Von Teufelsfiedlern und Trollen

Bockhörner, Maultrommeln und Hardangerfiedeln

Vielleicht macht kein westliches Land mehr für seine traditionelle Musik als Norwegen. Festivals, zahlreiche junge Musiker und Musikerinnen und eine unüberschaubare CD-Produktion zeugen davon - und von einer reichen Volksmusik.

Norweger sind Individualisten. Man hat es ja geahnt: So unterschiedlich, so originell und persönlich ist vieles, was norwegische Musikerinnen und Musiker in die Welt setzen. Und oft steht dabei die Volksmusik Pate - auch bei Produktionen im Bereich Jazz oder Pop, die das Land mit seinen gerade viereinhalb Millionen Einwohnern in erstaunlicher Menge exportiert. Und beim Besuch vor Ort wird die Vermutung eindrucksvoll bestätigt. Sogar das Genre des Folk Metal blüht in Norwegen.

Lokalstolz statt Nationalromantik

"Die norwegische Volksmusik gibt es nicht!" Mit diesem Satz wird der Besucher konfrontiert, von Fiedlern, Sängerinnen und der Tänzerin Randi Skeie, Vorsitzender des größten Vereins norwegischer Volksmusiker mit Tausenden Mitgliedern. "Es gibt nur Musik aus Telemark, aus dem Setesdal, dem Gudbrandsdal oder von der Westküste - es gibt in der Musik starke Dialekte, wie in der Sprache."

Das Bewusstsein für lokale Eigenheit (und der Stolz darauf) ist uralt - und zugleich jung: Die Folklorebewegung der 1970er Jahre bewirkte in Norwegen eine Renaissance der Volksmusik - und ihre Umdeutung. Nicht mehr ihre staatstragende symbolische Bedeutung steht im Vordergrund, wie in der Nationalromantik eines Edvard Grieg und seiner Nachfolger. Sondern die hartnäckige Behauptung regionaler Traditionen - heute würde man hinzufügen: zur Zeit der Globalisierung.

Bockhorn, Maultrommel, Langeleik

Es sind Traditionen, die sich nur mündlich weitergeben (oder auf Tonträger und Video aufzeichnen) lassen. Dazu gehören nicht nur für heutige Mitteleuropäer exotische Instrumente: Bockhörner, Lur (ein kleineres Alphorn), das zitherähnliche Instrument Langeleik, die Maultrommel und allen voran die Hardangerfiedel.

Es gehören auch wichtigen Nuancen dazu, die sich in keinem Notensystem festhalten lassen: Die rhythmischen Abweichungen von Tal zu Tal, genaugenommen von Dorf zu Dorf; oder die Intervalle und Stimmungen der Instrumente, die ebenfalls von Ort zu Ort variieren - und vom uns gewohnten Tonsystem deutlich abweichen. So ist auch für Nachwuchs-Musiker und Musikerinnen das Lernen von den alten Spielleute (spelemenn) unverzichtbar. Doch die Ausbildung hat sich völlig gewandelt: Heute wird Volksmusik als Studienrichtung angeboten, an der Hochschule in Oslo, der Universität Bergen oder der Ole-Bull-Akademie für Volksmusik in Voss. Auch hier ist oberstes Prinzip, die Studierenden von alten Musikern und Musikerinnen in ihrer Heimatregion lernen zu lassen, erklärt der Leiter der Akademie, Gunnar Stubseid.

Die Fiedel des Teufels
Die "neuen" Volksmusiker sind typischerweise gut ausgebildet und kennen außer Volksmusik auch klassische oder zeitgenössische Musik. Doch zu den traditionellen Aufgaben der Spielleute gehören auch ihre sozialen Funktionen: Natürlich das Aufspielen bei Festen und Gesellschaftsereignissen, aber auch das Erzählen von Geschichten, die mit den Stücken verbunden sind. Manche werden von den Musikern hinzugefügt, manche sind seit Generationen (mehr oder weniger) unverändert, in manchen davon spielen Trolle und andere vorchristliche Phänomene eine Rolle.

Besonders die Hardangerfiedel wurde immer wieder mit dem Teufel assoziiert - wie in dem Stück Fanitullen, vom Teufel, der die Geige verkehrt herum spielt, worauf ein Streit bei der Hochzeitsgesellschaft mit einem Toten endet. Der protestantischen Kirche Norwegens erschien die Hardangerfiedel selbst als teuflisch und sie versuchte sie sogar zu verbieten, erzählt die norwegisch-österreichische Geigerin Ismene Weiss, zum Teil in Norwegen aufgewachsen und selbst Hardanger-Fiedlerin. Erfolglos: Heute wird sie von Tausenden gespielt und die Volksmusik erscheint in Norwegen lebendiger denn je, in all ihren regionalen und persönlichen Abwandlungen. Norweger sind Individualisten.

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 3. März bis Donnerstag, 6. März 2008, 9:45 Uhr

Mehr dazu in oe1.ORF.at

Links
Ole Bull Akademie
Norsk folkemusikkformidling
Folkemusik.no
Norwegen - Interview mit Ismene Weiss