Spaziergang durch Jacques Brels Heimatstadt Brüssel

Stadt für Gourmets und Gourmands

"Bruxelles" heißt ein Chanson des Belgiers Jacques Brel, zweifellos einer der erfolgreichsten Chansonniers des 20. Jahrhunderts. Jacques Brel gibt mit seinem Chanson den Anstoß zu einem Spaziergang im Zentrum der Metropole, zu des Künstlers Wurzeln.

"Ne me quitte pas!" hauchte Jacques Brel 1959 voller Schmerz ins Mikrofon und schuf damit ein tiefgehend eindrückliches Zeugnis der Trauer über den Verlust der Geliebten. Brel war Autor, Komponist, Sänger, Schauspieler, Ehemann, Vater und Liebhaber. Er war vielseitig und voller Widersprüche. Ein Bourgeois-Bohemien, ein bürgerlicher Revolutionär. Als Brel "Ne me quitte pas" auf Vinyl brachte, hatte er eine Geliebte in Paris und war nach wie vor verheiratet mit seiner Frau Miche, die in Brüssel lebte und die Scheidung immer verweigerte - schließlich war Miche ja auch des Künstlers Impressario.

Kulinarische Geheimtipps

"Neben der Kirche Sainte Catherine gab es früher große Wasserbecken, die mit dem Brüsseler Kanal verbunden waren. Der Kanal führt seinerseits wiederum zum Meer. Deshalb hat sich hier der Fischmarkt von Brüssel angesiedelt", erzählt der Brüsseler Conferencier und Jacques-Brel-Experte Louis Berkowicz. Die Place Sainte Catherine hat sich ihr Hafen-Flair bewahrt. Weit ist sie und lässt einen durchatmen.

Einige trendige Cafes protzen mit hohen Glasfassaden, die den Blick auf urbane Hedonisten freigeben. In den Schicki-Micki-Enklaven auf der Place Sainte Catherine geht es ums Sehen und Gesehenwerden. Hier finden sich jedoch auch kulinarische Geheimtipps, kleine Restaurants, in denen hervorragender Fisch serviert wird, wovon Gastro-Führer-Plaketten an den Eingangstüren verheißungsvolle Kunde tun. "Beim Bauern" heißt eines dieser lukullischen Day Spas für die Geschmacksknospen.

Bourgeoisie im Geburtshaus
Seile, Rettungsreifen und Navigationsgeräte als Dekor, und auf den Tellern eine gelungene Mischung von kreativer und traditioneller Fisch-Küche. Brüssel ist eben eine Stadt für Gourmets und Gourmands. Und eine Stadt, in der Begüterte und Unterprivilegierte, Bourgeoisie und Boheme aufeinandertreffen. In dieser Stadt lebte, meint Louis Berkowicz mit einem Augenzwinkern, Jacques Brel, ein Künstler der am Establishment kein gutes Haar ließ: "Witzig ist auch, dass heute ein Notar in Brels Geburtshaus wohnt, denn gerade über die Notare, als Inbegriff alles Arrivierten, hat sich Brel in seinem Chanson 'Les Bourgeois' lustig gemacht."

Brels Lieblingscafé
Die Brüsseler Brel-Runde führt indessen von der Place Sainte Catherine über die Rue Antoine Dansaert auf die Place de la Bourse, den Börseplatz. Louis Berkowicz lädt in eines von Brels Lieblingscafés, das "Cirio", gleich neben der Börse: "Dieses Café hat im Jahr 1886 ein Herr Cirio aus Turin eröffnet. Das ist auch der, der als erster geschälte Tomaten in der Dose verkauft hat."

Louis Berkowicz deutet auf die Medaillen und Plaketten an den Wänden, allesamt Preise für die erfolgreichen Delikatessen des Herrn Cirio. Im Jahr 1968 wird im Cirio der Film "La bande à Bonnot" mit Annie Girardot und Jacques Brel gedreht, die beiden Schauspieler sind in einem Foto an der Wand des Cirio verewigt. Louis Berkowicz kennt noch eine kuriose Background-Story zu "La bande à Bonnot": "Zum ersten Mal ist in diesem französischen Film eine Diebsbande mit einem Auto unterwegs, während die Polizisten noch per Fahrrad herumfahren. Dieser Film hat die französische Polizei auf die Idee gebracht, auf Autos umzusteigen."

Strenger Vater
Jacques Brel jedenfalls kam nur mehr für Gastspiele in seine Heimatstadt. Seinen Töchtern, die bei ihrer Mutter Miche in Brüssel aufwuchsen, war der Freigeist ein strenger Vater. "Brels Töchter haben ihre Jugend in den 1960er und 1970er Jahren erlebt. Jacques Brel verbat ihnen strikt, Jeans zu tragen. Sie mussten entweder Röcke oder Kleider anziehen. Und als die Mädchen anfingen, französisch mit einem Brüsseler Akzent zu sprechen, schickte Brel sie sofort auf das französische Gymnasium, damit sie Französisch wie die Französinnen sprachen. Denn er selbst musste seinen belgischen Akzent ablegen, seitdem er im Olympia in Paris auftrat."

Hör-Tipps
Ambiente, jeden Sonntag, 10:06 Uhr

Spielräume, Sonntag, 5. Oktober 2008, 17:30 Uhr

Links
Wikipedia - Jacques Brel
Brüssel-Guide