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Europe - With or without you?

Zivilgesellschaftliches Engagement kann in Form von Spenden, einer Mitgliedschaft und aktiver Partizipation erfolgen. In Nord- und Westeuropa sind die Zivilgesellschaften stärker, als in Süd- und Osteuropa. Aber warum?

Zivilgesellschaftliches Engagement kann in Form von Spenden, einer Mitgliedschaft und aktiver Partizipation erfolgen. Bei allen Formen der Partizipation gibt es durchgängig ein Gefälle von Nordwest nach Südost. Die höchsten Beteiligungsraten finden sich in den skandinavischen Ländern und in den Niederlanden. Am schlechtesten steht es um die Beteiligung in den Mittelmeerstaaten und in den ehemaligen Ostblock-Staaten.

Hier läuft gesellschaftliche Inklusion weniger formal, weniger institutionalisiert ab. Familien, Verwandtschaft und Clans erfüllen jene Funktionen, die in West- und Nordeuropa auch von der Zivilgesellschaft übernommen werden.

Zivilgesellschaftliches Engagement

Zivilgesellschaft bezeichnet einen Bereich, der weder familiär, noch privatwirtschaftlich, noch staatlich ist. Der Sportverein, die Umweltschutzorganisation, der soziale Dienst, die Gewerkschaft und die Menschenrechtsorganisation zählen allesamt zu zivilgesellschaftlichem Engagement.

Eine Form den Begriff Zivilgesellschaft zu gliedern, ist sie in Interessensvertretungen, Freizeitorganisationen und aktivistische Organisationen einzuteilen. Damit fällt die Diskussion über die Gründe für Engagement und die Frage nach den Auswirkungen gut ausgebauter Zivilgesellschaft ein wenig leichter.

Unterschiedliche Traditionen

Soziales Engagement ist in den protestantisch oder sozialdemokratisch geprägten Staaten höher als im katholisch dominierten Mittel- und Südeuropa. Nichtsdestotrotz findet sich Österreich, als Ausnahme unter den katholischen Ländern, bei fast allen Partizipationsformen im vorderen Mittelfeld.

Claire Wallace von der Universität Aberdeen in Schottland meint, dass Österreicher daher glücklich seien. Denn, so hat die Soziologin herausgefunden, Zivilgesellschaft macht froh und zufrieden - mit dem eigenen Leben und mit der Gesellschaft im Allgemeinen.

Eintrittsbarrieren zur Zivilgesellschaft

Die an der Wirtschaftsuniversität präsentierten Forschungsergebnisse des CINEFOGO Netzwerks (Civil Society and New Forms of Governance in Europe) bekräftigen bereits bekannte Theorien. Etwa, dass es Eintrittsbarrieren zur Zivilgesellschaft gibt und dass diese nicht für alle gleich hoch sind.

Vor allem Wohlhabende und Gebildete haben es leichter und beteiligen sich vielfältiger. Das fanden die Ökonomin Karin Heitzmann und die Soziologin Stefanie Bixa, beide sind an der Wirtschaftuniversität Wien tätig, heraus. Ihre Untersuchung bestätigt die These des Soziologen Pierre Bourdieus, dass es eines gewissen Grades an Ressourcenausstattung bedarf, um beim Spiel teilnehmen zu können.

Wer also nicht das richtige soziale Netzwerk hat, bleibt draußen. Ebenfalls sehr wichtig ist der Glaube daran, etwas bewegen zu können. Denn wenn das Vertrauen in die Effizienz zivilgesellschaftlicher Institutionen nicht vorhanden ist, bleibt auch das Engagement aus.

Ist Zivilgesellschaft ein Luxus?

Der eindeutige Befund des CINEFOGO Netzwerks, dass sich (Wohlfahrts-)Staat und Zivilgesellschaft nicht ersetzen, ist neu. Die von wirtschaftsliberaler Seite oftmals vertretene These, dass der starke Staat zivilgesellschaftliches Engagement substituiert, ja sogar verdrängt, findet keine empirische Unterstützung. Das Gegenteil ist wahr: Je ausgebauter der Sozialstaat, je höher die Staatsquote und je höher der Anteil der öffentlich Bediensteten, desto stärker ist auch das Engagement der Bürger und Bürgerinnen ausgeprägt. Dies zeigt sich zumindest im europäischen Vergleich.

Ist Zivilgesellschaft also gar ein Luxus, den man sich nur in gut ausgebauten Wohlfahrtsstaaten und florierenden Ökonomien leisten kann? Die Antwort lautet: Nein. Denn in armen und wenig entwickelten Ländern findet man durchaus auch starke Zivilgesellschaften.

In Nicaragua etwa, berichtet John Levers vom City Research Center an der University of the West of England, der die Zivilgesellschaften von Nicaragua, Bulgarien und Großbritannien verglichen hat. In Nicaragua ist die Notwendigkeit die Triebkraft für soziale Partizipation. Im Vergleich dazu fehlt es im weiter entwickelten Bulgarien an der Tradition des institutionalisierten, so John Levers.

Die "Schule der Demokratie"

Warum wollen Regierungen, dass es starke Zivilgesellschaften gibt? Warum will die EU, dass die Zivilgesellschaft in Europa gestärkt wird? Einerseits, weil Zivilgesellschaft als "Schule der Demokratie" gesehen wird, als Möglichkeit für Menschen ihre Interessen zu vertreten, Verantwortung zu übernehmen und sich in sozialen Gefügen zu Recht zu finden. Andererseits, weil Zivilgesellschaft als wachstumsfördern gilt, als Motor der Wirtschaft. Dazu gab es viele Untersuchungen, unter anderem von der Weltbank. Wo es Zivilgesellschaft gibt, gäbe es mehr Vertrauen. Wo es mehr Vertrauen gibt, laufen die Geschäfte besser, investiert es sich leichter.

Dabei zeigt sich eine ambivalente Rolle von Nonprofit Organisationen. Sie vermitteln nicht zwingend durch basisdemokratische Abläufe Tugenden wie Diskurs- und Konsensfähigkeit. Gerade bei stärkerer "Verbetriebswirtschaftlichung" von Nonprofit Organisationen geht diese Wirkung verloren, so Michael Meyer, Vorstand des Nonprofit Institutes an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Nonprofit Organisationen

Zivilgesellschaft kann also auch Rückzugsort bürgerlicher Beteiligung sein. In einem Sportverein etwa wird das politische Engagement nur dann gefördert, wenn Politik ein Thema ist. Zivilgesellschaft kann demnach als politisch ungefährlicher Ort der Gewissensberuhigung dienen und damit echtes politisches Engagement verhindern, erklärt Michael Meyer.

Die EU fördert das Entstehen und den Ausbau der Zivilgesellschaft in Europa. Gleichzeitig ist immer wieder in Diskussion Nonprofit Organisationen wirtschaftspolitisch nicht nur nicht zu bevorzugen, sondern sogar zu benachteiligen.

Denn Nonprofit Organisationen haben aus wirtschaftspolitischer Sicht einen Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Unternehmen: ehrenamtliche Mitarbeit. Noch ist nichts entschieden. Michael Meyer hofft jedenfalls auf einen positiven Ausgang für die Zivilgesellschaft in Europa.

Hör-Tipp
Dimensionen, Dienstag, 8. April 2008, 19:05 Uhr