Blühendes Geschäft mit schlechter Luft
Emissionshandel
Eines der erfolgversprechendsten Mittel im Kampf gegen den Klimawandel ist der Emissionshandel. Die EU hat hier weltweit die Nase vorn. Das Prinzip dahinter: CO2 bekommt einen Preis und wird zu einem Gut, das man handeln kann wie andere Wertpapiere.
8. April 2017, 21:58
Eine der wichtigsten Fragen unserer Zeit ist: Wie kann die Wirtschaft weiter wachsen, aber der CO2-Ausstoß gleichzeitig weniger werden?
Der Emissionshandel, also der Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten, ist im Kampf gegen den Klimawandel eine der effizientesten Waffen, sagt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, weil er nach wirtschaftlichen Grundsätzen funktioniert: "Ich glaube, das ist der Schlüssel zum Erfolg, denn alle Maßnahmen wie erneuerbare Energie und Energieeffizienz werden nur rentabel werden, wenn CO2 einen Preis bekommt. Nur dann werden die Investoren dieser Welt sich hinsetzen und ihre Investitionsrechnungen überprüfen und nur dann wird man mit kohlenstoffarmer Technik Geld verdienen können. Die Entwicklung hin zu regionalen Kohlenstoffmärkten ist aus meiner Sicht einer der hoffnungsvollsten Zeichen überhaupt."
Künstliche Verknappung
Auf Kohlenstoffmärkten wird mit CO2-Verschmutzungsrechten gehandelt, wie mit jedem anderen wirtschaftlichen Gut. Aber: Wie geht das eigentlich?
Das Ziel aller Klimaabkommen lautet: CO2 Einsparen. Also werden zum Beispiel Unternehmen weniger CO2-Verschmutzungsrechte zugeteilt, als sie für ihre Produktion brauchen. Die Verschmutzungsrechte werden ein knappes Gut und dadurch bekommen sie einen Preis.
In der Europäischen Union gibt es seit 2005 ein Emissionshandelssystem, die EU ist hier weltweit Vorreiter. In dem Handelssystem sind europäische Industrie-, Energie- und Stromkonzerne erfasst. Rund 12.000 Unternehmen sind betroffen, auf sie entfallen etwa die Hälfte der CO2 Emissionen der EU.
Die EU hat für jedes Land eine Menge an CO2-Rechten festgesetzt, dabei gibt es für jedes Unternehmen fixe Kontingente. Der wirtschaftliche Anreiz CO2 einzusparen, ergibt sich wie folgt: Verschmutzt ein Unternehmen mehr als es darf, muss es von einem anderen Unternehmen Verschmutzungsrechte kaufen. Der, der sauber produziert und zu viele Rechte hat, kann diese verkaufen und profitiert.
Nicht knapp genug
Bis jetzt gab es im europäischen Emissionshandelssystem zwei Handelsperioden. Von 2005 bis 2007 und von 2008 bis 2012. Bisher wurden die CO2-Rechte an die Unternehmen gratis vergeben. Der größte Fehler in der ersten Handelsphase war, dass zu viele Verschmutzungsrechte zugeteilt wurden, deshalb hat sich kein Preis entwickelt und für viele Unternehmen gab es keinen Anreiz CO2 einzusparen.
In der zweiten Handelsphase bis 2012 wurden die Kontingente daher rigoros verknappt. Ab 2013 will die EU außerdem zwei Drittel der Kontingente in einer Auktion versteigern, dass heißt, Unternehmen kriegen nicht nur weniger CO2-Rechte zugeteilt, sondern müssen den Großteil erstmals auch kaufen. Für viele Unternehmen steigen daher die Produktionskosten, das soll ein Anreiz sein, sauberere Technologien zu entwickeln. Weltweit gibt es noch kein anderes vergleichbares Emissionshandelssystem.
Fördern statt sparen
Es gibt aber auch noch eine andere Art von handelbaren CO2 Verschmutzungsrechten: Länder, die das Kyotoprotokoll unterzeichnet haben und die ihre CO2-Bilanz verbessern müssen, können auch Verschmutzungsrechte kaufen, indem sie Klimaschutzprojekte im Ausland fördern, etwa in China oder Afrika, diese Rechte können sie sich zu Hause in ihrer CO2-Bilanz anrechnen lassen, diese im Ausland erworbenen Rechte existieren parallel zu den Europäischen Verschmutzungsrechten und werden bereits international gehandelt.
Neue Handelsplätze für einen neuen Markt
Einige große Emissionshandelsbörsen haben sich schon entwickelt, in der EU ist es die ECX in Amsterdam, in Graz gibt es die EXAA, der Chicago Climate Exchange, auch in Asien entstehen einige Börsen.
Letztes Jahr betrug der internationale CO2-Markt bereits 60 Milliarden Dollar, ein Plus von 80 Prozent im Vergleich zu 2006, das zeigen die neuesten Zahlen der CO2-Handelsanalysten PointCarbon. Der Löwenanteil davon entfällt auf den europäischen Emissionshandel.
Auch die Preise für eine Tonne CO2 steigen. Alexander Winzer, Direktor von Climate Corporation, einer österreichischen Handelsplattform für CO2-Rechte mit Sitz in Mödling bei Wien, rechnet damit, dass die Preise in den nächsten Jahren um ein Drittel steigen werden, aktuell liegt der Preis bei etwa 25 Euro pro Tonne CO2.
Die Climate Corporation wickelt im Auftrag von Unternehmen den CO2 Handel ab, über eine eigene Börse, den Carbon Pool. Ähnlich wie ein Broker. Das Handelsvolumen der kleinen Mödlinger Firma beträgt 100.000 bis 200.000 Tonnen CO2 pro Woche.
Was rechnet sich mehr?
Für viele Unternehmen ist CO2 also zu einem Kostenfaktor geworden, der in der betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung einzuplanen ist, besonders bei Unternehmen, bei denen in der Produktion ein gewisser CO2-Ausstoß unvermeidbar ist.
Diesen Kostendruck spürt auch die Wietersdorfer und Peggauer Zementwerke in der Steiermark, dessen Produkte sind unter der Marke BAUMIT bekannt, wie die CO2-Verantwortliche Ingrid Seidl erklärt. Schon jetzt habe die Zementindustrie in Österreich um rund 20 Prozent zu wenig CO2-Zertifikate für die Produktion, das seien rund 600.000 Zertifikate.
Mit CO2-Einsparen alleine könne das Problem in ihrem Betrieb nicht gelöst werden, sagt Seidl. Das Einsparungspotenzial läge nur bei fünf Prozent, sagt Seidl. Außerdem: Die Kosten, die entstehen, um CO2 zu vermeiden, seien in etwa so hoch wie die Preise am CO2-Markt. Für Unternehmen stellt sich also die Frage: Ist es billiger in neue Technologien zu investieren oder Zertifikate zuzukaufen?
Die steirische Zementfirma muss auf jeden Fall Zertifikate zukaufen, bei einem Preis pro Tonne CO2 zwischen 20 und 25 Euro ist das eine große Summe, sagt Seidl. "Bei einen 25kg Sack Zement werden in der Produktion etwa 15 kg CO2 emittiert, müsste man das zu aktuellen Marktpreisen bewerten, müsste der Sack künftig 15 bis 20 Prozent teurer werden,", sagt Seidl. Insgesamt seien die Herstellungskosten aufgrund von CO2-Auflagen und den höheren Strompreisen um rund 30 Prozent gestiegen.
Das sei ein empfindlicher Wettbewerbsnachteil, sagt Seidl. Denn die höheren Kosten können dem Kunden nicht weiter verrechnet werden, weil sie sonst billigeren Zement aus Afrika oder China kaufen. Das Problem: Dort gibt es keine Umweltvorschriften:
Internationale Produktionsnachteile
Wegen der hohen Kosten durch die CO2-Auflagen der EU, könnte es also sein, dass sich Produktionsstandorte in Europa nicht halten können, sagt Seidl. Das wäre nicht sinnvoll, sagt Seidl, weil die Österreichischen Werke um bis zu 40 Prozent sauberer produzieren als im internationalen Vergleich.
Auch die VOEST fürchtet Wettbewerbsnachteile und will deshalb, dass Unternehmen, die in saubere Technologien investieren, bei der CO2-Zuteilung belohnt werden. Ihr Argument ist: Wir produzieren längst sauberer als andere, noch sauberer gehe nur unter enormem Kostenaufwand, das mache den Standort Österreich unrentabel. Ob gerade die größten CO2-Verursacher wie die Stahl und Zementindustrie solche Zugeständnisse bekommen, oder ob die EU eine Abwanderung riskiert, ist ein politisches Dilemma, das die EU lösen muss.
Momentan ist langfristige Investitionsplanung für europäische Industriekonzerne sehr schwer, weil nicht klar ist, wie die EU im CO2-Handel weiter vorgeht - also wie viele gratis Zertifikate es geben wird und wie viel die CO2-Zertifikate kosten werden, das sei wie Kaffeesudlesen, sagt Seidl.
Globalisierter Handel erst in Entwicklung
Nach dem Vorbild der EU entwickeln sich derzeit aber auch in den USA und Asien regionale CO2-Handelssysteme, nach und nach international verwoben werden könnten, sagt der Klimafolgenforscher Ottmar Edenhofer.
Im Zuge dessen, wird auch diskutiert, welche Branchen am Emissionshandel teilnehmen sollen. Bislang sind im europäischen Handel ja wichtige Sektoren, wie der Straßen- und Flugverkehr, oder der Wärmebereich im Wohnbau ausgenommen. Für Edenhofer macht der Emissionshandel nur Sinn, wenn alle Sektoren inkludiert sind.
Indessen wittert auch die Finanzindustrie das große Geld hinter dem Emissionshandel, sagt Edenhofer, denn CO2-Verschmutzungsrechte, seien, wie gesagt, handelbar wie Wertpapiere: Etwa, weil Börsenplattformen entstehen, weil Finanzanalysten Unternehmen nach neuen Kriterien bewerten, weil gegen Preisschwankungen gehedged wird, und die Transformation etwa der Energiewirtschaft über Kredite finanziert werden müsse.
Der CO2-Markt könnte schon bald auf einen dreistelligen Milliarden-Dollarbetrag anwachsen, genaue Schätzungen gibt es aber nicht, sagt Edenhofer, aber er glaubt, dass der Kohlenstoffmarkt einer der am schnellsten wachsenden Märkte der Welt wird.
Wie erfolgreich der internationale Emissionshandel in Zukunft wirklich wird, hänge vor allem davon ab, ob es nach dem Ablaufen des Kyotoprotokolls 2012 ein neues internationales Klimaabkommen gibt, und ob die USA mitmachen, sagt Winzer von der Climate Corporation. Davon hänge ab, ob der Boom weitergehe, oder ob der europäische Emissionshandel in der Versenkung verschwinde.
Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 9. Mai 2008, 9:45 Uhr
Links
Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung
Climate Corporation
Österreichische Klimaschutzprojekte im Ausland
PointCarbon
International Emmissions Trading Platform