Eine Medienreform steht weiterhin aus

Drei Sender für Bosnien?

Bosniens öffentlich-rechtliches Mediensystem ist teuer und ineffizient: Statt das multikulturelle Land, aufgeteilt in zwei Entitäten, mit drei Sendern zu vereinen, gibt es vermehrt Anlass zu Sorge um ethnisch motivierte Vorwürfe.

Ende Mai soll Bosnien das Stabilisierungs- und Annäherungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen und damit einer EU-Mitgliedschaft ein gutes Stück näher rücken. Die Reform des ethnisch gespaltenen öffentlich-rechtlichen Mediensystems zu einer objektiven, unabhängigen und demokratischen Sendeanstalt galt als eine zentrale Vorraussetzung für das Abkommen, doch momentan bangt man um die Zukunft der kostenintensiven dreigeteilten Institution.

Drei öffentlich-rechtliche Sendeanstalten
"Das Problem der nationalen Sendeanstalt in Bosnien ist die Unklarheit darüber, wem sie eigentlich dient", beschreibt Srecko Latal vom Balkan Investigative Research Network die verfahrene Situation des BHRT, der als landesweite Sendanstalt eine Bevölkerung aus 17 Prozent Kroaten, 31 Prozent Serben und 44 Prozent Bosniern neutral informieren und gleichzeitig die Entfaltung der kulturellen Identitäten gewährleisten soll.

Im Rahmen des Dayton-Abkommens schufen deshalb primär internationale Kräfte nach Kriegsende ein dreiteiliges öffentlich-rechtliches System für die beiden Entitäten Bosnien-Herzegowina und Republika Srpska: RTF sendet im Gebiet der bosnisch-kroatischen Föderation, RTRS in der serbischen Entität Republika Srpska und die übergeordnete Anstalt BHRT-BiH im gesamten Gebiet Bosnien-Herzegowinas. Das angestrebte Modell des amerikanischen Public Broadcasting funktioniert in der Realität jedoch nicht.

Keine Basis in Bevölkerung
Während die beiden lokalen Sender in ihren Gebieten mit ihrem ethnisch zugeschnittenen Programm hohe Einschaltquoten besitzen, konnte BHRT sich nicht als Medium für alle Bevölkerungsgruppen durchsetzen. Die Berichterstattung gilt als unglaubwürdig und regierungsloyal. Zu Recht werfen vor allem Vertreter der Serben dem Sender Parteinahme vor.

"Ein Beispiel dafür ist die Abspaltung des Kosovo. Der BHRT berichtete stets in einer Weise, die klar für den Kosovo stand. Das ist für einen multiethnischen Sender nicht akzeptabel, die Serben waren wütend. Wir haben befürchtet, dass es nun auch Abspaltungsforderungen der Republika Srpska geben wird", so Latal.

Die kroatische Bevölkerung blockiert gar die finale Umsetzung des 2005 akzeptierten Gesetzes zur einer Vereinigung aller drei öffentlich-rechtlichen Institutionen und fordert einen zusätzlichen eigenen Sender im kroatischen Dialekt.

Ethnonationalismus
Für solch einen Sender ist allerdings erst recht kein Geld da: Schon jetzt ist das System hoffnungslos überschuldet, es fehlt an ökonomischer Basis für die drei Sender.

Zudem sind die sprachlichen Unterschiede marginal, etwa vergleichbar mit amerikanischem, britischem und australischem Englisch. Darin läge im Vergleich zu anderen multiethnischen Staaten auch eine große Chance, zöge sich nicht der Konflikt zwischen Ethnonationalismus einerseits und Zentralisierungsbestreben andererseits durch alle gesellschaftlichen Bereiche. Bosnien-Herzegowina, mitsamt seinem Mediensystem, ist ein primär von außen geschaffenes Konstrukt, mit dem keine der Bevölkerungsgruppen wirklich zufrieden sei, meint Latal.

Die früher aufgrund seiner ethnischen Vermischung als Leopardenfell bezeichnete Region ist heute in zu 95 Prozent ethnisch homogene Gebiete aufgeteilt. Das gilt auch für die Medienlandschaft: Jede Bevölkerungsgruppe konsumiert "ihre" Medien. Der serbische Sender RTRS, unter starker Beeinflussung von Premier Dodic, verweigerte 2007 etwa die Kooperation mit dem nationalen Sender BHT1 und verbot deren Journalisten den Zutritt zu einer Pressekonferenz. Dodic gab Journalisten keine Auskunft auf Fragen, weil sie von anderen Sendern als dem RTRS kamen.

OSZE sorgt sich um Zukunft
Diese Vorfälle, sowie die weiterhin nicht absehbare Zusammenführung der drei Sender veranlasste OSZE-Beauftragten Miklos Haraszti laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA vor kurzem zu der Warnung, die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Senders in Bosnien-Herzegowina sei ernsthaft bedroht.

Ein Problem bei der Umsetzung des dreigliedrigen Systems sieht Latal in der mangelnden Professionalität der Journalisten: Medienrechtlich gesehen, ist Bosnien weiter vorne als die meisten Länder der Region. Dennoch ist die Ethnisierung und politische Einflussnahme stark zu spüren.

Konflikte zwischen Medien und Politikern
"Die Politiker sehen es immer noch als selbstverständlich an, dass Medien ihren Interessen zu dienen haben", meint Latal.

Dass das mittlerweile auf Gegenwehr stößt, zeigte vor kurzem die Attacke eines Abgeordneten der bosnischen Regierungspartei SBiH auf einen Journalisten des oppositionsnahen Senders FTV. Sadik Bahtik behinderte dem Journalisten brutal den Zutritt zu einer Pressekonferenz, auf die er "nicht eingeladen" sei. Der Protest von 200 Journalisten und eines Großteils der Bevölkerung brachte ihn zum Rücktritt von seiner Präsidentschaftskandidatur.

Links
OSZE Medienbericht Bosnien (pdf)
FTV
RTRS
BHRT-BiH
Balkan Insight - MP Resigns over Journalist Assault

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