US-Soldaten sorgten für Blutbad
Das Massaker von My Lai
Am 16. März 1968 wurde ein Dorf nordöstlich von Saigon zum Inbegriff des schmutzigen Krieges. US-Soldaten, angeblich auf der Suche nach Vietcong-Kämpfern, töteten 500 Männer, Frauen, Kinder. Vertuschungsversuche waren letztlich erfolglos.
8. April 2017, 21:58
Die Sonne geht gerade am südchinesischen Meer auf, als die US-amerikanischen Kampfhubschrauber das kleine Dorf erreichen - My Lai, 540 Kilometer nordöstlich von Saigon.
Am 16. März 1968 stürmen US-Soldaten der "Charlie Company" My Lai auf der Suche nach Angehörigen der nordvietnamesischen Armee. Drei Stunden später sind 504 Dorfbewohner tot.
Armeefotograf dokumentiert Massaker
Phan Thamh Cong überlebt. Er ist elf Jahre alt, als das Massaker in My Lai verübt wird. Der Armeefotograf Ronald Haeberle begleitet die US-Soldaten unter der Führung des damals 24-jährigen Lieutenant William Calley und hält fest, wie sie Männer, Frauen und Kinder töten, Brunnen vergiften, Häuser und Lebensmittelvorräte in Brand stecken.
Die Bewohner: mit Bajonetten und Messern verstümmelt. GIs trennen ihren Opfern Ohren und Köpfe ab, schlitzen Kehlen auf und schneiden Zungen heraus - My Lai ist ein Schlachthaus.
Hubschrauberpilot hilft Vietnamesen
Einer wagt den bedrängten Vietnamesen zu helfen: Der Hubschrauberpilot Hugh Thompson landet in der Todeszone. Thompson fordert über Funk medizinische Hilfe für die verwundeten Zivilisten an und lässt 16 Vietnamesen ausfliegen. Seine beiden Bordschützen Glenn Andreotta und Lawrence Colburn halten die mordbereiten Kameraden in Schach. Thompson befiehlt zu schießen, falls Soldaten der Charlie Company versuchen, die Rettungsaktion zu verhindern.
Den US-Militärs gelingt es zunächst, das Verbrechen zu vertuschen. 18 Monate vergehen, bis die Vorgänge aufgeklärt werden.
Berichte in der US-Presse
Dann erscheinen im November 1969 erste Fotos und Berichte in der US-Presse - allen voran in der "New York Times". Es ist der Journalist und spätere Pulitzer-Preisträger Seymour Hersh, der als Erster vom Massaker berichtet. Studentenproteste folgen weltweit.
Vertuschung wird öffentlich
Am 31. März 1971 wird William Calley von sechs Militärschöffen zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch US-Präsident Richard Nixon begnadigt den Offizier nach kurzer Haft. Keiner der ranghohen Militärs wie zum Beispiel Colonel Henderson und General Koster, Augenzeugen des Blutbades, werden zur Verantwortung gezogen.
Die Vertuschung des Massakers durch die Armeeführung, die manipulierte Zahl der Ermordeten, die Vernichtung von Akten, die Einschüchterung von Zeugen - all das wird öffentlich - und bleibt doch folgenlos.
Der letzte Überlebende des Massakers
Phan Thamh Cong, der letzte Überlebende des Massakers, ist heute 51 Jahre alt und leitet die Gedenkstätte in My Lai. Eine Entschädigung hat er von den USA bis heute nicht erhalten.
Kaum ein anderes Ereignis hat Ende der 1960er Jahre die Weltöffentlichkeit so bewegt wie das Massaker in My Lai. Das Kriegsverbrechen besiegelt den moralischen Zusammenbruch der Vereinigten Staaten in Südostasien. My Lai wird zum Inbegriff des Vietnamkrieges.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Donnerstag, 13. März 2008, 18:25 Uhr