Das Paradies in den Köpfen

Die Schriftstellerin Eveline Hasler

Nach ihren erfolgreichen Kinderbüchern veröffentlichte Eveline Hasler 1979 ihre erste Erzählung für Erwachsene. Die Auswahl ihrer historischen Stoffe finden ihre Ursachen stets in der Gegenwart. Hasler zählt zu den meistgelesenen Schweizer Autorinnen.

In ihren sorgfältig recherchierten Büchern geht Eveline Hasler gern den Lebensspuren anderer nach, wobei sie ein untrügliches Gespür für besondere Lebensgeschichten zeigt. "In den historischen Romanen der Eveline Hasler wird die Geschichte aus der Sicht derjenigen erzählt, die die Geschichtsschreibung gern vergisst" ist etwa im "Handbuch der deutschen Gegenwartsliteratur nach 1945" zu lesen.

Beginn als Kinderbuchautorin

Eveline Hasler wurde am 22. März 1933 in Glarus in der Schweiz geboren. Der Berufswunsch stand schon früh fest, doch Eveline Hasler beschloss, einen - wie es so schön hieß - "vernünftigen" Weg einzuschlagen.

Sie studierte Psychologie und Geschichte und war einige Jahre lang als Lehrerin tätig. Neben dieser Lehrtätigkeit in der Schule schrieb sie immer wieder auch Gedichte, Geschichten, kleine Reiseerzählungen. Und sie machte sich mit Geschichten für Kinder und Jugendliche rasch einen Namen. Mit Titeln wie "Komm wieder, Pepino", "Der Buchstabenvogel", "Die Pipistrellis", "Das Schweinchen Bobo", "Die Riesin", "Die Hexe Lakritze" gehört Eveline Hasler bis heute auch zu den erfolgreichsten Schweizer Kinder- und Jugendbuchautor/innen.

"Ich unterhalte mich gerne mit Kindern und ich rede gerne mit Erwachsenen. Genauso sehe ich mein Schreiben für Kinder und für Erwachsene", sagt Eveline Hasler, für die beides gleichwertig nebeneinander steht. "Das Schreiben für Kinder erscheint mir mitunter fast noch schwieriger", fügt sie hinzu. "Kinder sind keine Fleiß-Leser, sie lesen Bücher nur dann zu Ende, wenn sie sich wirklich vom Text angesprochen fühlen. Das zu schaffen, ist eine Kunst für sich."

Leben gegen die Norm
1979 erschien ihr erstes Buch für erwachsene Leser, die Erzählung "Die Novemberinsel". 1982 folgte dann der Roman "Anna Göldin. Letzte Hexe", der zum Bestseller werden sollte und der auch erfolgreich verfilmt wurde.

Anna Göldin, die selbstbewusste Magd, die zu aufrecht dasteht, die zu gerade blickt, die sich zu modisch kleidet, wird beschuldigt ein Kind "verstört und verhext zu haben". Sie sei von "wilder, unzähmbarer Natur". Anna Göldin wird 1782 - als letzte Frau in der Schweiz - als Hexe hingerichtet. Sie wird geköpft.

In ihrem Roman "Ibicaba. Das Paradies in den Köpfen" folgt Eveline Hasler den Spuren Schweizer Auswanderer nach Brasilien im vorigen Jahrhundert. Sie suchen die Freiheit, das Paradies - und landen in der Sklaverei. So wie bei allen Büchern erkundet Eveline Hasler die Orte, über die sie schreibt. So ist für ihren Roman "Ibicaba"auch nach Brasilien gereist.

Ein Ort, den sie für Recherchen zu ihrem Roman "Der Riese im Baum" mehrmals besucht hat, war Wien. Eveline Hasler erzählt in diesem Buch die Lebensgeschichte des Schweizer Melchior Thut. Er maß 2 Meter 34 und wurde als Riese auf Jahrmärkten vorgeführt. In Wien starb Melchior Thut am 3.August 1784, wie in der "Wiener Zeitung" vom 11.August 1784 in der Rubrik "Verstorbene zu Wien" nachzulesen ist.

Zum bislang erfolgreichsten Buch von Eveline Hasler mit vielen Auflagen wurde der Roman "Die Wachsflügelfrau. Die Geschichte der Emily Kempin-Spyri." Hasler erzählt in diesem Buch vom Leben der Pfarrhelferstochter Emily, die 1884 - gegen den Willen ihres Vaters - an der Juristischen Fakultät der Universität Zürich zu studieren beginnt. Die Mutter dreier Kinder wird zur ersten europäischen Juristin, sie richtet in New York eine Rechtsschule für Frauen ein, sie betreibt mit ihrem Mann ein Anwaltsbüro. Allen mühsam erkämpften Erfolgen zum Trotz endet das Leben der Emily Kempin-Spyri unglücklich. Sie wird schwer krank, verbringt ihre Lebensjahre in einer Baseler Anstalt für Geisteskranke, von anderen für unmündig erklärt. Am 12.April 1901 stirbt sie.

Zwischen Vergangenheit und Gegenwart
Eveline Hasler arbeitet meist drei Jahre lang an einem Buch. Da wird in Archiven und Bibliotheken recherchiert, da wird zunächst viel Material gesammelt, bis sich die Autorin an die Schreibarbeit macht. Zwischen Fakten und Fiktion gelingt dann eine Spurensuche von hoher literarischer Qualität, die Buch für Buch zu überzeugen vermag. Wobei für Eveline Hasler dieses Eintauchen in die Vergangenheit immer auch ein Reden über die Gegenwart ist. Sie habe keine Lust, einfach nur im Rückwärtsgang durch die Geschichte zu gehen.

Ein Geschenk - für aufmerksame Leser - sind auch die Gedichtbände, die Eveline Hasler immer wieder - zwischen den großen historischen Romanen- veröffentlicht. "Auf Wörtern reisen" heißt so eine Gedichtsammlung.

Wie bestürzend aktuell ihre Themen sind, zeigt sich am Buch "Der Zeitreisende. Die Visonen des Henry Dunant". Bereits 1994 erschien die Lebensgeschichte des Gründers des "Roten-Kreuzes", doch es ist ein Buch über Krieg und Frieden, wie es aktueller nicht sein könnte.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 27. April 2008, 14:05 Uhr

Buch-Tipps
Eveline Hasler, "Anna Göldin. Letzte Hexe", Benziger-Verlag; dtv

Eveline Hasler, "Ibicaba. Das Paradies in den Köpfen", Verlag Nagel und Kimche; dtv

Eveline Hasler, "Der Riese im Baum", Nagel und Kimche; dtv

Eveline Hasler, "Die Wachsflügelfrau. Geschichte der Emily Kempin-Spyri", Nagel und Kimche

Eveline Hasler, "Der Zeitreisende. Visionen des Henry Dunant", Nagel und Kimche (derzeit vergriffen), dtv

Eveline Hasler, "Die Vogelmacherin. Die Geschichte von Hexenkindern", Nagel und Kimche

Eveline Hasler, "Der Jubiläumsapfel und andere Notizen vom Tage", dtv

Eveline Hasler, "Die namenlose Geliebte. Geschichten und Gedichte", Nagel und Kimche

Eveline Hasler, "Auf Wörtern reisen. Gedichte", Pendo-Verlag

Eveline Hasler, "Sätzlinge. Gedichte" Nagel und Kimche

Eveline Hasler, "Aline und die Erfindung der Liebe", Nagel und Kimche

Eveline Hasler, "Spaziergänge durch mein Tessin", Sanssouci-Verlag

Eveline Hasler, "Der Buchstabenvogel", dtv

Eveline Hasler, "Der Buchstabenräuber", dtv

Eveline Hasler, "Die Hexe Lakritze", Arena

Hörbuch-Tipp
Eveline Hasler, "Die Felsenhöhle des jungen Hermann Hesse. Literarische Spurensuche im Tessin", gelesen von der Autorin, Deutsche Grammophon/SWR 2

Links
Nagel und Kimche - Eveline Hasler
dtv - Eveline Hasler