Tragik und Komik in der Kunst und im Leben
Alles ist lächerlich
"Alles ist ernst, wenn man an das Leben denkt. Die Anstrengung des Komikers ist es, diesem Tragischen das Komische abzugewinnen", schreibt Margit Schreiner, die sich selbst - nicht unironisch - als bekennende Pessimistin bezeichnet.
8. April 2017, 21:58
Gedanken über den Fasching
"Alles ist lächerlich, wenn man an den Tod denkt." Ein Satz von Thomas Bernhard, den die oberösterreichische Schriftstellerin Margit Schreiner fortschreibt: "Alles ist ernst, wenn man an das Leben denkt." Ob man nun komisch oder tragisch an die Welt herangeht, ist wohl immer eine Frage des Standpunkts, erklärt Schreiner. Sie selber sei bekennende Pessimistin, "ganz einfach weil man dann nicht enttäuscht werden kann."
Nichts und niemanden verschonen
Im Leben, so die 1953 in Linz geborenen Autorin, die auch Germanistik und Psychologie studiert hat, im Leben gehe es doch immer darum, wie man existenzielle Gefühle, Freude, Trauer, Lust, Wut, bewältigt - ein Thema, das sich durch all ihre Bücher zieht. Etwa "Haus, Frauen, Sex", Margit Schreiners größter Erfolg, nicht zuletzt wegen der dramatisierten Bühnen-Fassung, in der Andreas Vitasek brillierte, oder zuletzt "Haus, Friedens, Bruch", ein Roman in dem nichts und niemand verschont wird. Auch nicht die Autorin selbst, doch die nimmt das, so scheint es, nicht wirklich tragisch:
"Ich tendiere seit jeher zum Komischen. Das war schon in der Schule ein Mordserfolg. Meine Aufsätze sind immer vorgelesen worden. Aber zu meinem großen Ärger sind dann immer nur die ernsthaften Aufsätze in der Schülerzeitung abgedruckt worden." Denn als die wahre, hohe Literatur habe seit jeher nur das Getragene, das Ernste, das Tragische gegolten. "Das mag daran liegen, dass der Pädagoge, auch der Humanist, ein Optimist ist, der daran glaubt, dass die Welt zum Besseren veränderbar ist. Die Tragödie wird als volkserziehende Maßnahme über die Komödie gestellt, die viel mehr anarchistische Elemente enthält."
Als Ergänzung zu Schreiners literarischem Oeuvre veröffentlicht ihr Stammverlag Schöffling & Co in diesem Frühjahr erstmals all ihre Essays und betrachtende Prosa, gesammelt in einem Band. Darunter ist auch ein Text über das Tragische und das Komische. Der Titel des Buchs stellt eine spannende und nicht unoriginelle Frage: "Schreibt Thomas Bernhard Frauenliteratur? Über Literatur, das Leben und andere Täuschungen".
Jedem Volk sein eigener Humor
Ob nun im Roman oder im Essay, "Margit Schreiner ist eine radikale Autorin", analysiert die Germanistin Daniela Strigl, "nicht in der Form, aber im Inhalt. Sie operiert mit Rasanz und schneidender Ehrlichkeit, sie bohrt in Wunden, bis es weh tut und fährt dem Leser immer wieder in die Magengrube." Und der Kritiker Ulrich Weinzierl findet ein kulinarisches Bild: "Über ihren Sätzen liegt, wie Bitterschokolade, ein Hauch von zartem Zynismus".
Witz, Satire, Ironie, Zynismus. Während ihrer jahrelangen Auslandsaufenthalte in Japan, Paris, Berlin und Italien konnte die Oberösterreicherin, die nun wieder in ihrer Geburtsstadt Linz lebt, die national unterschiedlichen Formen humoristischer Hervorbringungen genau beobachten. "Der britische Humor hat viel mit dem britischen Kolonialismus zu tun, mit dem Wissen, dass es mehr als nur eine Kultur gibt", so Schreiners Beobachtung. "Der italienische Humor ist ein besonders leichter, weil die Einstellung der Italiener zum Leben generell eine leichtere ist. Die Japaner wiederum haben eine stark slapstick- und erotisch orientierte Komik. Der japanische Filmemacher Takeshi Kitano zum Beispiel war ursprünglich Komiker. Er hat immer noch eine Sendung, in der er, nur mit Unterhose bekleidet, durchs Studio hüpft und alle möglichen Scherze macht. Das wäre bei uns undenkbar. Stellen sie sich Wim Wenders in der Unterhose vor!"
Die Endlichkeit vergessen
Komik sei immer auch, so Schreiner, eine Form der Lebensbewältigung, eine Möglichkeit, unser aller Endlichkeit für Momente zu vergessen. Und da hält es Margit Schreiner am liebsten mit einem großen Leinwandkünstler, mit Woody Allen: "I don't want to be immortal through my work. I want to be immortal trough not dying", hat dieser einmal keck gemeint. "Ich möchte nicht unsterblich sein durch meine Arbeit, ich möchte unsterblich sein, indem ich nicht sterbe."
Hör-Tipp
Gedanken, Sonntag, 3. Februar 2008, 13:10 Uhr
Buch-Tipps
Margit Schreiner, "Haus, Friedens, Bruch", Verlag Schöffling & Co.
Mehr dazu in oe1.ORF.at
Margit Schreiner, "Buch der Enttäuschungen", Verlag Schöffling & Co.
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Margit Schreiner, "Die Eskimorolle", Verlag Schöffling & Co.
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