Die Biografien der von den Nazis verfemten Autoren

Das Buch der verbrannten Bücher

Heuer jährt sich die Berliner Bücherverbrennung der Nazis zum 75. Mal. Auf österreichischem Boden fand vor 70 Jahren, in Salzburg, ein ebensolch gespenstisches Schauspiel statt. Volker Weidermann hat die Biografien der Verfemten zusammengetragen.

Volker Weidermann im Gespräch mit Peter Zimmermann

Von März bis Juni 1933 hatten bald nach dem Regierungsantritt Adolf Hitlers Studenten, Professoren und Angehörige von NS-Verbänden zehntausende Werke jüdischer, marxistischer und pazifistischer Schriftsteller in demonstrativen öffentlichen Aktionen in Scheiterhaufen geworfen. In Berlin fand vor 75 Jahren eine zentrale Aktion "Wider den undeutschen Geist" am 10. Mai 1933 auf dem damaligen Opernplatz Unter den Linden gegenüber der Humboldt-Universität statt.

Verbrannt wurden unter anderem Bücher von Heinrich Heine, Bertolt Brecht, Franz Kafka, Karl Marx, Heinrich Mann, Alfred Döblin, Kurt Tucholsky und Carl von Ossietzky. Allein bei dieser Aktion sollen rund 30 000 Bücher in die Flammen geworfen worden sein, deren Autoren nicht in die NS-Ideologie passten.

Unter den Zuschauern des Spektakels in Berlin war auch der Schriftsteller Erich Kästner (1899-1974), dessen Bücher ebenfalls in die Flammen geworfen wurde. "Es war widerlich", erinnerte sich Kästner später, und der österreichische Autor Joseph Roth (1894- 1939), als Jude ohnehin schon ein Verfemter im Dritten Reich, schrieb über sich und seine Schicksalsgenossen: "Wir haben Deutschland besungen, das wahre Deutschland. Deshalb werden wir heute von Deutschland verbrannt!" Von den damals lebenden Autoren der verfemten Werke waren zum Zeitpunkt der Bücherverbrennung schon viele ins Ausland geflohen.

Volker Weidermann, Feuilletonchef der Frankurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat die Biografien aller 131 verfemten Autoren für sein "Buch der verbrannten Bücher" zusammengetragen. Wenn selbst ihm als Literaturwissenschaftler etwa die Hälfte aller Namen unbekannt seien, zeige das, wie nachhaltig der Versuch der Nationalsozialisten gewesen sei, diese Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen.

Im Ex-libris-Gespräch mit Peter Zimmermann spricht Volker Weidemann über das Zustandekommen dieser Liste und ihre bemerkenswert uneinheitliche Zusammenstellung.

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Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestag
Diese ebenso zweifelhafte wie nachhaltige Wirkung beklagte jüngst auch der Deutsche Kulturrat. "Ja, es ist beschämend, aber es ist die Wahrheit", viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller seien in Vergessenheit geraten, sagte dazu der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann. Die Spitzenorganisation der deutschen Bundeskulturverbände will daher mit einer bundesweiten Plakataktion "gegen das Vergessen ein Zeichen setzen" und an die damals verfemten Autoren erinnern.

Am 9. und 10 Mai, dem 75. Jahrestag der Bücherverbrennungen auf dem Berliner Opernplatz, dem heutigen Bebelplatz gegenüber der Humboldt-Bibliothek, finden in Berlin zentrale Gedenkveranstaltungen statt. Der deutsche Bundespräsident Horst Köhler spricht am 9. Mai auf einer Gedenkveranstaltung des deutschen PEN-Zentrums in der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz zum Jahrestag der Bücherverbrennung.

Unter dem Motto "Literatur auf dem Scheiterhaufen - Der Geist im Feuer" lesen die Schauspieler Günter Lamprecht und Jutta Wachowiak, die Schriftsteller Volker Braun, Ingo Schulze und Herta Müller aus Werken von Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Bertolt Brecht und anderen Autoren.

Am 10. Mai laden die Humboldt-Bibliothek, das spanische Kulturinstitut Cervantes sowie die Berliner SPD zu einer ganztägigen Gedenkveranstaltung auf dem Bebelplatz neben der Staatsoper ein. Unter dem Heinrich-Heine-Motto "...dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen" gibt es Ansprachen, Talkrunden, Vorträge, Originaltondokumente, Lieder und Lesungen aus den verbrannten Werken. Die Veranstalter erwarten dazu Tausende von Zuhörern sowie Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Wissenschaft, darunter auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind.

Bücherverbrennung in Österreich
Auch Österreich war Schauplatz solch eines schauerlichen Schauspiels. Am 30. April 1938 auf dem von Dom und Residenz begrenzten Platz in der Salzburger Altstadt hatte die einzige Bücherverbrennung auf österreichischem Boden stattgefunden. Im Zuge der Neugestaltung des Salzburger Residenzplatzes wird nun ein Mahnmal errichtet, das an die Ereignisse des Jahres 1938 erinnern soll.

Mehr zur Neugestaltung des Salzburger Residenzplatzes in oesterreich.ORF.at

Hör-Tipp
Ex libris, jeden Sonntag, 18:15 Uhr

Buch-Tipp
Volker Weidermann, "Das Buch der verbrannten Bücher", Kiepenheuer und Witsch

Link
Kiepenheuer und Witsch - Das Buch der verbrannten Bücher