Wien ist anders
Blauer Dunst und braune Häufchen
Die Gemeinsamkeiten von Rauchen und Hundeexkrementen reichen weit über das Olfaktorische hinaus: Sie verdeutlichen regionale Besonderheiten und menschliche Verhaltensformen. Wien ist aber diesbezüglich entschieden anders als Italien!
8. April 2017, 21:58
Ich rauche seit ungefähr acht Jahren nicht mehr, bin aber keine Nichtraucherin. Denn Nichtraucher sind Menschen, die garantiert nie Gusto auf eine Zigarette haben, wenn sie zum Beispiel sitzen und schreiben oder mit netten Leuten ein Glas Wein trinken. Wie fein wäre es, jetzt zu rauchen! Das Schnappen des Zippofeuerzeugs, die Geste des Anzündens, den Rauch in den Himmel blasen - so viele ungeheuer cool wirkende Posen sind mit Rauchen verbunden. Stellen Sie sich James Dean lässig neben seinem Rennwagen lehnend vor, einen französischen Chansonnier am Mikrofon oder die entspannt ihren Schlummertrunk genießende Karrierefrau an der Bar, ohne eine Zigarette im Mundwinkel oder zwischen den Fingern. Da fehlt doch etwas?
Viele der nicht mehr Rauchenden kauen Kaugummi. Mein Zahnarzt behauptet, dass sei gut für die Mundhygiene. Wer sich aber jemals Kaugummi kauend im Spiegel gesehen hat, tut es nur noch, wenn er allein ist oder im Finstern. Bald wird aber alle Welt nur noch Kaugummi kauen, denn das Rauchen wird global Zug um Zug verboten. Die USA machen es uns vor: Waffen tragen ja, bei Wutanfällen Dutzende Menschen niedermähen, kein Problem, wenn der Schütze nur nicht raucht.
Alle Weltstädte werden rauchfrei sein, nur Wien ist anders und die Dritte Welt. In der Dritten Welt betäubt man mit Zigaretten das Hungergefühl, in Wien ist Rauchen Sport, so wie das Liegenlassen der Hundstrümmerln. Beides kommt zum Beispiel in Italien nicht mehr vor, dort bringt man zwar keine entsprechende Regierung zustande, aber selbst die elegantesten Venezianerinnen bücken sich und heben mit dem bewussten Sackerl die Hinterlassenschaften der Hundeverdauung auf. Auch die Sache mit den Nichtraucherlokalen haben die Italiener radikal gecheckt. Kaum ist die Hauptspeise gegessen, erheben sich Leute, ziehen den Mantel an, umfassen mit der hohlen Hand ihr bauchiges Rotweinglas und gehen hinaus.
Draußen ist die Markise als Wetterschutz heruntergelassen, die Terrassenheizung verbreitet ihr blaues Licht, Aschenbecher warten. Man unterhält sich blendend, knüpft neue Kontakte, tauscht sich über Schikanen der Nichtraucherlobby aus. Drinnen im Lokal wissen die Zurückgelassenen nicht, was sie mit ihren Händen anfangen sollen und zupfen gelangweilt an den Servietten.
In Wien hat man sich, typisch österreichisch, vor einer radikalen Lösung gedrückt, man schafft unter bestimmten Umständen Nichtraucherzonen. Das geht zum Beispiel so: Im Wiener Café Prückel am Abend, sehr gemütlich, total überfüllt, nur ein freier Tisch, winzig, am Ende der langen Kuchentheke hingequetscht. Niedersetzen erfordert Schlangenmenschenqualitäten. Dieser winzige Tisch ist nicht nur der einzig freie, sondern auch der mit dem Nichtraucherzeichen. Rundherum wird fröhlich gequalmt, was mich ja nicht stört, im Gegenteil, wenigstens kann ich ein wenig mitrauchen. Aber warum das Schild für einen Quadratmeter rauchfreie Zone? "Nehmen Sie das doch bitte weg" schlage ich dem Ober vor, um Platz für den Teller zu haben. Nein, das Schild müsse da stehen, weil neben der Kuchentheke nicht geraucht werden darf, sagt er streng. Ob das der Rauch vom Nebentisch auch weiß, frage ich den Ober nicht, er hat sich schon mit der Speisekarte nicht ausgekannt.
Ist Ihnen eigentlich auch schon aufgefallen, dass in Wien die größten Hundehaufen in unmittelbarer Nähe der bewussten Sackerl-Automaten liegen?