Pioniere in Ostpatagonien
Auf zu neuen Ufern
In der südargentinischen Provinz Chubut stößt man auf walisische Ortsnamen: Porth Mádryn, Trelew oder Gaiman. Mitte des 19. Jahrhunderts floh eine Gruppe Waliser vor der englischen Amtssprache. An der Südostküste Argentiniens ließ sie sich nieder.
8. April 2017, 21:58
Etwa 800 Kilometer bahnt sich der Fluss Chubut seinen Weg durch das mehrheitlich von Steppenvegetation überzogene Land in Patagonien. Für die Waliser, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf der Suche nach kultureller Autonomie hier gelandet waren, sicherte der Rio Chubut das Überleben. Und Überleben galt in diesem kargen Land, das sich einst die Völker der Mapuche und der Tehuelche teilten, immer als eine veritable Herausforderung.
Teehäuser in Gaiman
Der Ort Gaiman entstand 1874 am unteren Tal des Flusses Chubut und war die erste Gemeinde dieser Provinz. Die walisischen Einwanderer, die 1865 in Liverpool aufgebrochen waren, um ihre kulturelle Identität in einer Kolonie fernab der britischen Inseln zu bewahren, waren die Gründungsväter und -mütter. Wo sich heute Puerto Madryn erstreckt, gingen sie an Land und folgten dem Flusslauf des Rio Chubut, um sich im Tal anzusiedeln.
Gaiman bedeute "steinige Spitze" oder "Pfeilspitze. Den Namen für das kleine Städtchen entlehnten die Waliser der Sprache der Tehuelche, die entlang des Flusstales zu überwintern pflegten. Zu Beginn der Kolonialisierung waren die Felder am Ufer des Flusses die wichtigste wirtschaftliche Stütze. Dort wurden Weizen, Gerste, Futterpflanzen und anderes Gemüse angebaut.
Den Pioniergeist konnte man sich in dieser Region über die Jahrhunderte bewahren. Bis zum heutigen Tag ist Gaiman eine mehrheitlich walisisch geprägte Ortschaft mit etwas über 4.000 Einwohnern. Einige Traditionen aus der alten Heimat, aus den alten Zeiten haben die Nachfahren der tatkräftigen Auswanderer am Leben erhalten. Dazu gehören zum Beispiel die walisischen Teehäuser in Gaiman - eine Einrichtung, die von Einheimischen und Touristen gleichermaßen frequentiert wird. Schwarzer Tee, Gebäck nach walisischen Rezepten, und die Torta negra galesa sind das Erfolgsrezept dieser walisischen Institution.
Stadt an der Eisenbahn
Die bereits über 100.000 Einwohner zählende Stadt Trelw war einst auch ein Außenposten der Auswanderer, die aus Wales kamen. Als die Idee einer Eisenbahn Gestalt annahm, wurde Trelew 1886 als Knotenpunkt für die Schienenverbindung zwischen der Atlantikküste und dem Chubut-Tal gegründet. In dem Namen der Stadt spiegelte sich auch die Verehrung für Lewis Jones wieder, der für die Realisierung des Baus der Eisenbahn sehr viel Mühen auf sich genommen hatte.
Mit dem Bahnhofgebäude begann auch die wirtschaftliche Entwicklung von Trelew. Heute ist der Bahnhof eines der historischen Gebäude der Stadt und Sitz des regionalen Museums "Pueblo de Luis". Industrie, Landwirtschaft und seit geraumer Zeit auch der Tourismus sorgen für die wirtschaftliche Grundlage von Trelew.
Seinen Ruf als Verkehrsknotenpunkt konnte sich die Stadt dadurch zurück erobern, dass sie mittlerweile über einen Flughafen verfügt, der regelmäßige Verbindungen nach Buenos Aires und an die Südspitze Patagoniens anbietet. Mitten im Stadtzentrum befindet sich ein Monument früher touristischer Umtriebe: das Hotel Touring Club. Einst aus einer Fusion der Hotels Argentino und Globo hervorgegangen, sollte es nicht nur den Bahningenieuren Quartier bieten, sondern auch eine elegante Übernachtungsmöglichkeit am Bahnknotenpunkt von Chubut in Aussicht stellen. Dass dann auch so illustre Gestalten wie Butch Cassidy und Sundance Kid das Hotel Touring Club besucht haben sollen, das ist eine andere Geschichte.
Seit Mitte des vorigen Jahrhunderts ist das älteste Hotel von Trelew in Besitz von spanischen Einwanderern aus Asturien. Die Familie Fernandez war nicht nur vom Pioniergeist beseelt, man glaubte auch an die Zukunft Trelews als touristisches Pflaster.
Täglich wachsendes Puerto Mádryn
Knapp 1.400 Kilometer von Buenos Aires entfernt, im Schutz der Bucht des Golfo Nuevo, liegt Puerto Mádryn. Die heute etwa 75.000 Einwohner zählenden Stadt steht in dem Ruf, täglich zu wachsen - und zwar in ökonomischer Hinsicht ebenso wie in ihrer Ausdehnung. Einst gingen die walisischen Einwanderer an der Küste des heutigen Puerto Mádryn mit ihrem Schiff Mimosa vor Anker.
Die Rolle als wichtiger Hafen blieb der Stadt bis in die 1970er Jahre. Zu dieser Zeit reduzierten sich die Handelsaktivitäten und man musste sich anders orientieren. Die Aluminiumindustrie gehört seither zu den wesentlichen Erwerbsquellen in Puerto Mádryn.
Zusätzlich hat sich die Stadt einen Namen als das Zentrum für touristische Aktivitäten an der patagonischen Küste gemacht. Von Puerto Mádryn startet man Ausflüge auf die Halbinsel Valdes, die 1999 als Region mit globaler Bedeutung für die Erhaltung von Meeressäugern unter den Schutz der UNESCO gestellt wurde. Die Peninsula gehört nicht nur zu den schönsten Landschaften der Region sondern auch zu den ganz speziellen Sehenswürdigkeiten und gilt auch als idealer Platz, um südliche Glattwale, Seeelefanten, Seelöwen und Magellan-Pinguine zu beobachten.
Hör-Tipp
Ambiente, Sonntag, 3. Februar 2008, 10:06 Uhr
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Buch-Tipps
Bruce Chatwin, "In Patagonien. Reise in ein fernes Land", übersetzt von Anna Kamp, Rowohlt Verlag
Danny Palmerlee, Sandra Boa, Andrew Dean Nystrom und Lucas Vidgen, "Argentinien", Lonely Planet
Links
patagonia.argentina.com
aiman
Hotel Touring Club
Enjoy Patagonia