"Nur in Deutschland hat der Film nicht funktioniert"
Stefan Ruzowitzky im Interview
nicht auf startsiete
8. April 2017, 21:58
Der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky (46) landete vor sieben Jahren mit dem Thriller "Anatomie" einen Kinohit und zieht nun mit "Die Fälscher" in das Rennen um den Auslands-Oscar. Basierend auf den Erinnerungen des Holocaust-Überlebenden Adolf Burger erzählt der Film von einer Geldfälscher-Werkstatt, die die Nazis im Konzentrationslager Sachsenhausen einrichteten. Für die Fälscher im KZ geht das Überleben vor Moral. Der Streifen mit den deutschen und österreichischen Schauspielern August Diehl, Devid Striesow, Marie Bäumer und Karl Markovics, der auch auf der Berlinale 2007 im Wettbewerb lief, wurde in den Studios von Potsdam-Babelsberg gedreht.
Münker: Vor der Oscar-Verleihung reisen Sie derzeit quer durch die USA, um "Die Fälscher" vorzustellen. Wie kommt der Film beim amerikanischen Publikum an?
Ruzowitzky: Ich habe den Eindruck, dass diese Mischung hier sehr gut ankommt. Das ist ein schwieriges Thema, aber so aufbereitet, dass es ein spannendes emotionales Kinoerlebnis erzeugt und trotzdem wichtige Aussagen trifft. Das war bei "Das Leben der Anderen", der im vorigen Jahr gewonnen hat, auch so. Bei der Berlinale hatten ja internationale Kritiker den Film genau deswegen gelobt. Einige deutsche und österreichische Kritiker haben das interessanterweise als negativ empfunden, weil bei uns immer noch das Ding ist, dass man an ein schwieriges Thema nicht mit den Techniken des Unterhaltungskinos dran gehen darf.
Welche konkreten Reaktionen haben Sie beim Publikum beobachtet?
Wir haben den Film zum Beispiel im jüdischen Museum in New York gezeigt, wo die Leute viel lockerer damit umgehen konnten als bei uns. In der Schlussszene haben die Leute hier gelacht. In Deutschland lachte da keiner, da war nur bleierne Schwere, als hätte man den Zuschauern gerade voll mit der Faust ins Gesicht geschlagen. International funktioniert der Film sehr gut, außer in Deutschland. Das war der einzige Markt, wo es überhaupt nicht geklappt hat. Wir hatten dreimal soviel Besucher in England, was ja absurd ist, weil der Film dort mit Untertiteln lief. Das ist ein deutscher Film mit deutschen Schauspielern in deutscher Sprache und bei uns will man so etwas aus welchen Gründen auch immer nicht sehen.
Im letzten Jahr hat das Stasi-Drama "Das Leben der Anderen" den Auslands-Oscar gewonnen. Aber häufig sind deutschsprachige Filme nominiert, die den Nationalsozialismus thematisieren. Hat man damit bessere Gewinnchancen?
Das hört man oft, dass man mit Holocaust-Themen den Oscar gewinnen kann. Du hast einfach auf der ganzen Welt Menschen, deren Großeltern im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben, die gefallen sind, wo Familienmitglieder im Holocaust umgekommen sind. Gerade bei Vertretern der jüdischen Gemeinde kommt der Film hier gut an. Denen gefällt, dass ich da einen Helden im Konzentrationslager zeige, der nicht nur Opfer ist und darauf wartet, umgebracht zu werden. Es sind Leute, die um ihr physisches und seelisches Überleben kämpfen. Für das Publikum hier ist auch wichtig, dass so ein Film von jemandem gemacht wurde, der in Österreich geboren wurde, in Deutschland aufgewachsen ist, der seine Nazi-Großeltern hatte. Das ist etwas anderes, als wenn ich amerikanischer Jude wäre. Das ist eigentlich jemand von der anderen Seite.
Mit "Die Fälscher" haben Sie die 112. Oscar-Nominierung für Österreich geholt. Aber es ist 20 Jahre her, dass der gebürtige Österreicher Billy Wilder mit einem Ehren-Oscar ausgezeichnet wurde. Höchste Zeit, dass Österreich wieder einmal gewinnt?
Einen Auslands-Oscar hat ein Österreicher noch nie gewonnen, da wäre ich der Erste. Es gab in den letzten Jahre einige Nominierungen für Kurz- und Dokumentarfilme, aber die meisten der 112 Nominierungen gingen an Emigranten in Hollywood, an Leute wie Billy Wilder, Fred Zinneman, Otto Preminger, Erich von Stroheim. Durch die Abwanderung großartiger Talente ist damals soviel verloren gegangen. Was für ein gigantischer Aderlass für die österreichische Kultur. Da war einfach ein großes schwarzes Loch nach dem Krieg und erst in den letzten Jahren ist es mit dem österreichischen Film wieder ein bisschen aufwärts gegangen.