zum Menschen, den man mag, nicht nur, weil er singen kann, sondern weil er einfach ist."

Musikdokumentation kann etwas, um das uns die Zeitgenossen und Zeitgenossinnen Bachs und Mozarts beneiden: Bach beim Probieren zusehen. "Und wenn man das Medium jetzt nicht ausnützt, dann werden wir das in 100 Jahren sehr bedauern. Faktum ist, dass ich mir wünsche und fest daran glaube, dass man Fritz Cerha in 200 Jahren so feiern wird wie heute Mozart."

Musik der Republik

Felix Breisach redet ungern über die Machart, aber gern über die Menschen, die er porträtiert. Breisach arbeitet an einer zehnteiligen Fernsehreihe "Musik der Republik", Komponierendenporträts von Fennesz bis Olga Neuwirth, von Cerha bis Zykan. Ö1 wird gewiss zuschauen.

Hör-Tipp
Apropos Musik, Sonntag, 3. Februar 2008, 15:06 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Buch-Tipp
Wien Modern 2007, Katalog

Links
Wikipedia - Frank Scheffer
Die Angewandte - Michael Kreihsl
Felix Breisach
Wien Modern 2007