Die nächste Puccini-Generation

Ein neues Theater für Puccini

Puccini in Italien im Puccini-Jahr 2008: Wer folgt auf Renata Tebaldi und Mario del Monaco, Mirella Freni und Luciano Pavarotti, Renata Scotto und Carlo Bergonzi? Puccini-Aufführungen zwischen Torre del Lago und Mailand.

Für die 54. Ausgabe des Puccini-Festivals in Torre del Lago, wo der Komponist Jahrzehnte seines Lebens verbracht hat, wird es ein wichtiger Sommer: Man eröffnet das "nuovo teatro", eine Arena, die der gewaltigen Zahl von 3.200 Besucherinnen und Besuchern Platz bieten wird, und offeriert dort ein Programm von "Edgar" bis "Turandot", mit "Tosca" und "Madama Butterfly" als Zugstücken.

Bis ins Jahr 1930 reichen die Anfänge des "Festival Puccini" zurück. Der Frühzeit der Bregenzer und Mörbischer Festspiele mit ihren Floß-Bühnen vergleichbar, wurde in den Gründerjahren auf einem Podium gespielt, das auf Pfeilern aus dem See aufragte, von einer reisenden Truppe mit dem Namen "Carro di Tespi Lirico", aber immerhin unter der Leitung von Pietro Mascagni.

Puccini-Konzert mit Riccardo Chailly

2008, zur Vor-Feier von Giacomo Puccinis 150. Geburtstag am 22. Dezember, kommt zur "inaugurazione" des großen, neuen, in jahrelanger Arbeit auf der sprichwörtlichen "grünen Wiese" errichteten Open-Air-Theaters für ein Puccini-Konzert Riccardo Chailly mit dem Scala-Orchester, in den Opernaufführungen danach treten Francesca Patanè und Marco Berti auf, Cristina Gallardo-Domas und Fabio Sartori, Daniela Dessi und Fabio Armiliato - Solistinnen und Solisten, die seit längerem das Bild von Puccini-Abenden quer durch Italien prägen.

Sänger-"Importe" und hausgemachte Karrieren
Wo bleibt die neue Generation von italienischen Puccini-Interpretinnen und -Interpreten? Als an der Römischen Oper diesen Jänner "Tosca" angesetzt war, kam für die Titelrolle bei der Premiere Martina Serafin zum Einsatz, österreichische Sopranistin mit Opern-Karrierebeginn in Graz, zuletzt an der Wiener Staatsoper als Lisa in "Pique Dame". Daheim blieb unbeachtet, dass sie in Italien auch schon mit der Maddalena in Giordanos "Andrea Chenier" erfolgreich war; zusätzliches Gewicht erhielt die römische "Tosca"-Neuproduktion durch die Regie von Altmeister Franco Zeffirelli.

Alternativbesetzung für die Partie der Tosca war Myrto Papatanasiu, eine junge Griechin, die zuletzt mit Mozart- und Rossini-Primadonnenrollen hat aufhorchen lassen und die man nicht so rasch bei Veristischem erwartet hätte. Als Cavaradossi alternierend: Weltstar Marcelo Alvarez und "Operalia"-Gewinner Giuseppe Gipali, ein grundsolider, vielseitiger Sänger albanischer Abstammung, der nach der Tour durch mittlere italienische Häuser nun in den Metropolen angekommen ist. So wie Stefano Secco, in Wien und London zuletzt vielfach Einspringer für Rolando Villazon, ein junger italienischer Sänger, der im Jänner 2008 in Florenz in "Madama Butterfly" als Pinkerton die für die Cio-Cio-San eigens aus den USA eingeflogene Patricia Racette eindeutig überstrahlte.

Veteranen und Newcomer
Trotzdem: Ohne Veteranen lassen sich die Opern von Giacomo Puccini nach wie vor nicht besetzen, speziell im Baritonfach gibt es bei den Jüngeren Lücken. In Rom: keine gelungene "Tosca" ohne Renato Bruson als Scarpia, am Teatro alla Scala in Mailand: kein "Trittico" ohne Leo Nucci als Gianni Schicchi und Juan Pons als Michele im düsteren "Mantel", "Il tabarro".

Nuccis Bühnenpräsenz ließ in der von Luca Ronconi inszenierten Aufführung sogar die Lauretta von Nino Machaidze verblassen, eine 1983 geborene georgische Sopranistin, die erst im Vorjahr an der Scala in der "Regimentstochter" ihren Karriere-Durchbruch erlebt hat. Bei den Salzburger Festspielen in diesem Sommer wird Nino Machaidze die in Babypause gehende Anna Netrebko in Gounods "Roméo et Juliette" ersetzen.

Besser als das lyrische Stimmfach war in diesem "Trittico" das dramatische bedient: Mit der wie immer bis ans stimmliche Limit gehenden Paoletta Marrocu (neben Tenor Miro Dvorsky) in der "Tabarro"-Dreiecksgeschichte, mit der bedrohlichen Marjana Lipovsek (neben Sopran Barbara Frittoli) in "Suor Angelica".

Eine "Manon Lescaut" in der Urfassung in Leipzig
Es fehlt nicht an jungen Sängerinnen und Sängern, die bereit sind, für Puccini alles zu geben - und koste es ein paar Karrierejahre. Auch Micaela Carosi, erst wenige Saisonen "im Geschäft", ist - im Teatro Carlo Felice di Genova - bereits bei der Rolle der Manon Lescaut angelangt und lässt sich von Dirigent Daniel Oren in höchste Lautstärkeregionen peitschen, gemeinsam mit Walter Fraccaro als Des Grieux, den man seit jeher nicht als Mann der Zwischentöne kennt, sondern als stimmlichen Draufgänger.

Dass Tempo- und Dynamik-Exzesse nicht sein müssen, um Puccini-Opern spannend zu machen, bewies hingegen Riccardo Chailly mit dem Mailänder "Trittico". Auch er widmet sich zur Zeit der "Manon Lescaut", allerdings in der seit 115 Jahren nicht wieder gehörten Turiner Urfassung der Oper von 1893, die dem Vernehmen nach noch "wagnerianischer" tönt als Puccinis Version von letzter Hand. Schauplatz dieser Premiere ist am 9. Mai 2008 kein italienisches Opernhaus, sondern die Oper Leipzig, und in den Hauptrollen findet sich unter Chaillys Leitung kein einziger Sänger aus Italien: So ist Sondra Radvanovsky die Manon und Aleksandrs Antonenko, kurz von seinem Salzburger Otello-Debüt, der Des Grieux.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Donnerstag, 8. Mai 2008, 15:06 Uhr