Macht und Musik
Rückkehr nach Dresden
Vor 75 Jahren vertrieben organisierte Proteste den Dirigenten Fritz Busch aus der Dresdener Staatsoper. Vor 65 Jahren fand in Berlin die Uraufführung von Othmar Schoecks "Das Schloss Dürande" statt. Zwei Episoden der NS-deutschen Kulturgeschichte.
8. April 2017, 21:58
Uraufführungs-Ausschnitt von "Schloss Dürande"
"Macht und Musik - Politik und Ästhetik" betitelt die Dresdner Semperoper eine Veranstaltung, mit der am 7. März 2008 an den 75. Jahrestag der Vertreibung von Fritz Busch aus seinem Amt als Generalmusikdirektor der Staatsoper Dresden gedacht wird. "Zehn Jahre lang stand er hundertmal jährlich am Pult der Staatsoper, hat in Dresden Operngeschichte gemacht, hat 'Intermezzo' uraufgeführt und 'Ägyptische Helena' und als Quittung haben ihn die Nazis zur Oper herausgegröhlt", schreibt etwa die Sopranistin Maria Stader in ihren Lebenserinnerungen.
Die jüngste Premiere an der Semperoper, am 10. Februar 2008, galt der hochexpressiven, wilden, selten gespielten Kleist-Vertonung "Penthesilea" des Schweizer Komponisten Othmar Schoeck, und damit einem Werk, dessen Uraufführung Fritz Busch 1927 mit großem persönlichen Engagement in Dresden durchgesetzt hatte. Als Busch 1933 in Dresden, vom Mob niedergebuht, von "seinem" Orchester im Stich gelassen, resignierte und ins englische Exil ging, wer hätte da geahnt, dass sich auch die Kulturpolitiker im NS-Deutschland einmal mit einer Schoeck-Opernpremiere brüsten würden? Nicht lang allerdings...
Ein Kniefall vor den Nazis?
1943 war es, da kam an der Berliner Staatsoper "Unter den Linden" "Das Schloss Dürande" von Othmar Schoeck zur Uraufführung. War der Meister so vieler feinsinniger, nach innen gekehrter Lieder, plötzlich zum Nazi geworden? Hermann Burte war für diesen Anlaß Schoecks Librettist, einer, der jede Menge "völkischer" Propaganda-Literatur verfasst hatte. Der Komponist baute darauf, zwar via Burte an deutsche Bühnen heranzukommen, die Joseph-von-Eichendorff-Vorlage, die noch dazu vor dem Hintergrund der französischen Revolution angesiedelt ist, aber dennoch gegenüber allem politisch "Aktuellen" zu verteidigen.
Ein Graf Armand verliebt sich in Gabriele, die "bürgerliche" Schwester eines seiner Untergebenen - das klassische Tenor-Sopran-Paar, dem bald der sich eifersüchtig gegen die Verbindung stemmende Bariton Renald hinterdrein jagt. Armand lässt nicht von Gabriele, die man zunächst ins Kloster schickt, die später als Gärtner getarnt nahe Paris lebt, wo schon die Revolution tobt. Der düstere, nach Vernichtung gierende Renald schließt sich den Revolutionären an und ist auch dabei, wenn Armands Familienschloss Dürande verwüstet wird. Gabriele, die die Angreifer von ihrem geliebten Armand ablenkt, wird bei diesem Angriff tödlich verwundet. Zu spät erkennt Renald, dass seine Eifersucht auf den vermeintlichen "Verführer" Armand grundlos war. Er sprengt sich mitsamt dem Schloss in die Luft.
Karl Böhm lehnt Uraufführung ab
Die längst gleichgeschaltete Universal-Edition in Wien verlegte "Das Schloss Dürande", Anton Webern, auf der Suche nach Brotarbeiten, fertigte den Klavierauszug, und nachdem Karl Böhm, in Dresden Fritz Buschs Nachfolger, das Stück zur Uraufführung abgelehnt hatte, griff die unter der Patronanz von Hermann Göring stehende Berliner Staatsoper zu.
Die Besetzung, die man unter der Leitung von Robert Heger zusammenbrachte - unter anderem der Tenor Peter Anders und die Sopranistin Maria Cebotari -, war außerordentlich, das Publikum enthusiastisch, bis zu den letzten Augenblicken der Oper, als die Explosion des Schlosses Dürande derart realistisch gelang, dass viele Leute aufschrien, weil sie sie für einen Bombentreffer hielten - 1943, da waren die alliierten Bomber ja bereits über Berlin.
Hermann Göring protestiert
Dass danach Göring dem Berliner Intendanten Hermann Tietjen ein wütendes Telegramm schrieb, entlastet das die Autoren? "Habe soeben das Textbuch (…) gelesen. Es ist mir unfassbar, wie die Staatsoper diesen aufgelegten Bockmist aufführen konnte. Der Textdichter muss ein absolut Wahnsinniger sein." Und so weiter, noch etliche Zeilen.
Dagegen eine Stellungnahme des Schweizer Botschafters in Berlin, vom Uraufführungstag, 1. April 1943: "Das Stück mit dem tragischen Ausgang, der Zerstörung des Alten, der Angehörigen, des vermeintlichen Gegners, aus totalem Ehrgefühl, aus krankhafter Übersteigerung an sich guter Eigenschaften, also die Katastrophe der Totalität, sie ist ein Spiegel von dem, was heute in Deutschland geschieht."
Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 6. März 2008, 15:06 Uhr
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