Alles halb so schlimm
Cool it!
Sollten wir uns nicht dringlicher um sterbende Aids-Kranke und um Hochwasserschutz kümmern als um den Klimawandel, fragt der dänische Politologe und Statistiker Bjorn Lomborg. Er meint, der Klimwandel sei bei weitem nicht so schlimm wie kolportiert.
8. April 2017, 21:58
Dass der Klimawandel eine Bedrohungen für die Menschheit darstellt, darüber herrscht Konsens. Worüber man sich nicht einig ist, ist das Ausmaß der Katastrophe. Untergangspropheten sehen bereits große Teile der Erde überschwemmt und von verheerenden Hurrikans verwüstet.
Und dann gibt es einige wenige, die das Ganze nicht so schwarz sehen wollen. Björn Lomborg zum Beispiel. Er, der in seinem neuen Buch dazu rät, trotz Klimawandels einen kühlen Kopf zu bewahren, gilt vielen Umweltbewegten als personifizierter Gottseibeiuns. Denn dort, wo viele hysterisch werden, ist er analytisch. Dort, wo andere religiöse Metaphern verwenden, agiert er mit Zahlen, Daten, Fakten.
Die Sache mit den Eisbären
Zum Beispiel, wenn es um das Aussterben der Eisbären geht. Spätestens seit dem kleinen Knut in Berlin gilt der Eisbär ja als Maskottchen des Klimawandels. Kann man mit kaltem Herz zusehen, wie diese kuscheligen Tiere aussterben, bloß weil wir Menschen unsere Treibhausgase nicht in den Griff bekommen? In jüngster Zeit seien zahlreiche Eisbären durch Ertrinken ums Leben gekommen, meint zum Beispiel Al Gore. Und in einer WWF-Erklärung hieß es:
Eisbären werden ein abgeschlossenes Kapitel der Naturgeschichte sein, eine Tierart, die unseren Enkelkindern nur noch in Büchern begegnet.
Björn Lomborg hat sich die Statistiken angesehen und gibt Entwarnung. Von 20 unterscheidbaren Unterpopulationen seien nur eine oder zwei zurückgegangen; die Hälfte der anderen Populationen war stabil und zwei andere Unterpopulationen verzeichneten sogar einen Zuwachs. Und der Clou der Geschichte: Die beiden kleiner werdenden Unterpopulationen findet man in Gebieten, in denen es in den vergangenen 50 Jahren kälter geworden ist, während die zunehmenden Populationen dort zu beobachten sind, wo es wärmer wurde. Die am besten erforschte Eisbärenpopulation lebt an der Westküste der Hudson Bay. Über den Rückgang dieser Population um etwa 20 Prozent ist in den Medien viel berichtet worden.
Nicht erwähnt wurde aber, dass jährlich 300 bis 500 Eisbären abgeschossen werden. Die durchschnittliche Abschussquote an der Westküste der Hudson Bay liegt bei 49 Bären. Selbst wenn man der Geschichte vom Niedergang Glauben schenken will, bedeutet das, dass wir pro Jahr 15 Bären durch die globale Erwärmung verloren haben, jedoch 49 durch die Jagd.
Stark übertriebene Behauptungen
Björn Lomborg macht anhand dieser Geschichte über die Eisbären drei Phänomene aus, die sich durch den gesamten Diskurs über die Klimaerwärmung ziehen. Erstens bekommen die Menschen fast ausnahmslos grob übertriebene und emotional gefärbte Behauptungen zu hören. Zweitens wird immer nur der negative Aspekt der Klimaerwärmung betrachtet. So weist Lomborg nach, dass viele Spezien vom Klimawandel durchaus begünstigt werden. Und drittens führe die Konzentration auf die Beschränkung des Ausstoßes von Treibhausgasen zu falschen Lösungen.
Dass es billigere und bessere Lösungen gibt, um die Effekte der Erderwärmung abzuschwächen, davon ist Lomborg überzeugt. Und er illustriert das am Beispiel der urbanen Wärmeinseln. Dass es in den Städten im Sommer heißer ist als am Land, das weiß jeder, der im August schon mal in einer Metropole war. Das liegt an den fehlenden Grünflächen ebenso wie am großen Anteil schwarzer Asphaltfläche und Hitze absorbierender dunkler Gebäude.
Es mag komisch wirken, aber eine der wichtigsten Lösungen ist sehr einfach umzusetzen: Streicht Teerflächen und Gebäude weiß an! Steigert die allgemeine Rückstrahlungsfähigkeit und den natürlichen Schatteneffekt von Gebäuden, dann lässt sich ein großer Teil des Wärmestaus vermeiden.
Penible Recherchen
Björn Lomborg stellt die Erderwärmung außer Streit. Was er aber anzweifelt, sind die Horrorzahlen, die durch die Medien schwirren. Die Gletscher schmelzen! Kann schon sein, meint Lomborg, aber das taten sie vor Hunderten Jahren auch schon. Nur um dann wieder zuzunehmen. Der Meeresspiegel wird steigen! Auch das akzeptiert Lomborg. Nur spricht er nicht von fünf oder sechs Metern, sondern bezieht sich auf einen Bericht der Vereinten Nationen, der davon ausgeht, dass der Meeresspiegel im Laufe dieses Jahrhunderts um 29 Zentimetern ansteigen wird. Und diesem Anstieg könne man mit moderner Dammbauchtechnik relativ einfach Herr werden, ist Björn Lomborg überzeugt.
Nicht weniger als 70 Seiten Anhang hat dieses 270 Seiten starke Buch. Das belegt, wie penibel Lomborg ans Werk geht. Er hält nicht viel von Vermutungen und Ängsten. Und genauso suspekt sind ihm die großen Erlösungsfantasien. Warum einem nicht erreichbaren Ziel - wie der Senkung des Ausstoßes der Treibhausgase - nachhängen, wenn es viele einfachere, pragmatische Lösungen gibt; Lösungen, die weniger kosten, dafür aber effektiver sind.
Einen vernünftigen Dialog fordert der dänische Wissenschafter ein, einen, in dem nicht Furcht, Schrecken und Katastrophen jegliche kritische Auseinandersetzung mit dem Thema verunmöglichen. "Cool it!" ist ein erster Schritt in diese Richtung. Es bleibt zu hoffen, dass es nicht der letzte sein wird.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Bjorn Lomborg, "Cool it!", aus dem Englischen übersetzt von Werner Roller, DVA Verlag