Vom Ökotrend zur Massenware
Bioboom in Österreich
Kein anderer Lebensmittelbereich wächst so stark wie der Handel mit Lebensmitteln aus biologischem Anbau. Der Bedarf kann von heimischen Biobauern gar nicht gestillt werden. Für Bioprodukte sind die Österreicher auch bereit, mehr zu bezahlen.
8. April 2017, 21:58
Der Aufwärtstrend hält an.
Heute kann man in praktisch jedem Supermarkt neben konventioneller Ware auch Bio-Produkte bekommen. Markführer bei Bio-Lebensmittel in Österreich ist der Rewe-Konzern mit seiner Marke Ja!Natürlich, der inzwischen schon 650 Bio-Produkte in seinen Billa, Merkur und Penny-Geschäften anbietet. Die Marke Ja! Natürlich gibt es seit 1994: Billa und Merkur starteten als eine der ersten Supermarktketten der Welt mit rund 30 biologischen Produkten in den Bereichen Milch, Obst und Gemüse. Rewe-Österreich-Vorstand Werner Wutscher sagt, dadurch wurden Bioprodukte aus ihrer Marktnische geholt.
Die Eigenmarke von Rewe-Österreich - Ja! Natürlich - ist zur umsatzstärksten heimischen Lebensmittelmarke geworden. Auch Konkurrent Spar hat mit "Natur Pur" eine Bioeigenmarke, bei den Diskontern war Hofer Vorreiter: seit 2000 bietet das Unternehmen biologische Frischmilch an und erkämpfte sich mit seiner Eigenmarke "Natur aktiv" einen beachtlichen Marktanteil am Biomilchhandel, bei Biolebensmitteln ist Hofer bereits die Nummer Zwei hinter Rewe und noch vor Spar.
Spitzenreiter im Sortiment
Österreichs Konsumenten greifen besonders bei Eiern, Frischmilch, und Erdäpfeln zu Bio-Ware, hat die AMA, die Agrarmarkt Austria, festgestellt, und die Käufer akzeptieren dafür auch höhre Preise: Bio-Frischobst war im Vorjahr laut AMA um bis zu 65 Prozent teurer als konventionelle Ware, Bio-Eier kosten fast um die Hälfte mehr.
Von den höheren Preisen profitieren auch die Bio-Bauern, betont Rewe-Chef Werner Wutscher. Für Biomilch zahlen die Molkereien um bis zu 20 Prozent mehr als für konventionelle Milch, bei Fleisch beträgt der Biozuschlag 10 Prozent. Direkte Verträge sollen beiden Seiten Vorteile bringen, sagt Rewe-Österreich-Chef Wutscher: der Handel bekommt Versorgungssicherheit und die Bauern Abnahmegarantien.
Kritik gibt es, weil ein Teil der heimischen Bioprodukte im Ausland verkauft wird, vor allem in Deutschland, sagt Wutscher. Aufregung gab es zuletzt auch, weil Förderungen für besonders umweltfreundliche Betriebe, die am Agrar-Umweltprogramm Öpul teilnehmen, gekürzt wurden - um durchschnittlich 20 Prozent.
Weiter wachsender Markt
Insgesamt gibt es derzeit 20.000 Biobauern in Österreich, mindestens 10.000 mehr hätten noch Platz am Markt, sagen Landwirtschaftsministerium und Handel. Denn die Nachfrage nach biologischen Produkten ist ungebrochen, der Gesamtumsatz mit Bio-Lebensmitteln stieg allein im Vorjahr um 18 Prozent. Und die heimische Bio-Ware wird knapp. Deshalb wollen Landwirtschaft und Handel mehr Bauern zum Umstieg ermutigen.
Bis 2010 soll ein Fünftel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Österreich biologisch bewirtschaftet werden, derzeit sind es noch 16 Prozent. Der Landwirtschaftsminister wird dafür 8,5 Millionen Euro pro Jahr für Beratung und Vermarktung ausgeben.
Die Umstellung eines konventionellen Betriebs auf Bio-Landwirtschaft dauert zwei Jahre, und ein angehender Biobauer muss mit einer Kontrollstelle einen Vertrag unterzeichnen, sagt Rudolf Vierbauch vom Dachverband der Biobauern, der Bio Austria.
Strenge Kontrollen
Ist aber immer Bio drin, wo Bio draufsteht - und wie erkennt man Bioprodukte? Die Kennzeichnung ist für die gesamte EU in einer Verordnung geregelt, erklärt Rainer Haas, Professor an der Universität für Bodenkultur in Wien, Bioprodukte müssen etwa eine Kodenummer der Kontrollstelle haben oder eine Kennzeichnung wie "aus biologischem Anbau“. Das bekannteste Gütesiegel in Österreich ist jenes der Agrarmarkt Austria.
Biobauern müssen sich an strenge Regeln halten, die sich je nach Zertifikat unterscheiden können. Auch die Kontrollen sind streng, seitens der AMA und seitens der privaten Kontrollstellen. Also: Wo Bio draufsteht, ist also auch Bio drin, sagt Haas.
Bio-Trittbrettfahrer Hofer
Es gibt aber auch Produkte, die nur den Eindruck erwecken, Bioware zu sein. Ein Beispiel dafür ist die Öko-Marke "Zurück zum Ursprung" des Diskonters Hofer. Die Produkte sind zwar gentechnikfrei, stammen aber ausschließlich aus konventioneller Landwirtschaft, sind also im Gegensatz zu vielen anderen echten Biolebensmitteln bei Hofer, nicht aus biologischer Landwirtschaft. Laut einer Umfrage der Agrarmarkt Austria glauben allerdings 60 Prozent der Befragten, "Zurück zum Ursprung"-Waren würden aus biologischer Landwirtschaft stammen. Hofer habe sich damit zum Bio-Trittbrettfahrer gemacht, schimpft man beim Dachverband der Biobauern, und Marketingexperte Rainer Haas erklärt die Strategie dahinter: viele wollen am erfolgreichen Bioboom mitnaschen, denn kein anderer Lebensmittelbereich wächst so stark wie der Biomarkt.
Momentan stagniert das Wachstum bei den heimischen Biobetrieben. Rudolf Vierbauch, Obmann der Bio Austria, hofft, das die Politik der Branche durch ein neues Bioaktionsprogramm neue Impulse geben wird.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 2. Mai 2008, 9:45 Uhr
Links
Bio Austria
Universität für Bodenkultur - Institut für Marketing
Bio-Bauernhof Mitter
Ja! Natürlich
Spar Natur pur
Hofer