Psychosomatische Behandlungsansätze

Wenn die Seele krächzt

Ob bei häufigem Ausfall der Stimme oder bei ständigem Summen im Ohr - bei zahlreichen HNO-Erkrankungen werden nicht nur Symptome behandelt, sondern man kümmert sich zunehmend um die seelischen Anteile des Leidens.

Wie in anderen Bereichen der Medizin so haben sich auch in der Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten in den letzten Jahren und Jahrzehnten deutlich erweitert und verbessert. So entdeckt man mit Hilfe moderner Bild gebender Verfahren kleinste Entzündungsherde im Hals oder entfernt mit mikrochirurgischen Operationstechniken Wucherungen in den Nasennebenhöhlen und dergleichen mehr.

Doch trotz dieser Fortschritte kommt es immer häufiger vor, dass man bei Hörstörungen, Schwindelsymptomen und anderen HNO-Erkrankungen keine klare Diagnose stellen und keine eindeutige Ursache der Krankheit ausmachen kann. Obwohl die Patienten stark unter den Beschwerden leiden.

Auch seelische und soziale Faktoren berücksichtigen

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die psychosomatische Medizin, der sich immer mehr HNO-Ärzte zuwenden. Genauer gesagt handelt es sich um das so genannte biopsychosoziale Modell zum Verständnis von Krankheit, das - vereinfacht gesagt - sowohl biologische als auch psychologische sowie soziale Faktoren der Krankheit berücksichtigt.

"Es geht dabei nicht einfach darum, hinter körperlichen Symptomen nach seelischen Ursachen zu suchen, obwohl es diese in manchen Fällen geben mag. Vielmehr sind körperliche, seelische und soziale Faktoren so komplex miteinander verwoben, dass kaum ersichtlich ist, welche Faktoren ursächlich und welche zu den Wirkungen zu zählen sind", so Gerhard Friedrich von der HNO-Universitätsklinik Graz.

Auf die Selbsteinschätzung der Patienten achten

Nach Ansicht von HNO-Arzt Wolfgang Luxenberger aus Frohnleiten ist verschiedenen HNO-Erkrankungen überhaupt nur mit einem psychosomatischen Ansatz beizukommen. Er hat Patienten befragt, wie sie ihr Leiden einschätzen und hat herausgefunden, dass es von der persönlichen Krankheitstheorie ganz wesentlich abhängt, ob und wie sehr Patienten an der Behandlung mitarbeiten.

"Wenn beispielsweise jemand seine verstopfte Nase auf die Umweltverschmutzung in seinem Ort zurückführt, wird er eher bereit sein, eine Spüllösung zu verwenden wie jemand, der die Verstopfung auf Vererbung zurückführt und behauptet, dass bereits der Großvater und Vater darunter gelitten haben", so Luxenberger.

Ohrensausen - auch ein soziales Problem

Ähnlich bedeutend ist die Selbsteinschätzung bei Tinnitus-Patienten. Luxenberger: "Viele haben überhaupt kein Problem damit, mit gelegentlichem Ohrensausen zu leben. Aber wenn sie aus den Medien erfahren, wie schrecklich sich Tinnitus auswirken kann, befürchten sie, dass der gelegentliche Ton in ihrem Ohr der Anfang vom Ende des Hörvermögens sein könnte. In vielen Fällen genügt es dann, nach einer ohrenärztlichen Abklärung der Beschwerden die Patienten zu beruhigen".

"Bin ich verrückt?"

Die Kehrseite des einfühlenden Gesprächs mit Patienten: "Die Patienten wenden sich ja an einen speziell ausgebildeten Organmediziner, der das Problem in ihrem Ohr oder Hals behandelt. Wenn sie nun erfahren, dass ihr Leiden auch eine seelische Komponente aufweist, reagieren sie befremdet und sind der Meinung, dass sie der Arzt für verrückt hält. Dies besonders dann, wenn zur weiteren Behandlung auch Psychologen oder Psychotherapeuten eingeschaltet werden. Das macht es schwierig, den ganzheitlichen psychosomatischen Ansatz anzuwenden", sagt Gerhard Friedrich.

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 3. März 2008, 19:05 Uhr