Durchbruch mit "Lucrezia Borgia"

Montserrat Caballé wird 75

Sie ist genau so, wie man sich Opernsängerinnen vorstellt, nur viel humorvoller. Und mit einer Ausnahmekarriere, die nur wenigen gegönnt ist: Belcanto-Diva und Star für die Massen. Am 12. April feiert Montserrat Caballé ihren 75. Geburtstag.

Armida, Manon Lescaut, Elisabetta

Es war einer "dieser" Tage in der Operngeschichte: 20. April 1965, in der New Yorker Carnegie Hall ist Donizettis "Lucrezia Borgia" angesetzt. Die für die Titelrolle vorgesehene Marilyn Horne sagt ab, als Ersatz kommt sie: Montserrat Caballé, und schon vor dem Finale ist klar: "a star is born"!

Danach erklärt Maria Callas sie zu ihrer einzig legitimen Nachfolgerin - Caballés Stimme sei "wie eine leichte Brise auf der Haut" -, und die Presse findet die Formel: "Callas + Tebaldi = Caballé". Die Primadonnenrollen in den Opern von Donizetti, Bellini, Rossini, für die sich ihre Stimme als so phänomenal geeignet erwiesen hat, sind ab sofort für Montserrat Caballé reserviert.

Karriere im Furioso

Dabei hat Montserrat Caballé in den fast zehn Jahren, die sie davor schon auf der Bühne stand, ganz anderes gesungen: die Arabella von Strauss, die Armida von Dvorak, Wagners "Tannhäuser"-Elisabeth, mit Wolfgang Windgassen als Partner - und angeblich 350 Mal die Donna Elvira in "Don Giovanni", ihre Gastierrolle, auf Reisen bis nach Rio de Janeiro. Basel, Bremen und ihre Geburtstadt Barcelona waren die fixen Stationen dieser frühen Laufbahn.

Die "Lucrezia Borgia" wirkte dann als Türöffner in sämtlichen internationalen Opernzentren - und für die Plattenstudios. In einem Furioso, das heutige Sänger-Blitzkarrieren lahm aussehen lässt, eroberte sich "die" Caballé dabei ein Repertoire von Norma bis "Don Carlos"-Elisabeth, von Lucia di Lammermoor bis Tosca. Sie gab alles: Weltberühmt sind ihre endlos ausgesponnenen leisen Phrasen; die Fähigkeit, sich davon übergangslos in die heftigste Attacke zu stürzen, machte sie zur Idealinterpretin der sonst fast unsingbaren Sopranpartien des frühen Verdi. Und der amüsante Vorsatz, mit 40 die Singerei sein zu lassen und nur noch für die Familie zu leben - Caballés Ehemann ist Tenor und auf einigen ihrer Aufnahmen an ihrer Seite zu hören -, war zur Freude der Fans bald vergessen.

Krisen und Triumphe

Das erste große Bangen um Montserrat Caballé dann 1974: eine Tumoroperation, die sie für Monate außer Gefecht setzte. Seit diesem Zeitpunkt ist ihre Gesundheit fragiler, als es den Anschein hat. Apropos Gewicht: Von einem Engagement bei Herbert von Karajans Salzburger Festspielen trennten Montserrat Caballé einmal genau zwölf Kilo. Sie spricht darüber mittlerweile genauso freimütig wie über die Aufs und Abs der späteren Karriere, und ihre Gabe, dabei über sich selbst zu lachen, ist zumindest so bewundernswert wie das über 20 Takte gehaltene hohe a, mit dem sie am Ende eines "Don Carlos" einmal das Publikum der Arena di Verona in Raserei versetzte.

Als die Stimme die Krisen und die Strapazen des Karriere-Aufstiegs hören ließ, verlegte sich Montserrat Caballé in den 1980er Jahren auf ausgefalleneres Repertoire, sang Salieri, Veristisches, raren Rossini in Pesaro. Und stachelte ihren Bewunderer Freddy Mercury an, ein "Barcelona"-Lied zu schreiben, das 1992 Olympia-Hymne wurde. Spätestens da kannten Monserrat Caballé dann alle: als die Sängerin, die mit Selbstironie und in wallenden Gewändern die höchsten Töne erklimmt, Inbegriff der Operndiva.

Mit 75 kein Ruhestand
Ob sich Montserrat Caballé mit 75 zur Ruhe setzen will? Aber nein! Bis vor kurzem hat sie noch neue Opernrollen einstudiert, im Plattenstudio forscht sie nach mittelalterlichen spanischen Lied-Schätzen, im Konzert tritt sie gemeinsam mit Tochter Montserrat Martí auf.

Man glaubt es ihr aufs Wort, dass sie auf der Bühne glücklich ist. Dass sie nicht in Erinnerungen lebt, sondern im Heute und Morgen, dankbar für jeden Tag. Also doch weitermachen, wie Martha Mödl, singen bis zur letzten Stunde? Montserrat Caballé lachend: "Ja, ich glaube, ich bin wie sie."

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 10. April 2008, 15:06 Uhr

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Montserrat Caballé