Unvergessener Karl Valentin
Mögen hätt' ich schon wollen...
Karl Valentin begann seine künstlerische Karriere als Musikclown und Solokomiker in der Tradition der Münchner Volkssänger. Sein Leben lang bezeichnet er sich selbst als Volkssänger. Bis heute werden seine Stücke und Possen auf die Bühne gebracht.
8. April 2017, 21:58
Wolfram Berger über Karl Valentin
"Karl Valentin begann seine Laufbahn als Zitterspieler (!) und beendete sie, indem er am Rosenmontag, den 9. 2. 1948 leider starb", schrieb eine elfjährige Schülerin in einem Aufsatz. Dieses Ende der Karriere des Volkssängers, Alleinunterhalters, Filmregisseurs, Schauspielers, Komikers, Musikapparatebauers und Panoptikumbesitzers Karl Valentin jährt sich heuer zum 60. Mal.
Der Volkssänger
Ein "botanozoologischer" Originalvortrag über das Aquarium soll Karl Valentin, der als Valentin Ludwig Frey am 4. Juni 1882 auf die Welt gekommen war, den Durchbruch als Komiker gebracht haben. Nach einer Volkssängervorstellung im ehemaligen Baderwirt in der Münchner Dachauerstraße trat der ausgebildete Schreiner, der die Schulzeit als "siebenjährige Zuchthausstrafe" empfunden hatte, mit seiner Zugharmonika auf und gab diese "unsinnige Erzählung" zum Besten - und traf sichtlich einen Nerv.
Zuvor war er mit seinem selbstfabrizierten Orchestrion mit 20 Musikinstrumenten, die er durch einen eigenen Mechanismus fast alle zur gleichen Zeit spielen konnte, durch die Lande gereist und hatte sich damit – nach eigener Aussage - "keine Lorbeeren" geholt. Als Zitherspieler schlug er sich so recht und schlecht durch. Mit seinen eigenartigen "Originalvorträgen", die er in der Manier des Aquariums ab 1907 hielt, hatte seine wirtschaftliche Not ein Ende. "Karl Valentin" als Markenzeichen und Gütesiegel für eine ganz bestimmte, schwer definierbare Art von Humor, setzte sich durch.
Legendäre Liesl Karlstadt
Mitstreiterin, Ideenspenderin und kongeniale Partnerin von Karl Valentin war Elisabeth Wellano, alias Liesl Karlstadt. Er sah sie im Frankfurter Hof als Soubrette auftreten und legte ihr nahe, sich lieber aufs Komische zu verlegen. Ihr ist es zu verdanken, dass der ewige Hypochonder mit Lampenfieber nach langen Diskussionen dann doch immer die Bühne betrat und keine Vorstellungen ausfallen ließ.
Viele Jahre lang traten die beiden gemeinsam auf und kreierten legendäre Kabarettnummern. "Der Hasenbraten", "In der Apotheke", "Der Firmling", "Die Orchesterprobe", "Semmelnknödeln" und viele andere Minidramen boten ihnen Gelegenheit zu Situationskomik. Die beiden brillierten durch ihr Improvisationstalent. Mehr als zwei Jahrzehnte standen Karl Valentin und Liesl Karlstadt erfolgreich auf der Bühne, drehten Filme, machten Rundfunkaufnahmen. Mit der Zeit allerdings wurde die Zusammenarbeit mit dem genialen Künstler für seine Partnerin immer schwieriger. 1935 erlitt sie einen Nervenzusammenbruch und musste in die Klinik eingeliefert werden.
Nein zu Hollywood
Karl Valentin wurde von etlichen anderen Künstlern wie Kurt Tucholsky, Alfred Polgar und Oskar Maria Graf sehr geschätzt. In Max Ophüls' Film "Die verkaufte Braut" hatte Karl Valentin einen Auftritt. Gemeinsam mit Bert Brecht und Erich Engel drehte er den Film "Mysterien eines Frisiersalons". Ein Film-Angebot aus Hollywood lehnte Karl Valentin schon 1926 ab - die Reise nach Amerika war ihm nicht geheuer. Da verfilmte er lieber seine Stücke "Theaterbesuch", "Orchesterprobe" und "Der Firmling" mit Liesl Karlstadt.
Während der Nazi-Zeit und des Zweiten Weltkriegs zog sich Karl Valentin immer mehr zurück, so findet auch die Zusammenarbeit mit Liesl Karlstadt ein Ende. Auch wirtschaftlich steuerte der kompromisslose Künstler auf ein Fiasko zu. Seine 1939 eröffnete Ritterspelunke musste bald wieder schließen, Valentin trat nicht mehr öffentlich auf.
Der Aberwitz des Daseins
Nach dem Krieg versuchte der in finanzielle Not Geratene einen Neubeginn beim Bayerischen Rundfunk, allerdings war sein grantig-melancholischer Humor bei einem Publikum, das sich im Wiederaufbautaumel befand, nicht mehr sonderlich beliebt. Verbittert und enttäuscht starb Karl Valentin am 9. Februar, am Rosenmontag des Jahre 1948 an einer Lungenentzündung.
Ein trauriges Ende einer Persönlichkeit, die es verstand, in die Abgründe der menschlichen Seele zu blicken, aber sich dennoch nie über ihre Figuren lustig machte. Den Irrsinn des Alltags und den Aberwitz des Daseins an sich hat Karl Valentin sehr wohl durchschaut und in seinen Geschichten, Szenen und Originalvorträgen offengelegt, nach dem Motto: "Fremd ist der Fremde nur in der Fremde".
Noch immer gespielt
Karl Valentin - ein widersprüchlicher Charakter, dessen Leben und Werk gut dokumentiert ist: Im Piper Verlag sind neben einer Gesamtausgabe seiner Werke etliche Bücher über ihn erhältlich, das Plattenlabel Trikont hat eine achtteilige CD-Edition der erhaltenen Tondokumente herausgebracht und auch Karl Valentins Kurzfilme mit Liesl Karlstadt sind auf DVD erschienen.
Regelmäßig mit einem Karl Valentin-Abend tritt der Schauspieler & Kabarettist Wolfram Berger auf, der auch eine CD, "Valentin für Kinder", herausgebracht hat.
Empfehlenswert ist auch die CD "Der Unbekannte Valentin", auf der Gerhard Polt und Gisela Schneeberger musikalisch unterstützt von der Biermösl Blosn, weniger bekannte Texte von Karl Valentin interpretieren.
Hör-Tipp
Contra, Sonntag, 10. Februar 2008, 22:05 Uhr
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