Die Kunsthistorikerin Viktoria Schmidt-Linsenhoff
Black is beautiful
Die Geschichte der Kunst ist mit der Geschichte der Kolonialkultur verknüpft. Diese Auffassung vertritt die Kunsthistorikerin Viktoria Schmidt-Linsenhoff. Derzeit bereitet sie sich mit einer Gruppe von Studierenden auf einen Besuch der Biennale Dakar vor.
8. April 2017, 21:58
Renata Schmidtkunz spricht mit Viktoria Schmidt-Linsenhoff
Den Slogan "Black is beautiful" prägte im Jahr 1858 der Afroamerikaner John Rock. Er war leidenschaftlicher Gegner der Sklaverei und der erste schwarze Rechtsanwalt, der am Obersten Gerichtshof der USA zugelassen wurde. "Black is beautiful" machte sich dann in den 60er und 70erJahren des vergangenen Jahrhunderts die amerikanische schwarze Bürgerrechtsbewegung zu Eigen. Aber warum musste man eigentlich so betonen, dass schwarz schön ist? Weil es die weit verbreitete Meinung gab, dass das äußere Erscheinungsbild von Schwarzen - vom Gesichtsausdruck bis zur Hautfarbe - vererbt und hässlich sei. Denn die Schwarzen waren Sklaven. Die "Weißheit - Whiteness" war und ist das Maß aller Dinge. Der weiße Blick dominiert und definiert bis heute. Ein trauriges Beispiel ist der Sänger Michael Jackson, der sein Gesicht zur Maske entstellen hat lassen, um weißer zu werden.
Viktoria Schmidt-Linsenhoff ist Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Trier. Sie erforscht seit Jahren als eine von wenigen, wie sich der Kolonialismus und sein Blick auf die kolonialisierten Völker in der Kunstgeschichte ausgewirkt haben und wie es sich heute damit verhält.
Renata Schmidtkunz: Frau Schmidt-Linsenhoff, Kunstgeschichte ist ja kein neutrales, kein objektives Fach. Kunstgeschichte kann man aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln betreiben. Sie haben sich den Blickwinkel "Aufarbeitung der Kunstgeschichte aus einer postkolonialen Perspektive" gewählt. Deutschland hat eine sehr magere koloniale Vergangenheit. Warum also dieser Blickwinkel?
Viktoria Schmidt-Linsenhoff: Ich habe eine Auffassung von Kunstgeschichte, die Kunst als Teil der Kultur sieht. Kunst ist kein völlig abgesonderter Bereich, sondern ist im weitesten Sinn auch visuelle Kultur. Es geht nicht nur um Hochkunst, sondern die Bilder, alle möglichen, auch populären Bildwelten, gehören zum Gegenstandsbereich dazu. Und dass Kultur wesentlich geprägt ist auch von Kolonialkultur und von der Tatsache der europäischen Expansion seit dem frühen 16. Jahrhundert. Die hat dazu geführt, dass die Geschichte der Kunst und die Geschichte der Kolonialkultur gleichsam ineinander verwickelt sind. Und diese Verwicklung von Kolonialkultur und visueller Kultur - oder Bildkulturen - interessiert mich. In den angelsächsischen und spanischsprachigen Ländern ist dieser Ansatz natürlich sehr viel verbreiteter, vor allem in den letzten 30 Jahren stark entwickelt, vor allem in den USA. In Deutschland nicht, da bin ich überhaupt eine der wenigen, die sich diese Fragen überhaupt stellt. Diese Auffassung, dass die europäische Kultur nur von dieser Kolonialkultur tangiert ist, wenn es große Territorien in Übersee gab, ist ganz abwegig. Es gibt einen Kolonialismus ohne Kolonien, der sich vor allem auch nach der Dekolonisierung erst fortsetzt. Und es trifft überhaupt nicht zu, dass diese koloniale Vergangenheit im späten 19. Jahrhundert (die ja in Deutschland 1918 zu Ende war) diese politische Kolonialgeschichte das allein Ausschlaggebende ist. Gerade die Abwesenheit von Territorien in Übersee führt dazu, dass das kulturelle Engagement von den frühen Entdeckern bis in die Gegenwart umso stärker ist.
Hör-Tipp
Im Gespräch, Donnerstag, 13. März 2008, 21:01 Uhr
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Buch-Tipp
Viktoria Schmidt-Linsenhoff, "Weiße Blicke. Geschlechtermythen des Kolonialismus", Jonas Verlag 2005