Aufbegehren am Cello

Slava, der Große

Vor einem Jahr ist der in Baku geborene Cellist, Dirigent und Pianist Mstislav Rostropowitsch, von Freunden liebevoll "Slava" (russisch für Ruhm, Ehre) genannt, im Alter von 80 Jahren gestorben. Er gilt als einer der bedeutendsten Cellisten aller Zeiten.

Rostropowitsch spielt "Don Quixote" von Strauss

Wenn man die Augen schließt und an Mstislaw Rostropowitsch denkt, hat man sofort diesen unverwechselbaren Celloton im Ohr - das spannungsgeladene, machtvolle Brummen, das in der Tiefe ein bisschen grobkörnig und trotzdem herrlich warm klingt und in der Höhe in goldenes Jubilieren umschlägt. Dieser Ton, gespielt auf einem 1,5 Millionen Euro teuren Stradivari-Instrument, war Rostropowitschs untrügliches Erkennungszeichen: seine eigentliche Stimme.

Recht hat er, der deutsche Journalist Claus Spahn, zu lesen am Beginn des "Ein machtvolles Brummen" betitelten Nachrufs, veröffentlicht im vergangenen Jahr in der "Zeit".

Knurren und Sehnsucht, Sperrigkeit und unendliche Wehmut, Leidenschaftlicher Ingrimm und schwelgerischer Ton, Klangsattheit, unendliche Legatobögen und ungebärdig raues Temperament: Er hatte immer beides und gehört zu den Künstlernaturen, die nur einen Ton spielen müssen und unverkennbar sind.

"Ich bin der letzte, der noch übrig ist"

Er ist im Lauf seines unfassbar reichen Musikerlebens so vielen Musikerlegenden begegnet - Interpreten wie Komponisten -, die inzwischen lange tot sind.

Am Ende seines Lebens war er der einzig verblieben Vertreter aus einer heroischen Epoche russischer Musik. Scherzhalber meinte er: "Ich bin der letzte, der noch übrig ist. Der Grund ist einfach- ich war der jüngste von allen."

Ausweisung aus der UdSSR
Nach seiner Ausweisung aus der damaligen UdSSR 1978, für ihn die zweite Katastrophe nach der einschneidenden Erfahrung von Hunger und Kälte im zweiten Weltkrieg, gehörten ihm zwar die Konzertsäle der Welt, aber das Heimweh nach Russland brennt lange in ihm, bis 1990. In diesem Jahr hat er die russische Staatsbürgerschaft zurückerhalten.

Zuvor hatte er sich, zwei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer, mit seinem Cello in ein Privatflugzeug gesetzt und ganz spontan in der Nähe von Checkpoint Charlie ein Konzert mit Bachs Solosuiten gegeben. Er nannte es, sein persönliches "Dankgebet". Auf die Frage, ob er daran glaube, dass mit Musik die politischen Verhältnisse beeinflusst werden könnten, hat er mit folgender Anekdote ("Die Zeit" Nr.15/06) geantwortet:

Natürlich! Musik formt das Bewusstsein, sie schafft in deiner Persönlichkeit eine ganz eigene Qualität. Ein Beispiels aus meinem Leben: Ein Freund kam zu mir und sagte: "Slawa, du weißt nicht, was mir passiert ist. Einer unserer gemeinsamen Freunde hat mich an den KGB verraten! Deshalb habe ich meinen Job verloren. Dafür werde ich ihn umbringen. Ich werde ihm niemals vergeben, und wenn ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen muss." Ich musste an diesem Abend zu einem Konzert im Konservatorium und sagte zu ihm: Komm mit. Tolle Musik, Sinfonien von Beethoven oder Brahms, ich weiß es nicht mehr genau. Danach nahm ich meinen Freund mit zu mir nach Hause, gab ihm Wodka, und das Konzert wirkte nach in seinem Kopf. Ich fragte ihn: "Wen wolltest du noch mal umbringen?" Sein Feind lebt heute noch.

Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 30. April 2008, 10:05 Uhr

CD-Tipps
Mstislav Rostropowitsch, "The Russian Years 1950-1974", EMI

Mstislav Rostropowitsch, "The glory of Rostropovich. 80th birthday tribute", DG

Link
Die Zeit