Der Philosoph als Querdenker - Teil 3
Liebe und freie Wesen
Philosophische Querdenker verwiesen auf die Bedeutung des menschlichen Leibes, der oft von der akademischen Philosophie vernachlässigt wurde. Auch der ideologische Fundamentalismus war ein Feind, den sie bekämpften.
17. Jänner 2014, 14:47
Radiokolleg, 7. Mai 2008
Der Philosoph Ludwig Feuerbach versteht den Menschen als ein freies Wesen, das seine Sinnlichkeit und Leiblichkeit als wesentliche Voraussetzung für ein geglücktes Leben ansieht. "Ich bin ein wirkliches, sinnliches Wesen", so schreibt er - "der Leib in seiner Totalität ist mein Ich, mein Wesen selber". Diese "neue" Philosophie der Leiblichkeit und Sinnlichkeit erlernte Feuerbach in einem kleinen Dorf, in dem er bis zu seinem Tod zurückgezogen lebte. "Ich bin nur solange etwas" bekannte er, "solange ich nichts bin".
Im Gegensatz zu den meisten akademischen Philosophen, die den Vorrang des Geistigen hervorheben, stellte Feuerbach den konkreten sinnlichen Menschen, der den Bedürfnissen des Leibes mit Genuss nachgeht. Einen zentralen Stellenwert nahm für Feuerbach die Nahrungsaufnahme ein. "Essen und Trinken hält Ich und Du zusammen" und "Man ist, was man isst".
Philosophie der Liebe
Feuerbach formulierte auch eine Philosophie der Liebe. In der sinnlichen Liebe sah er das Grundmodell menschlicher Beziehungen, das "den Glückseligkeitstrieb des Menschen befriedigt"; die Liebe des Anderen sollte dem Einzelnen über sein Wesen Bescheid sagen.
So verstanden entzieht sich die Liebe, die als Ich-Du- Beziehung gefasst wird, der begrifflichen Bestimmung, wie sie von der akademischen Philosophie vorgenommen wurde.
Feuerbach bezahlte für sein radikales Philosophieren einen hohen Preis. Sein Plädoyer für eine erfüllte Sinnlichkeit machten ihn zum Außenseiter der akademischen Philosophie. Während seine gut bezahlten akademischen Kollegen logische und metaphysische Probleme wälzten, verarmte Feuerbach und verstarb ziemlich isoliert 1872 an einem Schlaganfall.
Philosophie der Eigenliebe
Noch schlimmer erging es dem Philosophen Max Stirner, der von 1806 bis 1856 lebte. Er war das Enfant terrible seiner Zunft und wurde als "ein verkommener Gelehrter, als rigoroser Monomane und ein Ich-Verrückter" bezeichnet. Der Grund dafür war, dass er das konkrete Ich - den Einzelnen - in den Mittelpunkt seiner Philosophie rückte.
Er forderte dazu auf, sämtliche Wertehierarchien, die das einzigartige Ich versklaven, zu boykottieren. Mit Sigmund Freud gesprochen ist das "Über-Ich" der Brennpunkt dieser Wertehierarchien. Das Über-Ich - das Produkt des "gesamten Sammelsuriums der Kultur" - bezeichnete Stirner als "eine fixe Idee", als "Sparren". Der Sparren - in seinen verschiedenen Ausformungen - hat das Ich instrumentalisiert: Das Ich wird nur dann akzeptiert, wenn es sich in vorgeschriebenen religiösen, sozialen oder gesellschaftlichen Ordnungen positioniert.
Im Gegensatz dazu lebt das autonome Ich nach dem Grundsatz: "Ich tue, was ich selber will". Damit hat es den wahrhaft revolutionären Akt gesetzt, der sich gegen alles Bestehende richtet. Die bisher stattgefundenen Revolutionen haben sich laut Stirner immer nur gegen ein bestimmtes Bestehendes gerichtet. Stirner erhebt nun die Forderung, dass das Ich die rigiden Normen der verschiedenen Religionen oder Ideologien abwirft und sich in einem schöpferischen Akt selbst entwirft.