Herausforderung für Diagnostik und Therapie

Erreger und ihre Gegenspieler

Weltweit sterben 28 Prozent der Menschen an Infektionskrankheiten, in Entwicklungsländern ist der Anteil deutlich höher. In der westlichen Welt verändert sich das Spektrum der Infektionskrankheiten: die Menschen werden anfälliger für Infektionen.

Infektionskrankheiten sind weltweit die häufigste Todesursache. Zwischen der westlichen, industrialisierten Welt und den so genannten Entwicklungsländern gibt es aber gravierende Unterschiede: Schlechte Hygiene, fehlende Impfprogramme und mangelnde medizinische Versorgung führen dazu, dass in den Ländern des Südens fast 50 Prozent der Todesfälle auf Infektionen zurückzuführen sind. In der westlichen Welt sind es rund zehn Prozent - immerhin auch drei bis vier Millionen Todesopfer pro Jahr.

Patienten heute: älter und kränker

Ende Februar fand in Innsbruck ein Kongress von führenden Infektiologen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz statt. Medizinerinnen und Mediziner in den industrialisierten Ländern stellen fest, dass sich das Spektrum der Infektionskrankheiten verändert: Durch die Errungenschaften der modernen Medizin überleben Menschen schwere Krankheiten. Es gibt mehr alte Menschen und mehr Patienten, die Chemotherapie, Strahlentherapie oder Transplantationen hinter sich haben. Sie alle sind besonders anfällig für Infektionen.

Labiles Immunsystem

Ob es dem Körper gelingt, sich gegen einen Erreger wirksam zu wehren, das hängt nämlich von vielen Faktoren ab. Nicht nur von der Art des Erregers, sondern ganz wesentlich auch vom allgemeinen Gesundheitszustand der infizierten Person.

"Ein Patient mit gutem Immunstatus bekommt erst dann eine Wundinfektion, wenn zum Beispiel 100.000 Erreger in eine Wunde kommen. Wenn das Immunsystem geschwächt ist, genügen mitunter schon 100 Erreger, um eine Wundinfektion zu verursachen", erklärt Petra Gastmeier, Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité Berlin.

Antibiotika als Krankmacher

Sehr oft müssen diese Patienten mit Antibiotika behandelt werden. Das ohnehin schon erhöhte Infektionsrisiko steigt damit noch zusätzlich, sagt der Internist Christoph Wenisch, Abteilungsvorstand am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital: "Wenn ein Antibiotikum gegeben wird, wirkt das nicht nur dort, wo die Infektion ist. Es hat immer auch eine ökologische Nebenwirkung im Kreislauf und Darm des Patienten."

Die Darmflora wird durch die Gabe von Antibiotika massiv geschädigt, und bestimmte Krankheitserreger können sich dort leicht vermehren. Zum Beispiel das Bakterium Clostridium difficile, dessen Gift eine Darminfektion verursachen kann, die mitunter sehr schwerwiegend verläuft. In Deutschland hat sich die Zahl der Darminfektionen mit diesem Erreger zwischen 2000 und 2006 verzehnfacht.

Die Clostridium difficile assoziierte Diarrhoe ist sehr oft eine so genannte Nosokomial-Infektion - eine Infektion, die Patienten im Krankenhaus erwerben. Die problematischsten Krankenhausinfektionen sind Lungenentzündung, Wundinfektion und Sepsis.

Resistente Erreger

Krankenhausinfektionen sind aus zwei Gründen sehr problematisch. Zum einen weil sie Patienten betreffen, die ohnehin schon durch eine Krankheit oder eine Operation geschwächt sind. Zum anderen weil die Erreger, die in Krankenhäusern vorkommen sehr oft resistent gegen Medikamente sind.

"Bakterien lernen, sich gegen Wirksubstanzen zu wehren", erklärt Franz Allerberger, Facharzt für Hygiene und Mitarbeiter der AGES, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit in Wien. "Biologisch gesehen ist das ein Selektionsmechanismus. Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, umso mehr Resistenzen entwickeln sich." Die einzige Lösungsstrategie sei daher, auf jeden unnötigen Einsatz von Antibiotika zu verzichten. "Bei grippalen Infekten oder Schnupfen werden sehr oft Antibiotika gegeben, obwohl sie gegen Viren gar nicht wirken." Hier gäbe es ein großes Einsparungspotenzial, sagt Franz Allerberger, und man könnte mit einer umsichtigeren Handhabung von Antibiotika die Entwicklung von Resistenzen reduzieren.

Sepsis: mehr als eine "Blutvergiftung"

Wenn es dem Körper nicht gelingt, einen Erreger abzutöten, kann es in Folge einer Infektion zu einer Sepsis kommen. Im Volksmund wird die Sepsis oft als "Blutvergiftung" bezeichnet, und seit dem Kinderbuch von Astrid Lindgren, in dem der Knecht Alfred eine Wunde hatte, wird die "Blutvergiftung" mit einem roten Streifen assoziiert, der sich zum Herzen zieht.

Sepsis ist aber viel mehr als das: In der westlichen Welt ist Sepsis die dritthäufigste Todesursache. Krankheitserreger dringen in die Blutbahn ein und lösen dort eine Reihe von Abwehrreaktionen aus, die den gesamten Organismus schädigen können: Nieren, Leber, Lunge, Stoffwechsel, Kreislauf - sämtliche Organsysteme können von einer Sepsis betroffen sein. Die Therapie muss extrem rasch und sehr effektiv sein. Wissenschaftlich ist die Sepsis aber noch relativ schlecht untersucht, beklagten Forscher beim Kongress in Innsbruck. Große Studien über die besten Therapiemaßnahmen wären ihrer Ansicht nach dringend notwendig.

Hör-Tipp
Dimensionen, Donnerstag, 3. April 2008, 19:05 Uhr