Warum Feminismus das Leben schöner macht
Wir Alphamädchen
Nach der "Wir sterben aus"-Debatte und Eva-Herman-Büchern schreiben nun die deutschen jungen Frauen zurück. Sie fordern einen neuen Feminismus. Ohne Männerhass und mit rasierten Beinen. Nur: Warum bezeichnen sich junge Frauen freiwillig als Mädchen?
8. April 2017, 21:58
Neugierig machte Meredith Haafs Artikel in der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit", in dem sie kompakt und frisch für einen neuen Feminismus schrieb.
Frauen und Männer sind nicht gleichberechtigt. Deshalb ist wieder mehr Feminismus notwendig. Es geht um eine Haltung, bei der sogar Männer mitmachen können. Ein Plädoyer.
Auch der restliche Artikel liest sich "locker-leicht", man ertappt sich beim zustimmenden Nicken und freut sich, dass es aufgeweckte junge Frauen gibt, die derlei Gedanken in renommierten Blättern unterbringen. Ähnliches brachte ein Jahr davor das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in einem Bericht über die "Alphamädchen".
Warum "Mädchen"?
Schon damals hinterließ das Wort "Mädchen" einen üblen, ja fast fauligen Nachgeschmack. Warum bezeichnen sich junge Frauen als Mädchen? Aus Scham? Weil es schwierig ist, eine Frau zu sein? Weil es einfacher ist, harte Wahrheiten zu sagen, wenn man sich selbst dabei verniedlicht?
Die Journlistinnen Meredith Haaf, Susanne Klinger und Barbara Streidl, alle drei zwischen 25 und 36, betiteln jedenfalls nicht nur ihr Buch mit der Anspielung auf "Alphamännchen", sondern bleiben die ganzen 247 Seiten lang beim "Wir".
Eines muss gleich zu Anfang geklärt werden: Alphamädchen sind wir alle. Nicht nur die Autorinnen dieses Buches sondern alle jungen Frauen, die mitdenken und Ziele haben, die sich für die Welt interessieren und frei und selbst bestimmt leben möchten, jede nach ihrer Art - das sind wir Alphamädchen.
Den Feminismus neu erfinden
Die Forderungen der drei Autorinnen: genauso viel verdienen wie Männer, die gleichen Aufstiegschancen, einen gleich großen Anteil an der Macht und nicht vor die Entscheidung "Kind oder Karriere" gestellt zu werden. Die Politik erscheint den Autorinnen weniger problematisch als die Einstellung ihrer Altersgenossinnen:
Viele halten Feminismus für hässlich, spaß- und männerfeindlich, ironiefrei und unsexy. Das alles wollen wir uns natürlich nicht nachsagen lassen, und deswegen streiten die meisten von uns lieber ab, irgendetwas mit "den Emanzen" zu tun zu haben.
Meredith Haaf, Susanne Klinger und Barbara Streidl wollen den Feminismus neu erfinden. Dabei wird Eva Herman mit ihrem Plädoyer für eine neue Weiblichkeit zum Anlass genommen und Alice Schwarzer für überholt erklärt. Ein guter Lösungsansatz sei das Internet. Denn dort seien alle gleich. Dass durch die Anonymität das Netz zum Paradies für Sexisten wird, wie die US-Bloggerin Jessica Valenti im britischen "Guardian" behauptet, müsse man stoppen, so die Alphamädchen.
Wir müssen endlich aufräumen mit dem nervigen Klischee, das Weibliche sei das Private. Denn diesen unendlichen, vielfältigen Raum dürfen und können wir so gestalten, wie es uns gefällt. Diese Freiheit ist kostbar und neu - wir sollten sie nutzen.
Viele Forderungen, wenig Vorschläge
In welcher Form das Netz für feministische Zwecke genutzt werden sollte, wird nicht verraten. Überhaupt fordern "Wir Alphamädchen" alle anderen "Alphamädchen" ständig dazu auf, etwas zu tun. Nämlich gegen Schlankheitswahn und für Kondome, gegen Alice Schwarzer und für enthaarte Beine, gegen die Entscheidung "Kind oder Karriere" und für die Hälfte der Macht.
Zugegeben: Einzelne Frauen haben es geschafft, sich ein Stück vom Machtkuchen zu erobern. Nur stellt sich die Frage: Warum holen sich nicht alle Frauen über die Hälfte, die ihnen zusteht?
Tja, das ist eine berechtigte Frage. Zwischen gewagter These und großer Selbstüberschätzung bewegen sich die Autorinnen von da an. Feminismus sei dazu da, allen Frauen bei allen Problemen zu helfen und alle Ungerechtigkeiten zu überwinden. Wir müssen nur alle anpacken, dann wird alles besser und bleibt gut.
Feminismus trägt zu mehr Freiheit und einer besseren Gesellschaft bei. Er macht Spaß und unser Leben interessanter, schöner, aufregender. Klar wird er uns auch viel Mühe und Ärger kosten - wie das nun mal der Fall ist bei allem, was sich lohnt. Männer haben jetzt wirklich lange genug über alles bestimmen dürfen, es ist höchste Zeit, dass wir mitmachen. Uns allen gehört die Hälfte der Welt - und zusammen können wir sie uns endlich holen.
Die unterschiedlichen Ausprägungen von Feminismen auf einen alles beinhaltenden Ausdruck zu reduzieren hat noch nie funktioniert - da hilft es auch nicht, so breit zu formulieren, dass sich hoffentlich doch alle unter 30-jährigen Frauen angesprochen fühlen.
Ein Buch für Mädchen und Buben
Antworten auf Fragen, wie man etwa das Kinderkriegen und die Karriere sehr wohl zusammenbringen könnte, liefern - wenig verwunderlich - die drei Autorinnen nicht. Wie man sich die Hälfte der Macht holt auch nicht.
Jede erwachsene Frau wird dieses Buch schnell zuklappen und ins schattige Eck ihres Bücherregals befördern. Jedem pubertierenden Mädchen wird es gut tun, es gelesen zu haben, denn allein in den 15 Seiten über die Geschichte des Feminismus erfährt man viel Wissenswertes. Und das Plädoyer für einen flotten, jungen, frischen und witzigen Feminismus kann auf keinen Fall Schaden anrichten, bei halbwüchsigen Mädchen und Buben.
Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr
Buch-Tipp
Meredith Haaf, Susanne Klinger, Barbara Streidl, "Wir Alphamädchen. Warum Feminismus das Leben schöner macht", Hoffmann und Campe
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Hoffmann und Campe - Wir Alphamädchen