Vermögensentzug und "Wiedergutmachung" - Teil 3

Im Dschungel der Rückstellungen

Wie kann das Unrecht, das durch die Enteignungen nach dem Anschluss im Jahr 1938 entstand, wieder gut gemacht werden? Die Zweite Republik hat Maßnahmen zur Rückstellung und Entschädigung oft nur halbherzig und teilweise zögerlich gesetzt. Und heute?

Betrachtet man die Geschichte der Rückstellungen und Restitutionen seit 1945, so zeigt sich, dass das ungeheure Ausmaß des Vermögensentzugs immer wieder unterschätzt worden ist.

Eine weitere Problematik sei die Unübersichtlichkeit der Entschädigungsmaßnahmen, sagt die Historikerin Brigitte Bailer, ehemalige Vorsitzende der Historikerkommission: "Es gab sieben Rückstellungsgesetze, das Opferfürsorgegesetz, drei Hilfsfonds, Entschädigungsbestimmungen im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, das Beamtenentschädigungsgesetz - daran sieht man, wie unübersichtlich die Sache war, vor allem für die Opfer!"

Viele der Opfer leben (oder lebten) durch die Vertreibung im Ausland und kamen nur schwer an Informationen heran. Viele versäumten die jeweiligen Antragsfristen.

Washingtoner Abkommen und Entschädigungsfonds

Am 17. Jänner 2001 wurde zwischen Österreich, den USA und Opfervertretern das sogenannte Washingtoner Abkommen geschlossen. Es bildet die Basis für das Entschädigungsfondsgesetz. Dessen Ziel war es - wieder einmal - Lücken in der Entschädigungs- und Restitutionsgesetzgebung zu schließen.

Noch 2008 sollen Restzahlungen angewiesen werden

Insgesamt wurden beim Allgemeinen Entschädigungsfonds 20.641 Anträge in verschiedenen Kategorien des Vermögensentzugs gestellt. Mit Stichtag 4. März 2008 waren davon 18.996 fertig bearbeitet, 17.675 entschieden und 9.680 zur Auszahlung angewiesen. Obwohl es also noch einige nicht entschiedene Anträge gibt, soll noch heuer mit den ausständigen Restzahlungen begonnen werden, kündigt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die Kuratoriumsvorsitzende des Entschädigungsfonds, im Ö1 "Radiokolleg"-Interview überraschend an.

Angesichts des fortgeschrittenen Alters der Betroffenen müsse jetzt rasch gehandelt werden, so Prammer. Da die Gesamtsumme im Fonds mit 210 Millionen US-Dollar limitiert ist, hätte die Gesamtauszahlung ursprünglich erst nach Bearbeitung aller Anträge beginnen können. Bislang erhalten die Betroffenen, deren Anträge entschieden sind, eine Vorauszahlung von zehn Prozent der ihnen zugesprochenen Gesamtsumme. Insgesamt werden die Betroffenen jeweils nur rund 13 Prozent der errechneten Gesamtschadenssumme erhalten.

Zu wenig Geld im Topf

Erst Ende 2005, nachdem Rechtssicherheit eingekehrt war, konnte der Entschädigungsfonds mit den Vor-Auszahlungen beginnen. Für viele der hochbetagten Opfer kam das zu spät. Eine riesige Enttäuschung ist heute auch zumeist die Höhe der zugesprochenen Entschädigung, weiß Ingo Zechner von der Anlaufstelle der israelitischen Kultusgemeinde.

Von Anfang an sei klar gewesen, dass der Fonds zu niedrig dotiert sei, meinen die Experten. Es seien immer wieder nur Gesten, die Österreich gesetzt habe und setze, sagt Nationalratspräsidentin Barbara Prammer: "Wenn ich heute sehe, dass wir mit den 210 Millionen Dollar wahrscheinlich nicht viel mehr als zwölf Prozent der vom Antragskomitee festgestellten Antragssumme entschädigen werden können, dann wird uns erst das Ausmaß dessen klar, was den Menschen weggenommen wurde!"

Kritik an den Fonds-Entscheidungen

Doch nicht nur die Höhe der zugestandenen Entschädigungen ist für die Antragsteller eine Enttäuschung. Viele verstünden einfach nicht, was ihnen vom Fonds geschrieben werde, so Ingo Zechner, wie Bewertungen und Entschädigungssummen zustande kämen.

Die Entscheidungen seien für die Opfer völlig unübersichtlich, kritisiert auch die Historikerin Eva Blimlinger. Diese Kritik könne sie nicht nachvollziehen, kontert Fonds-Generalsekretärin Hannah Lessing, die Entscheidungsgrundlagen würden offen gelegt und darüber hinaus könnten die Antragsteller alle Dokumente anfordern.

Es gibt keine Wiedergutmachung

Eines ist klar: Was geschehen ist, kann mit Geld nicht wieder gut gemacht werden. Und es ist nicht auszuschließen, dass auch mit dem Allgemeinen Entschädigungsfonds noch nicht alle potenziellen Ansprüche erledigt sind. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer sagt: "Recht muss Recht bleiben. Es ist klar, dass wir noch vieles vor uns haben, was wir noch gar nicht einschätzen können!"

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Raub und Rückgabe
Der Raub der Bilder

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag 10. März, bis Donnerstag, 13. März 2008, 9:05 Uhr

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